Angst vor feindlicher Übernahme
05:31 Minuten
Jedes Jahr feiert sich in der Hauptstadt Banjul die gambische Hip-Hop-Szene beim "OpenMic-Festival". Eine Veranstaltung mit politischer Kraft - und dieses Jahr auch mit internationaler Beteiligung. Aber das passt nicht jedem. Viele Zuschauer bleiben weg.
"Es war nicht das, was ich erwartet habe. Die Veranstaltung beginnt gleich. Und niemand kommt." Das sagt Abdou Faye Waagan. Der Festivalveranstalter sitzt deutlich gebeutelt in einem weißen Zelt hinter der Bühne.
Als der gambische Kora-Spieler Tata Dindin mit seiner Band auf die Bühne kommt, stehen im Nationalstadion von Banjul verstreut ein paar Zuschauer herum.
Ein Festival ändert die Zukunft des Landes
Eigentlich hätte das eine Erfolgsgeschichte werden sollen. Und die wäre so gegangen: Zum ursprünglich eintägigen gambischen Hiphop-Festival "OpenMic" kommt ein zweiter Tag hinzu, "Africourage" – mit gambischen und internationalen Künstlern. Eine Kooperation mit dem Goethe-Institut im benachbarten Senegal.
"Die Idee von Africourage ist, dass wir Musiker, die sich für Zivilgesellschaft stark gemacht haben, dass wir die zusammen präsentieren wollen", so der Leiter des Goethe-Instituts in Dakar, Philipp Küppers. Das "OpenMic"-Fest schien dafür der richtige Ort, denn 2016 wurde das Hiphop-Festival zu einer entscheidenden politischen Plattform, die die Zukunft Gambias maßgeblich veränderte.
Die politische Kraft der Musik
Gambia hatte gewählt – und sich deutlich gegen den langjährigen Diktator Yayah Jammeh ausgesprochen. Aber der weigerte sich abzutreten. "Gambia has decided" – Gambia hat entschieden – so forderten die Zuschauer beim "OpenMic"-Fest den Rücktritt von Jammeh – schließlich mit Erfolg.
Und man hat in diesem Moment so ein bisschen gespürt, welche Kraft diese Musik hat, dass sie die Leute vereint, welche Energie das freisetzt. Und dass, wenn alle zusammen halten, keiner einen stoppen kann.
Fünfmal wurde Killa Ace verhaftet
Daran wollte man in diesem Jahr mit dem zweiten Festivaltag anknüpfen. Senegals Star Baaba Maal ist mit dabei, Smockey aus Burkina Faso, Wimme & Rinne aus Finnland – und auch Killa Ace aus Gambia.
Fünf Mal wurde Killa Ace alleine in diesem Jahr verhaftet. Auch wenn mit dem neuen Präsidenten Adama Barrow eine neue Freiheit in Gambia eingekehrt ist, so haben sich alte Strukturen doch noch gehalten.
Ich kämpfe weiter für Menschenrechte, gegen die Veruntreuung von Geldern und Korruption, sagt Killa Ace. "Und was mich am meisten ärgert, ist, dass die Täter aus dem alten Regime, die Gewalt gegen die Bevölkerung ausgeübt haben, wieder im Amt sind."
Das internationale Line-up kam nicht an
Immer wieder legt der westafrikanische Rapper mit seinen Songs den Finger in politische Wunden – und eckt damit an. Er ist ein Star in Gambia und tritt beim Festival mit den anderen Größen des Landes auf – mit ST und Jizzle. Eigentlich hätte das ein Garant für ein volles Stadion sein müssen, aber viele Gambier reagierten verschnupft, dass das Line-up um internationale Künstler erweitert wurde.
Sie sahen es als feindliche Übernahme an. Von dem übermächtigen Nachbarland Senegal und den noch übermächtigeren Europäern. Er sehe das immer wieder bei afrikanischen Jugendlichen, sagt Felwine Sarr: "Es gibt ein gewisses Misstrauen gegenüber Europäern, ob es da noch einen anderen Plan gibt, eine Agenda. Aber selbst ich als Senegalese habe unterschätzt, wie groß die Befindlichkeiten sind."
"Wir sind schließlich alle Menschen"
Der senegalesische Denker ist als Musiker hier. Bei uns ist Sarr bekannt geworden durch den Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter, den er mit der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy geschrieben hat.
"Ich sehe immer mehr afrikanischen Nationalismus. Und wir müssen unterscheiden zwischen dem legitimen Wunsch nach Autonomie und gegenseitigem Respekt. Und dem Auftrag, die Menschheit weiterzubringen und gegen jede Fremdenfeindlichkeit anzugehen. Wir sind schließlich alle Menschen", so Sarr.
Rund 2.000 Gambier feiern schließlich beim Festival – weit entfernt von den Zahlen des letzten Jahres, aber vielleicht ein Schritt hin zu einer Öffnung des kleinen Landes mit dem großen musikalischen Potenzial. Und allemal ein Lehrstück über die Herausforderungen internationaler Zusammenarbeit.