Lässt sich Fremdenfeindlichkeit wegzappen?
Forscher können bestimmte Hirnregionen vorübergehend mit Magneten ausschalten. Das Ergebnis: Die Probanden fühlen sich weniger bedroht. Und wenn wir etwas nicht mehr als Bedrohung wahrnehmen, passen wir dementsprechend unser Weltbild an, wie Experimente zeigen.
Im Film "Men in Black" aus den 90er Jahren wurden Menschen "geblitzdingst". So wurde es in dem Film genannt, wenn Erinnerungen gelöscht wurden. Das Blitzdingsen ist so ähnlich wie das, was Colin Holbrook Zappen nennt. Er nutzt dafür einen Magneten:
"Man könnte sagen, dass wir Leute mit diesem Magneten zappen. Wir haben damit eine Region des Gehirns vorübergehend ausgeschaltet."
Holbrook forscht an der University of California in Merced. Vom Mittelpunkt des Schädeldachs etwa viereinhalb Zentimeter Richtung Stirn, da hat Colin Holbrook den Magneten angesetzt. Und während das Blitzdingsen im Film sich so anhörte, klingt Holbrooks Technik etwa so ...
Der posteriore mediale frontale Kortex wird ermüdet
40 Sekunden lang wurden seine Probanden magnetischen Pulsen ausgesetzt. Dadurch wurde eine bestimmte Hirnregion, der posteriore mediale frontale Kortex, quasi so stark ermüdet, dass er für eine Weile den Dienst versagte.
Dieser Teil des Hirns ist dafür zuständig, Probleme und Bedrohungen zu erkennen. Beim Steinzeitmenschen stellt sie vielleicht fest, dass es nicht gut ist, Ratten in der Höhle zu haben. Bei uns wird sie aktiv, wenn wir merken, dass wir auf der Autobahn unsere Ausfahrt verpasst haben.
Holbrook und seine Kollegen wollten herausfinden, ob diese Region auch abstraktere Probleme händelt und Lösungen dafür sucht:
"Was, wenn etwas so Abstraktes wie das persönliche Nationalgefühl bedroht ist? Indem ich etwa sagen würde: Deutsche sind extrem mechanische, gefühllose Monster, die alle antisemitisch und verantwortlich für alles Schlechte auf der Welt sind. Nur, um Ihnen mal ein Gefühl dafür zu geben, wie einen das mitnimmt, sowas zu hören. Obwohl ich ja gar nicht über Sie oder Ihre Mutter rede, sondern über diese Abstraktion von Deutschen. Etwas ähnliches haben wir mit unseren amerikanischen Probanden gemacht."
Krasse Kritik - und dann auch noch von einem Einwanderer
Noch dazu wurde den Probanden gesagt, dass diese kritischen Worte von einem Einwanderer kamen. Dann wurden die Teilnehmer gefragt, wie sehr sie zustimmen oder die Position nachvollziehen können. Bei der Hälfte der Teilnehmer war die entsprechende Hirnregion ausgeschaltet, die andere Hälfte hatte nur eine unwirksame Dosis mit dem Magneten bekommen. Colin Holbrook sagt, das Ausschalten der Hirnregion hatte einen großen Effekt.
"Diese Teilnehmer hatten nicht nur einen positiveren Eindruck von der Person, sondern sie stimmten ihr auch mehr zu. Sie waren eher willens, ihr entgegenzukommen und glaubten eher, dass an der harschen Kritik etwas dran sei, dass sie einigermaßen gerechtfertigt sei."
Unsere Ideologie, also unsere Weltanschauung und gesellschaftlichen Normen, scheint also ziemlich flexibel zu sein. Sobald wir etwas nicht mehr als Bedrohung wahrnehmen, passen wir unser Weltbild kurzerhand an. Das findet auch Jeffrey Anderson von der University of Utah spannend.
"Dass so eine einfache Modulation so grundlegende Dinge wie In-Group und Out-Group beeinflussen kann, das berührt ja auch die Frage, wie wir soziale Entscheidungen fällen."
Gott, Teufel, Engel und Dämonen
Noch spannender findet Anderson aber den zweiten Teil der Studie. Die gezappten Probanden wurden nämlich auch gefragt, wie religiös sie sind. Ob sie an Gott oder den Teufel, Engel oder Dämonen glauben. Vorher bekamen sie noch die Aufgabe, einen kurzen Text über ihren eigenen Tod zu schreiben.
"Die Teilnehmer, die wir gezappt haben ... obwohl wir sie gerade an ihren unvermeidlichen Tod erinnert haben und die Vergänglichkeit ihres Körpers und so weiter, trotz dieses Anreizes, an ein Leben nach dem Tod zu glauben, glauben sie weniger daran. Die Gezappten glaubten weniger an Gott, Engel und den Himmel."
... im Vergleich zur Kontrollgruppe, die nur scheinbar gezappt worden war. Jeffrey Anderson konnte in einer ganz anders aufgebauten Studie bestätigen, dass die fragliche Hirnregion mit Religiosität zu tun hat.
"Wir haben ebenfalls herausgefunden, dass spirituelle Erfahrungen den medialen frontalen Kortex aktivieren, als wir eine Gruppe von Mormonen untersucht haben."
Colin Holbrook erklärt das so, dass Religion, der Glaube an Gott und ewiges Leben auch nur eine Problemlösungsstrategie sind. Die untersuchte Hirnregion scheint auf diese Weise dabei zu helfen, mit Tod und Leid fertig zu werden. Nur, wenn Religion ein anscheinend im Gehirn verankerter Schutzmechanismus ist, ist es Fremdenfeindlichkeit dann auch? Das würde ja der erste Teil der Studie nahelegen.
"Das Gehirn ist dafür gemacht, xenophob zu sein"
"Ja, unser Gehirn ist dafür gemacht, xenophob zu sein, die Welt in 'Wir' und 'Die Anderen' einzuteilen. Aber während wir uns evolutionär dazu entwickelt haben, ethnozentrisch zu sein, hat uns die Evolution nicht zu Rassisten gemacht. Das zeigt sich, wenn man Menschen andere Möglichkeiten gibt, Wir- und Die-Anderen-Gruppen zu bilden. Zum Beispiel, ganz einfach, bei Sport-Mannschaften oder durch nationale Identität oder andere Identitäten. Menschen scheinen sehr schnell bereit zu sein, solche Identitäten anzunehmen und aufzuhören, voreingenommen gegenüber der Ethnie einer Person zu sein. Das gibt uns glaube ich ein bisschen Hoffnung."