Schlösser in neuem Glanz

In Niederschlesien wollen Polen und Deutsche das Hirschberger Tal zu alter Blüte zurückführen: Mit einem Festival in historischen Gemäuern und Gärten, die zum Teil von den Nachfahren der alten Besitzer wiederaufgebaut werden.
Der Springbrunnen vor dem Palast Pakoszów in Niederschlesien. Die weitläufige Wiese vor dem frisch renovierten Gebäude war im 18. und 19. Jahrhundert ein Arbeitsplatz. Hier wurde feinstes Leinen gebleicht und dann in alle Welt exportiert für Schleier reicher Damen. Die Bleiche war eine Goldgrube, andere sogenannte Schleierherren machten es der Familie Hess nach, im Hirschberger Tal entstand ein Schloss nach dem anderen. Auch der preußische König entdeckte das malerische Vorland vor dem Riesengebirge für sich, erzählt Grazina Kolarzyk von der Stiftung der Schlösser:
"Im 19.Jahrhundert kam die Familie des Königs Friedrichs III. Er hat Schloss Myslakowice, Schloss Erdmannsdorf gebaut. Sein Bruder baute das Schloss in Karpniki, Fischbach, und seine Tochter in Wojanów. Und wenn wir heute in diese Umgebung gucken, haben sie im Umkreis von zehn Kilometern rund 30 Schlösser und Wohntürme."
Zwar fiel im Zweiten Weltkrieg im Hirschberger Tal kein Schuss, doch mit dem alten Glanz der Schlösser war es vorbei. Die alten Besitzer wurden vertrieben, neue kamen, meist Polen aus dem Osten des Landes, die selbst vertrieben worden waren und denen die Schlösser nichts bedeuteten:
"Also wir Polen haben das nach dem Krieg zerstört. Ich muss sagen, dass wir das gemacht haben nach dem Krieg. Alles, was deutsch war, war fremd. Und deswegen haben die Leute alles, was in diesen Schlössern war, nicht geklaut, sondern zerstört. Und das war die Katastrophe für diese Sehenswürdigkeiten."
Das Paradies war eine verfallene Scheune
Seitdem Polen der Europäischen Union angehört, dürfen die alten Besitzer die Anwesen zurückkaufen. Für Christopher Hartmann eine schwere Entscheidung. Sein elfter Urgroßvater und nach ihm alle anderen hatten Pakoszów, zu Deutsch Wernersdorf, auf- und ausgebaut, doch der Saarländer hatte keine Vorstellung von dem Anwesen in Polens Südwesten:
"Es hieß immer: Wernersdorf und wie toll das war. Seitdem ich denken konnte, ging es bei den Familientreffen immer um Wernersdorf. Es gab aber keine Bilder, nichts. Und als meine Eltern dann irgendwann 2004 kamen und sagten, das Haus steht zum Verkauf, kommt doch mal her und schaut es euch mal an, da waren wir überrascht und kamen dann hierher und habe das in den Erinnerungen der Älteren als Paradies Empfundene als verfallene Scheune vorgefunden."
Eine Scheune mit Schmuckkästchen, vor dem die Spatzen ein Sandbad nehmen. Das heute erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird. Nachdem das Schloss restauriert und in ein Hotel umfunktioniert worden war, wandte sich Architekt Christopher Schmidt dem Delfter Kachelzimmer zu in einem Nebengebäude des Schlosses:
"Das Hauptgebäude ist um 1725 umgebaut worden und in diesem Zeitabschnitt haben die hier dieses Häuschen errichtet. Damals war das sehr modern, sich so ein chambre séparée zu besorgen. Aber ich würde vorschlagen, wir gehen mal hoch."
Die Treppe führt in einen rund 15 Quadratmeter großen Raum mit Fenstern und Kamin, die Wände über und über mit weiß-blauen Fliesen bedeckt, die früher keineswegs Küchen und Bädern vorbehalten waren, sondern eine Kostbarkeit wie Seidentapeten darstellten:
"Also hier sind ungefähr tausend Stück untergebracht von diesen Delfter Platten angebracht. Die sind 1720 produziert worden. Das ist so ein Konglomerat aus zeitgenössischen Genrethemen, z.B. diesen Schlittschuhläufer, die Windmühle, dann sehen sie konfessionelle Themen, den Rausschmiss aus dem Paradies. Handgemalt."
"Polen wissen, dass die Deutschen sich schuldig fühlen"
Die polnische Bevölkerung, die jetzt in Niederschlesien lebt, hat keinerlei Vorbehalte, dass die alten Besitzer zurückkehren, sagt Grazina Kolarzyk:
"Es gibt keine Probleme. Früher, vor 20 Jahren, waren noch verschiedene kleine unangenehme Situationen. Aber seit 20 Jahren hat man praktisch nichts gehört, denn die Leute wissen, wenn jemand einen Krieg verursacht hat, dann fühlt er sich schuldig. Und wir fühlen das, dass sich die Deutschen schuldig fühlten. Deswegen wollten wir das nicht tiefer machen. Also wir haben jetzt Europa. Vor 20 Jahren war das noch etwas anderes. Vor 50 Jahren war es noch anders."
Die Leiterin der Schlösserstiftung freute sich mit über die Entdeckung des Delfter Zimmers, aus zwei Gründen:
"Alle Schlösser schaffen viele Arbeitsplätze für Einwohner. Dieses Gebiet entwickelt sich dank dieser Schlösser."
Mit den Schlössern kehrt auch die Kultur zurück in die Region. Heute beim Festival mit seinen Konzerten, Ausstellungen, Theateraufführungen wird Stanislaw Sojka, einer der erfolgreichsten Jazzmusiker Polens, erwartet. Das Kulturangebot nutzen inzwischen vor allem die Einheimischen.
"Immer mehr Polen kommen zu den Schlössern. Früher waren das die Deutschen. Denn es waren Ausländer, die viel mehr Geld hatten als Polen."
Die Stiftung will das deutsche Erbe der Schlösser in Erinnerung rufen, es ist ein Neuanfang ohne Schmerzen. Wenn das Hirschberger Tal irgendwann Unesco-Weltkulturerbe wird, sagt Grazina Kolarzyk, hat sich ihr Traum erfüllt. In die polnische Denkmalliste sind zwölf der 30 Hirschberger Schlösser schon aufgenommen.