"Die NSDAP war eine moderne Volkspartei"
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Von einer kleinen rechtsradikalen Splitterpartei sei die NSDAP während der Weimarer Republik zu einer modernen Volkspartei geworden, sagt Andreas Nachama. Vor allem dank ihres Programms, das mehr war als nur "Anti".
Während der Weimarer Republik entwickelte sich die NSDAP von einer völkischen Umstürzlerpartei zu einer modernen Volkspartei mit einem breit aufgestellten Programm. Diese These vertritt der Historiker Andreas Nachama, geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin. So sei die NSDAP nicht einfach nur antidemokratisch, antiparlamentarisch, antiliberal, antisemitisch, antibolschewistisch gewesen, sondern habe darüberhinaus Programmangebote an ganz unterschiedliche Gruppen gemacht.
"Reichsbahnern etwa wurden Versprechungen gemacht, die dazu geführt hätten, dass man anderen etwas hätte wegnehmen müssen", so der Historiker im Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Diesen Aspekt der Entwicklung der NSDAP hätte man damals allerdings übersehen: "Wenn man das, was die NSDAP damals bot, ernst genommen hätte und nebeneinander gelegt hätte, dann hätte man gesehen, dass sie Versprechungen macht, die einander ausschließen. Das hat aber keiner wirklich untersucht."
"Anti-Themen" als Klammer
Stattdessen hätten sich die Zeitgenossen, die die NSDAP bekämpft hätten, immer an den "großen Antis" der Partei abgearbeitet. Letztlich habe die NSDAP einen breiten Fächer aufgemacht und mit den großen Anti-Themen verklammert, sagt der geschäftsführende Direktor der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin.
Nachama zufolge wurde die Entwicklung der NSDAP zur Volkspartei auch dadurch befördert, dass sie "die wohl erste Partei war, die technische Mittel wie Lautsprecher, Mikrofone, auch Luftwahlkampf eingesetzt hat". Dass der Wahlkampf der Nationalsozialisten so in die Breite wirken konnte, habe auch daran gelegen, dass sehr viele Zeitungen von der NSDAP kontrolliert wurden und nationale Kampagnen mit vorgegebenen Plakatmotiven vom "Braunen Haus" in München aus organisiert worden seien. "Damit hat sie die anderen Parteien, die noch Honoratiorenvereine waren, ausgestochen."
"Geschichte wiederholt sich natürlich nicht"
Das gewalttätige Auftreten der Nationalsozialisten hat viele Bürger offenbar nicht abgeschreckt: "Das hatte etwas mit der mangelnden Akzeptanz der Weimarer Republik zu tun, die eben aus einem verlorenen Krieg heraus entstanden ist", betont Nachama. "Bei all dem muss man natürlich auch dazu sagen, die NSDAP hat bei keiner Wahl vor dem 30. Januar 1933 50 Prozent gehabt."
Zurückhaltend äußert sich Nachama zu möglichen Parallelen zwischen damals und heute: "Geschichte wiederholt sich natürlich nicht." Dennoch: "Man kann nicht sagen, wir haben jetzt eine Demokratie, und alles ist schön, sondern jeden Tag gibt es Herausforderungen, die müssen mit demokratischen Mitteln bestanden werden." Bisher sei das in 70 Jahren Bundesrepublik immer gut gegangen, sagt Nachama. "Und ich bin eigentlich optimistisch, dass in the long run die gewachsene politische Kultur zu einem Weiterentwickeln des politischen Wettkampfs führen wird."
(uko)