Die politische Mitte steht vor neuen Herausforderungen
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Nach der Wahl ergibt sich eine neue machtpolitische Konstellation, sagt der Historiker Andreas Rödder: FDP und Grüne „sitzen jetzt auf dem Fahrersitz und werden im wesentlichen Maße die Entscheidung über die neue Regierung treffen.“
Bei der Bundestagswahl hätten die politischen Ränder verloren, analysiert der Historiker Andreas Rödder die Ergebnisse am Morgen danach. "Wir haben eine Wahl gesehen, die sich eher in die breite politische Mitte entwickelt hat."
Für Rödder ist dieser Aspekt am Wahlergebnis positiv. Allerdings haben sich die Konstellationen in der politischen Mitte verändert, so Rödder, der selbst CDU-Mitglied ist: "Wir haben nicht mehr eine oder zwei große Parteien, die sich kleinere Parteien zum Koalieren herbeiholen".
Neue "Königsmacher"
Die Unionsparteien und die SPD sind zwar weiterhin die stärksten Parteien im Bundestag. Doch in den kleineren Parteien FDP und Grüne sieht der Historiker jetzt die "Königsmacher".
"Die sitzen jetzt auf dem Fahrersitz und die werden im wesentlichen Maße die Entscheidung über die neue Regierung treffen. Das ist jetzt schon machtpolitisch eine neue Konstellation."
Wenn sie es schaffen sollten, gemeinsam eine Präferenz auszusprechen: "Das wäre politisch schon ein Ding."
Wiederkehr der SPD
Eine schöne Überraschung für die Demokratie sei die Wiederkehr der SPD. "Das ist auch mal schön, dass es nicht nur bergab geht, sondern Totgesagte auch wieder auferstehen." Dabei sei das Ende der Volksparteien bereits beschworen worden.
Die Union habe allerdings ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt, sagt Rödder. "Insofern steht die Union jetzt an einem Scheideweg." Er glaube nicht, dass die Bundesrepublik eine historische Eindeutigkeit erlebe, aber es täten sich Möglichkeiten der weiteren Entwicklung auf, die von historischer Tragweite sein könnten.
Aus für "Methode Merkel"
Bei der CDU habe die "Methode Merkel" nicht mehr funktioniert. Sie habe die CDU nach links verschoben und damit versucht, SPD und Grünen das Wasser abzugraben, sagt Rödder. Das sei zwar lange erfolgreich gewesen, aber immer prekär. Es habe zur Folge gehabt, dass die CDU programmatisch entkernt worden sei, kritisiert das Parteimitglied. "Das büßt sie jetzt."
Im Wahlkampf habe sich gezeigt, dass es mit der CDU bergab gegangen sei, solange sie sich angepasst und Konflikte vermieden habe. "Den Trend gebrochen hat sie erst in dem Moment, als sie begonnen hat, doch Profil zu zeigen und Unterschiede geltend zu machen."
Jetzt stehe die CDU vor dem Dilemma, dass sie einerseits regieren wolle, sich aber anderseits inhaltlich und programmatisch erneuern müsse. Die Gefahr für die Union sei, dass sie vielleicht wieder die Regierung bilde, aber darüber diese inhaltliche Erneuerung versäume und den inneren Erosionsprozess fortsetze.
"Die Union muss wissen, wofür sie steht, das ist jetzt die entscheidende Herausforderung." Es könne auf lange Dauer nicht gut gehen, immer regieren zu wollen.