Historiker: Drittes Reich war keine "Konsensdiktatur"

Der Historiker Götz Aly zeichnet ein neues Bild der Zustände in den letzten sechs Jahren des deutschen Nationalsozialismus. Die Unterstützung der nationalsozialistischen Führung durch das Volk sei bei weitem nicht so stark gewesen wie bislang angenommen, sagte Aly im Deutschlandradio Kultur.
Die Menschen waren nach seiner Einschätzung "viel weniger ideologisch verführt als angenommen wird, sie waren ratlos, und sie waren in viel höherem Maße passiv." Den Begriff der Konsensdiktatur, den er selbst mitgeprägt habe, halte er heute für falsch.

"Wir können ganz klar sagen, dass die in der Zeitgeschichtsforschung standardisierte Behauptung, Hitler habe sich nach dem Sieg über Frankreich auf dem Höhepunkt seiner Macht befunden, definitiv falsch ist." Er habe sich Ende 1938, Anfang 1939 auf dem Höhepunkt der Zustimmung befunden, so Aly. Danach habe die Zustimmung der Bevölkerung abgenommen.

Für sein neues Buch "Volkes Stimme - Skepsis und Führervertrauen im Nationalsozialismus" hatte Aly zusammen mit Studenten der Goethe-Universität in Frankfurt am Main die politische Stimmungslage der Deutschen in den Jahren von 1939 bis 1945 anhand verschiedener Indikatoren untersucht.