"Das Centrum Judaicum war mein Baby"
Hermann Simon kämpfte viele Jahre gegen den Abriss der Ruinen der Neuen Synagoge in Berlin. Dann, zum 50. Jahrestag der Pogromnacht, wurde der symbolische Grundstein zum teilweisen Wiederaufbau der Synagoge gelegt. Nie hätte er sich diesen Erfolg träumen lassen, sagt Simon.
"Es war einfach eine Ruine. Und ich habe mir niemals vorstellen können, dass diese goldene Kuppel wieder erstrahlt. Bei allem Engagement für dieses Haus – das war auch für mich außerhalb jeglicher Vorstellungskraft."
Hermann Simon wurde Gründungsdirektor des neu entstandenen Centrum Judaicum, das sich die Pflege und Bewahrung jüdischer Kultur vornahm und prägte es entscheidend mit – etwa mit Ausstellungen über Juden in der frühen Filmwelt, über jüdischen Mädchenhandel und Prostitution, oder auch über Juden in Berlin zwischen 1938-1945. Auch wenn offiziell seit letztem Jahr im Ruhestand, ist er auch heute noch fast jeden Tag in seinem Büro dort anzutreffen.
Die Erfahrung der Verfolgung blieb immer präsent
Als Sohn des Berliner Judaisten Heinrich Simon und der Berliner Philosophin Marie Jalowicz-Simon, die beide den NS-Terror überlebten und nach dem Krieg in der DDR akademische Karriere machten, hat er sich auch seiner Familiengeschichte zugewandt. Simons Mutter überlebte in Berlin. Kurz vor ihrem Tod nahm ihr Sohn ihre Erinnerung auf Tonband auf und brachte sie 2014 unter dem Titel "Untergetaucht" heraus. Ein Bericht, der schonungslos die Ambivalenz von Verfolgten und ihren Helfern zeigt und keine strahlenden Helden kennt. Wenn ihn seine Mutter eins gelehrt habe, dann dies: "Es gibt eben nicht schwarz-weiß, es gibt bestenfalls grau."
Im Gespräch erzählt Simon, wie seine Mutter nach dem Krieg ihre dramatische Überlebensgeschichte hinter sich gelassen hat, um ihr Leben neu zu beginnen. Dass aber die Erfahrung der Verfolgung in gewissem Sinne auch immer präsent blieb:
"Für mich ist es immer sehr schwer zu trennen – das ist generell schwer zu trennen – zu sagen, das ist bedingt durch das Schicksal und das ist Marie Simon, das ist ihr Charakter. Das kann man voneinander nicht trennen. Ich würde sagen, dass es gewisse Dinge gab, die auf dieses Verfolgungsschicksal zurückzuführen sind, eine Ungeduld zum Beispiel, dass man sein Vis-à-vis blitzschnell, heute würde man sagen 'scannt', oder dass meine Mutter nicht auf Bahnhöfe gehen wollte. Abschiede, das war nichts für sie."
Über seine Mutter und die familiäre Erinnerungsarbeit, über die jüdische Gemeinde in Ost-Berlin und über sein Lebenswerk Centrum Judaicum hat sich Hermann Simon mit Katrin Heise in der Sendung "Im Gespräch" unterhalten.