Zu den Vorwürfen gegen die Bundesregierung wird der Namibia-Beauftragte der Bundesregierung, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, am 13. Mai in unserer Sendung Studio 9 am Morgen Stellung nehmen.
"Sie müssen das zur Chefsache machen!"
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Warum sind Herero und Nama bei den Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia nicht dabei? Das sorgt für Unmut, auch beim Historiker Jürgen Zimmerer. In einem offenen Brief fordert er mehr deutsches Engagement.
Schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhebt der Afrikaforscher Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg. Diese verweigere den Nachkommen der Überlebenden des Völkermords an den Herero und Nama Gespräche, geschweige denn Verhandlungen.
Über den Völkermord, begangen vor mehr als 100 Jahren von deutschen Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika, verhandele die Bundesregierung lediglich mit der namibischen Regierung. Überdies scheine man die Angelegenheit nach diplomatischem Standardverfahren behandeln zu wollen.
Man könne aber über historisches Unrecht, gerade einen Genozid, nicht so sprechen wie über Fischereirecht oder Agrarquoten. Vielmehr brauche es dafür Demut und den Willen zuzuhören. "Und es muss mit allen gesprochen werden", betont Zimmerer.
Frust und Ärger über die Bundesrgierung bei Herero und Nama
Unter den Herero und Nama sorgt das Verhalten der Bundesregierung offenbar für Frust und Ärger:
"So wird das wahrgenommen, dass sie als eigentliche Opfer des Genozids ausgeschlossen sind von Verhandlungen und selbst von Gesprächen", berichtet Zimmerer von seinem jüngsten Aufenthalt in Namibia im Frühjahr dieses Jahres.
Nach seiner Rückkehr habe er mit drei Kollegen einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Heiko Maas und die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering, geschrieben, um Sorge um die Zukunfts des Aussöhnungsprozesses auszudrücken und darauf hinzuweisen: "Sie müssen das zur Chefsache machen!"
Nachdem von der Bundesregierung keine Antwort gekommen sei, habe man sich jetzt entschlossen, den Brief öffentlich zu machen. "Wir fordern einen partizipativen und transparenten Prozess. D.h., es muss offengelegt werden, über was man eigentlich verhandelt. Es ist auch eine Sache der Zivilgesellschaft, das zu wissen."
"Dann fordere ich das Dreifache"
Auf die Frage, ob es nicht auch zur Verantwortung der Bundesregierung gehöre, die deutschen Steuerzahler vor riesigen Geldforderungen zu schützen, sagte Zimmerer, es gehe den Herero und Nama nicht primär um Geld. Die Geldforderungen seien vielmehr exponentiell in die Höhe geschnell, seit Deutschland mit der namibischen Regierung verhandele. Sie seien zum Teil Ausdruck des Frustes darüber, nicht gehört zu werden. "Es stehen Summen von 75 Milliarden Euro im Raum", so der Historiker.
"Die kamen so zustande, dass der Verhandlungsleiter oder der Kläger der Herero, Herr Rukoro, gefragt wurde, man hätte gehört, dass Deutschland und Namibia sich auf Summe X – 25 Milliarden, die übrigens niemals bestätigt wurden – geeinigt hätten. Was er dazu sage? Und dann sagte er einfach: Dann fordere ich das Dreifache."
Seit Jahren verhandelt die Bundesregierung mit Namibia über die Aufarbeitung der massenhaften Ermordung von Angehörigen der Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen zwischen 1904 und 1908. Vertreter der Volksgruppen der Herero und Nama, die sich in Namibia durch die dominierende Ethnie der Ovambo marginalisiert fühlen, sind an den Gesprächen nicht beteiligt. Auf Eis gelegt wurden die Verhandlungen, nachdem eine Gruppe Herero und Nama die Bundesrepublik vor einem US-Gericht auf eine Milliardensumme verklagt hatte. Das Gericht wies die Klage im März 2019 zurück, kürzlich kündigten die Kläger an, in Berufung zu gehen.
(uko)