"Nicht der Hauch von Respekt"
Trump kam zu spät, ging früher und zeigte auch in seinen Worten Respektlosigkeit: Der US-Präsident habe die UN-Vollversammlung gedemütigt, sagt der Historiker Leonhard Horowski. Vergleichbar sei Trumps Verhalten mit dem von "Halb-Diktatoren".
Trump habe mit seiner Rede vor den Vereinten Nationen vor allem eines bezweckt: eine Selbstdarstellung, mit der er die Welt, vor allem aber sein amerikanisches Publikum beeindrucken wollte, sagte der Historiker Leonhard Horowski auf Deutschlandfunk Kultur. Würde man Trump fragen, wie Politik funktionieren sollte, käme dabei "wahrscheinlich tatsächlich so etwas wie eine absolute Monarchie seiner Familie" heraus: "Aber es ist doch sehr erkennbar das Verhalten eines Selfmademans, das man da sieht. Und insofern eher vergleichbar mit so Halb-Diktatoren, die auch alles aus ihrer eigenen Person ableiten."
Trump fühlt sich keinen Spielregeln verpflichtet
"Frappierend" fand der Historiker an Trumps Rede, dass da "überhaupt nicht der Hauch von Respekt" gegenüber anderen, gegnerischen Staatsmännern erkennbar gewesen sei, aber auch nicht gegenüber seinen Vorgängern.
Trump habe Obama - ohne ihn beim Namen zu nennen - dafür beschimpft, dass er so unfähig gewesen sei: "Das heißt, er sieht sich nicht als die logische Fortsetzung aller bisherigen Präsidenten." Vielmehr betrachte er sich als "das herausragende Individuum", das in keiner Kontinuität stecke und sich deswegen auch nicht den Spielregeln verpflichtet fühle.
Trump habe ja nicht auf eigenem Terrain, sondern vor einer fremden Institution gesprochen - "und die demütigt er durch dieses Verhalten", so Horowski. Mit seinem Verhalten habe der US-Präsident der UNO zeigen wollen, "dass er im Grunde doch der Herr im Haus ist". (bth)
Im folgenden das Gespräch im Wortlaut:
Ute Welty: Mit großer Spannung ist der Auftritt von Donald Trump vor der UN-Vollversammlung erwartet worden, wegen des Inhalts und wegen der Inszenierung. Politische Beobachter, Kommentatoren und Fernsehzuschauer sind also fast in einer ähnlichen Rolle wie einstmals Höflinge am Hof eines Herrschers: Wir versuchen, Zeichen und Gesten zu deuten, wir versuchen hinter die Fassade zu blicken. Was will Trump von sich zeigen, und was zeigt er tatsächlich? Ob Trumps Inszenierung also so ein bisschen ist wie im 17. oder 18. Jahrhundert, das kann vielleicht am besten der Historiker Leonhard Horowski beurteilen. Er hat in seinem Buch "Das Europa der Könige. Die Regeln der absolutistischen Herrschaft untersucht. Guten Morgen!
Leonhard Horowski: Guten Morgen!
Welty: Herr Horowski, Sie haben sich den Auftritt von Donald Trump vor der UNO angeschaut. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?
Horowski: Es ist natürlich eine sehr bizarre Mischung aus Elementen, die man von anderen modernen Staatsoberhäuptern kennt, und aus Dingen, die da eigentlich gar nicht reinzupassen scheinen. Also Tonfall und bestimmte Ausdrücke, die mit allem, was drumherum steht, schon in seltsamem Widerspruch stehen.
Eine Selbstdarstellung
Welty: War das dann eher patriarchisch oder eher absolutistisch?
Horowski: Das Interessante ist, dass absolute Monarchen diese Vorführung überhaupt nicht verstanden hätten, denn die hielten keine Reden. Was er hier macht, ist ja eine Selbstdarstellung, die im Grunde auch eine Erklärung seiner Motive ist, und die den Zweck hat, zwei verschiedene Sorten Publikum zu beeindrucken, nämlich einmal die Welt insgesamt, und zum anderen – viel wichtiger für ihn – sein internes amerikanisches Publikum. Da hätte aber der absolute Monarch gesagt, meinen Untertanen muss ich nicht erklären, was ich tue, das wäre ja noch schöner. Die haben da ja nichts mitzubestimmen. Deswegen haben frühneuzeitliche absolute Monarchen in der Regel keine Reden gehalten. Sie haben andere Reden lassen, weil ihre Idee war, dass sie viel mächtiger und eindrucksvoller wirken, wenn sie nicht sprechen, und sie dann auch nicht so festgelegt werden können auf Dinge, wenn was schief läuft.
Welty: Glauben Sie, dass Donald Trump sich in diese Zeiten zurücksehnt, wo Reden nicht gehalten werden müssen und ein kräftiges "L'Etat, c'est moi!" auch reicht?
Horowski: Ich fürchte, er würde darunter sehr leiden. Er ist natürlich ein Produkt unserer modernen Zeit und kann sich das im Zweifelsfall gar nicht vorstellen, wie das ja auch nicht unbedingt sehr bekannt ist, dass Macht eindrucksvoller wirkt, wenn sie schweigt und andere für sich reden lässt. Obwohl das eben natürlich auch praktischer ist, weil man diese anderen dann fallen lassen kann, wenn sich herausstellt, dass das, was man versucht hat, nicht geklappt hat.
Ich glaube schon, dass Trump einerseits sehr viel reden will, weil das ja auch sein Erfolgsmodus gewesen ist, und andererseits aber, ohne den leichten Widerspruch zu erkennen, fasziniert ist von den anderen Selbstdarstellungsformen der traditionellen Monarchien, also zum Beispiel eine Militärparade wie in Paris am 14. Juli, wo er nachher sehr beeindruckt war und sich ärgerte, dass man so was in Washington nicht vergleichbar hat, weil eben der französische Präsident die Fortsetzung Ludwig XIV. mit anderen Mitteln ist. Er hat noch diese traditionelle Darstellung.
Parallele zum Absolutismus?
Welty: Wenn die Parallele zum Absolutismus nicht ganz trägt, zu wem möchten Sie denn historische Parallelen ziehen?
Horowski: Die Parallele zum Absolutismus trägt insofern, dass sicher, wenn man Trump machen lassen würde oder ihn fragen würde, wie denn Politik funktionieren sollte, wahrscheinlich tatsächlich so was wie eine absolute Monarchie seiner Familie dabei herauskäme. Aber es ist doch sehr erkennbar das Verhalten eines Selfmade-Mans, das man da sieht, und insofern eher vergleichbar mit so Halbdiktatoren, die auch alle alles aus ihrer eigenen Person ableiten und nichts aus anderen Einheiten. Denn was sehr frappierend war an dieser Rede, war auch, dass da überhaupt nicht der Hauch von Respekt, weder für die anderen, gegnerischen Staatsmänner, von denen er redet, enthalten ist. Ich meine, ich habe auch nicht schrecklich viel Respekt vor Kim Jong Un, aber ich käme nicht so schnell auf die Idee, ihn wie eine Comic-Figur zu beschreiben – "Raketenmann".
Welty: "Raketenmann auf Selbstmördermission".
Horowski: Genau. Oder zu sagen, diese Terroristen sind absolute Looser, oder viele andere Dinge. Da ist nicht nur kein Respekt für die immer ja noch gegnerischen Staatsmänner, sondern da ist ja auch überhaupt kein Respekt für seine Vorgänger. Er hat ja bewusst auch Obama dafür beschimpft, ohne ihn namentlich zu nennen, dass er so unfähig gewesen sei. Das heißt, Trump sieht sich nicht als die logische Fortsetzung aller bisherigen Präsidenten, so wie ein absoluter Monarch natürlich gesagt hätte, alle Könige vor mir sind meine Vorgänger und meine Vorfahren, und alles, was die gemacht haben, ist richtig.
Wie auch ein moderner Präsident, der in der Regel jedenfalls versuchen würde, das so darzustellen. Sondern Trump sieht sich als das herausragende Individuum, das in keiner Kontinuität drin steckt, und fühlt sich deswegen auch nicht verpflichtet, den Spielregeln, denen sich auf die eine Weise sowohl absolute Monarchen als auch moderne normalere Staats- oder Regierungschefs verpflichtet fühlen.
Respektlosigkeit als Machtdemonstration
Welty: Ist das etwas, worüber Donald Trump nachdenkt, oder passiert das einfach so, diese Respektlosigkeit, die Sie auch beschreiben und die sich ja auch ausgedrückt hat darin, dass er A) zu spät gekommen ist und B) dann auch eher gegangen ist.
Horowski: Was natürlich tatsächlich Machtdemonstrationen sind. Insofern, da kann man am ehesten sagen, das hätte früher, im 17. und 18. Jahrhundert auch passieren können. Nur muss man da natürlich bedenken, er ist ja nicht auf seinem eigenen Terrain. Er spricht ja hier nicht – er ist zwar in seinem eigenen Land, aber er spricht vor einer fremden Institution, und die demütigt er durch dieses Verhalten. Wenn er im Weißen Haus eine Rede halten würde, würde das Zuspätkommen und Zu-früh-Weggehen weniger Sinn haben. Hier zeigt er der UNO, dass er im Grunde doch der Herr im Haus ist.
Ansonsten finde ich, zu Ihrer Frage direkt, die Rede zeigt, dass da nicht nur die drei oder vier Redenschreiber untereinander nicht einig waren, sondern dass er selbst dann da auch noch manchmal aus dem Korsett ausbricht. Sicher nicht, weil er sich akut vergleicht mit anderen Verfassungsformen, aber wohl, weil dieses Korsett aus noch so halbwegs klassischen diplomatischen Formeln ihm auf Dauer nicht erträglich ist.
Welty: Leonhard Horowski, und er hat für uns die erste Trump-Rede vor den Vereinten Nationen analysiert. Dafür herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.