Historiker über Verfassungsschutzpräsident

Wie Thomas Haldenwang einen Kurswechsel vollzieht

08:27 Minuten
Zwei ältere Männer in Anzug stehen in einem Raum.
Bundesinnenminister Horst Seehofer und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang präsentieren alarmierende Zahlen. © imago images/photothek/Thomas Imo
Constantin Goschler im Gespräch mit Julius Stucke · 09.07.2020
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Vor fast zwei Jahren hat Thomas Haldenwang den damaligen Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, abgelöst. Während Maaßen sich auf den Islamismus konzentrierte, habe Haldenwang andere Prioritäten gesetzt, sagt der Historiker Constantin Goschler.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (CDU), haben am Donnerstag den Verfassungsschutzbericht 2019 vorgestellt. Demnach stieg die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland auf 32.080. Im Vorjahr waren es noch 24.100. Als gewaltbereit stufte der Verfassungsschutz 13.000 Rechtsextremisten ein. 2018 waren es 300 Personen weniger.
Seit fast zwei Jahren ist Thomas Haldenwang Chef der Verfassungsbehörde. Er löste Hans-Georg Maaßen ab, der sich in seiner Amtszeit vor allem auf den Islamismus konzentrierte.

Hans-Georg Maaßen trat 2012 sein Amt an, als das Bundesamt für Verfassungsschutz "imagemäßig am Boden war", sagt der Historiker Constantin Goschler von der Ruhr-Universität Bochum. Er habe damals viel neu organisiert und wieder eine Struktur geschaffen. Sein Arbeitsschwerpunkt sei aber der Islamismus gewesen. "Das hatte für ihn Priorität, während er den Rechtsradikalismus eher etwas bagatellisiert hat", sagt Constantin Goschler.
Mit dem Wechsel zu Thomas Haldenwang sei schnell spürbar geworden, dass eine neue Prioritätensetzung erfolgt sei. So hätten die Themen Rechtsradikalismus und Antisemitismus eine viel größere Bedeutung bekommen, so Constantin Goschler.
Die Verbindung Antisemitismus und Rechtsradikalismus sei wichtig. "Wenn es um Antisemitismus geht, hat es auch immer eine internationale Dimension. Da geht es auch immer um die Außenwahrnehmung der Bundesrepublik."

Thomas Haldenwang hätte nicht damit rechnen können, dass er so schnell der Nachfolger von Hans-Georg Maaßen werde, sagt Constantin Goschler. Aber dass man den langjährigen Stellvertreter Maaßens zum Chef gewählt habe, deute darauf hin, dass man eine Kontinuität erhalten wollte.
Drei ältere Männer im Anzug stehen nebeneinander.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen (M.) mit dem Historiker Constantin Goschler (l.) 2013.© imago images/photothek/Michael Gottschalk
Man werde im Innenministerium wohl gewusst haben, für welche inhaltliche Ausrichtung Thomas Haldenwang stehe. Constantin Goschler wertet die Veränderung der Führungsspitze als gewollten Kurswechsel.

"Der Präsident hat dort eine große Autorität"

Nach Einschätzung von Constantin Goschler prägt der Präsident des Verfassungsschutzes das Amt, wichtige Ansagen kommen aber auch vom Bundesinnenministerium, dem der Verfassungsschutz unterstellt ist. Hier sei er "weisungsgebunden". Der Verfassungsschutz sei eine Einrichtung, die hierarchisch strukturiert sei, so Constantin Goschler, allerdings habe der Präsident "dort eine große Autorität innerhalb des Hauses und kann den Kurs sehr stark bestimmen".
Am Beispiel von Hans-Georg Maaßen und Thomas Haldenwang konnte man beobachten, dass Führungsspitzen innerhalb nur weniger Jahre wechseln können. Der Mitarbeiterstab solch einer Behörde bleibe jedoch über Jahre ähnlich. Als Präsident der Behörde könne man aber die Ausrichtung dennoch stark beeinflussen, sagt Constantin Goschler. "Auch dadurch, dass man organisatorische Veränderungen vornimmt. Man kann bestimmte Abteilungen größer oder kleiner machen."
Oder Ressourcen könnten in bestimmte Bereiche gelenkt werden und daraus würden sich auch Veränderungen ergeben. "Die Leitung eines Hauses gibt grundsätzlich eine Linie vor."

Hören Sie hier auch einen ausführlichen Beitrag zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes von Gudula Geuther.
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(jde)
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