"Afrikaner verstehen die Debatte nicht"
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Zuviel Emotionen und Betroffenheit, zu wenig Fakten: Historiker Ulrich van der Heyden kritisiert die Debatte um Straßenumbenennungen. Er fragt, wo das enden solle. Schließlich sei auch Adenauer im Vorstand der Deutschen Kolonialgesellschaft gewesen.
Vehement wird derzeit von verschiedenen Seiten die Umbenennung von Straßen gefordert, deren Namen einen unkritischen Bezug zu Rassismus und Kolonialismus haben. So wird verlangt, der Berliner Mohrenstraße einen neuen Namen zu geben.
Für den Berliner Historiker Ulrich van der Heyden geht die Debatte in eine Richtung, die er als Wissenschaftler nicht gutheißen könne. Forderungen würden von Fakten abgehoben, nur noch "Emotionen und Betroffenheiten" spielten eine Rolle, beklagt der Experte für die Kolonialgeschichte Afrikas, der an der Berliner Humboldt-Universität forscht.
Zumal, meint van der Heyden, sich diese Emotionen und Betroffenheiten vielleicht weniger bei denen finden, um die es letztlich geht: "Ich bin seit über 30 Jahren in der Afrikawissenschaft unterwegs, bekomme viele Besuche aus Afrika, zeige den Afrikanern auch die Stadtmitte von Berlin. Wir sind in der Mohrenstraße, wir diskutieren darüber – keiner von denen hat sich bisher in irgendeiner Weise da negativ konnotiert gefühlt. Die Afrikaner verstehen nicht, was hier in Berlin oder überhaupt in Deutschland vor sich geht, wenn man um dieses Wort 'Mohr', um diese Bezeichnung streitet."
Darf der Kurfürstendamm weiter Kurfürstendamm heißen?
Also sollte man die Mohrenstraße einfach weiter Mohrenstraße sein lassen? "Warum nicht?", meint van der Heyden. "Soweit ich weiß, gibt es Befragungen unter den Anwohnern, worunter sich auch Afrikaner befinden, die haben nichts gegen diesen Begriff Mohrenstraße." Denn wer benutze denn heute noch den Begriff "Mohr"? Er frage sich zudem, welche rassistische Überzeugung oder Handlungsweise durch eine Umbenennung der Mohrenstraße geändert werden könnte.
Van der Heyden plädiert grundsätzlich für Vorsicht bei der Umbenennung von Straßen. Zum einen seien Straßennamen Zeugnisse ihrer Zeit, und Geschichte könne man nicht einfach so wegwischen. Zum anderen werde man wohl noch einiges andere finden, wenn man jetzt damit beginne, jedem personenbezogenen Straßennamen "nachzuforsten", sagt der Historiker.
Warum heiße etwa der Kurfürstendamm in Berlin weiterhin Kurfürstendamm, obwohl der Kurfürst doch Profiteur des Sklavenhandels gewesen sei? Oder warum gebe es Konrad-Adenauer-Straßen? "Adenauer war stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Kolonialgesellschaft, also ein richtiger Kolonialist, von 1931 – 1932, glaube ich, hatte er diese Funktion inne", sagt von der Heyden. "Wo aber wollen wir dann aufhören, wenn wir erstmal anfangen, diese Leute so zu untersuchen, dass wir irgendwo eine negative Seite bei ihnen herausfinden."
(uko)