Nicolai Hannig: "Kalkulierte Gefahren. Naturkatastrophen und Vorsorge seit 1800"
Wallstein Verlag 2019
654 Seiten, 39,90 Euro
Was wir von der Spanischen Grippe lernen können
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Eindämmen? Isolieren? Ignorieren? Als 1918 die Spanische Grippe die Welt heimsuchte, diskutierten Politiker ähnliche Strategien wie jetzt in der Coronakrise. Daraus könne man Lehren ziehen, was Erfolg verspricht und was nicht, meint Nicolai Hannig.
Eine noch nie dagewesene Situation: So sehen viele die gegenwärtige Coronakrise. Aus der Perspektive des Historikers stellt sich das etwas anders dar.
Denn im Grunde hätten wir es gerade mit einer ganz typischen modernen Vorsorgesituation zu tun, sagt der Historiker Nicolai Hannig von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der zur Geschichte von Naturkatastrophen und ihrer Bewältigung forscht und im vergangenen Jahr das Buch "Kalkulierte Gefahren. Naturkatastrophen und Vorsorge seit 1800" veröffentlicht hat.
Typisch an der jetzigen Lage ist Hannig zufolge das Vorhandensein einer äußeren Bedrohung, deren Tragweite man nicht genau einschätzen könne. "Wir haben Experten, die Politiker beraten. Wir haben Behörden, die Anweisungen geben. Wir arbeiten sozusagen mit einer gewünschten Zukunft, in der sich eben diese Pandemie nicht so schnell verbreitet. Und wir arbeiten mit einer unerwünschten Zukunft, in der sich diese Pandemie eben mit diesem berühmten Peak verbreitet."
Zwischen Eindämmung und "Weiter so"
Hannig verweist zum Beispiel auf die Spanische Grippe, die von 1918 bis 1920 weltweit zwischen 25 und 45 Millionen Menschenleben kostete. Natürlich sei die Sitaution nicht in allen Punkten vergleichbar, räumt er ein. Denn damals habe es noch kein Penicillin gegeben und die Bevölkerung sei durch die Kriegsjahre geschwächt gewesen. "Aber wir haben tatsächlich ganz ähnliche Strategiediskussionen, aus denen wir durchaus ein paar Lehren ziehen können."
So hätten die betroffenen Städte damals abgewogen zwischen Strategien der Eindämmung und Quarantäne auf der einen Seite und der Ablenkung und Zerstreuung auf der anderen. "Städte wie St. Louis in Amerika, die genau das versucht haben, was wir jetzt versuchen: eben die Kurve zu verflachen", sagt Hannig. Andere Städte wie zum Beispiel Philadelphia hingegen hätten weiter Paraden gefeiert und ähnliches.
"Die Diskussionen sind tatsächlich ähnlich. Und die Erfolge zeigen eigentlich, dass genau die Strategie, wie sie damals in St. Louis gefahren wurde, die erfolgreiche war."
(uko)