Historiker zur Migrationspolitik

"Vom Ziel der Integration wird abgerückt"

Zuwanderer aus verschiedenen Ländern nehmen am 18.09.2014 in Berlin an einem "Integrationskurs Deutsch" im Sprach- und Integrationszentrum in der Braunschweiger Straße in Neukölln teil.
Sprachkurs für Migranten © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Philipp Ther im Gespräch mit Ute Welty |
In Österreich wie in Deutschland fehle es derzeit am politischen Willen, Flüchtlinge und Migranten in die Gesellschaften zu integrieren, sagt der Wiener Historiker Philipp Ther. Damit verlagere man das Problem aber lediglich in die Zukunft.
Wie geht es weiter in der deutschen Asyl- und Migrationspolitik? Eine von Bundesinnenminister Horst Seehofer für heute angekündigte Pressekonferenz zur Vorstellung seines "Masterplan Migration" wurde abgesagt – offenbar wegen Meinungsverschiedenheiten mit Kanzlerin Merkel.
In Deutschland wie in Österreich werde derzeit vom Ziel der Integration abgerückt, kommentiert der Wiener Historiker Philipp Ther im Deutschlandfunk Kultur die aktuelle Entwicklung. Dies sei mit Blick auf die Genfer Flüchtlingskonvention "so eigentlich nicht haltbar", zudem werde vergessen, dass Integrationsmaßnahmen – etwa der Lastenausgleich aus dem Jahr 1952 – durchaus sehr positive Effekte hatten.

Aktuelle Politik setzt auf Desintegration

Auch nach der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015 seien viele Fortschritte gemacht worden, ein Viertel der Eingewanderten würde arbeiten - dies aber vor allem dank zivilgesellschaftlicher Initiativen oder der Unterstützung durch Firmen und Stiftungen, "die eben wirklich etwas tun", sagt Ther.
Wenn man aber wie die aktuelle Politik - offen oder stillschweigend - auf Desintegration setze, erklärt Ther, dann bestehe das Risiko, dass sich Probleme lediglich in die Zukunft verlagerten und spätestens bei der nächsten Generation deutlich würden. Denn auch wenn die "Rückführungen" das Doppelte erhöht würden, dann seien eben trotzdem sehr viele Menschen schon da.

Bildungsprogramme und Unternehmensgründungen

Ther warnt davor, die Fehler, die bei den so genannten Gastarbeitern gemacht wurden - keine Sprachkurse, keine beruflichen Fortbildungen, keine Wertekurse – zu wiederholen. Investitionen in Bildungsprogramme und Unternehmensgründungen zahlten sich auch für die Aufnahmegesellschaften aus.
Zudem mahnt Ther ein Einwanderungsgesetz an und einen "größeren Rahmen", um Flüchtlings- und Integrationspolitik gezielt zu steuern und sich auf künftige Krisen vorzubereiten.
(huc)
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