"Mich interessiert, wo ich strukturelle Muster erkenne“
Wenn ihr eine historische Figur oder Entwicklung befremdlich erscheint, erwacht das wissenschaftliche Interesse von Barbara Stollberg-Rilinger. Ihre Biografie von Maria Theresia wurde mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet, derzeit steht sie dem Wissenschaftskolleg in Berlin vor.
"Lange Zeit hat das Geschlecht in der Geschichte keine Rolle gespielt", sagt Barbara Stollberg-Rilinger. "Sie war die Geschichte großer Männer, mit einigen Ausnahmen bedeutender Frauen, wie Maria Theresia. Es geht aber nicht nur darum, die Taten einiger großer Frauen zu beschreiben, sondern zu rekonstruieren, warum Frauen eine weniger große Rolle gespielt haben. Man muss Geschlecht grundsätzlich als Kategorie in den Blick nehmen."
Ihre wissenschaftliche Karriere sei ein Produkt des Zufalls, meint Barbara Stollberg-Rilinger. Die Frühneuzeit-Historikerin hatte nie den Plan, Professorin zu werden:
"Es hing auch damit zusammen, dass durch die deutsche Wiedervereinigung viele Stellen ausgeschrieben wurden."
Ausgezeichnete Forschung über Maria Theresia
Seit wenigen Wochen steht sie nun dem Wissenschaftskolleg zu Berlin vor, einer Einrichtung, an der Wissenschaftler und Künstler aus der ganzen Welt ein Jahr lang von ihren üblichen Verpflichtungen befreit forschen, disputieren und schreiben können.
"Man erweitert seinen Horizont, wenn man sich in die Personen einfühlt, die einem fremd erscheinen und lernt, dass nicht alles, was heute selbstverständlich scheint, es zu allen Zeiten war."
Barbara Stollberg-Rilinger war selbst einmal Fellow des Wissenschaftskollegs und hat in dieser Zeit ihr biografischen Forschungen zu Kaiserin Maria Theresia vorangetrieben.
"Maria Theresia ist mir im Laufe des Schreibens immer unsympathischer geworden. Es gibt einige sehr dunkle Flecken auf ihrer Biografie. So war sie eine fanatische Judenfeindin und hat massiv Protestanten verfolgt in ihrem Reich."
Als ihre 1000 Seiten umfassende Biografie der Maria Theresia im Jahr 2017 erschien, wurde sie umgehend mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis der Leipziger Buchmesse für das beste Sachbuch.
Geschichtsunterricht fand Stollberg-Rilinger immer langweilig
In Bergisch Gladbach geboren wurde der heute 63-jährigen Historikerin ihre glänzende wissenschaftliche Laufbahn nicht in die Wiege gelegt: Gezeichnet von Kriegserfahrungen hegten ihre Eltern für ihre älteste Tochter keine akademischen Ambitionen. Der Geschichtsunterricht in der Schule hatte sie immer nur gelangweilt:
"Man musste immer nur lernen, was in der Vergangenheit geschah. Mich interessiert, wo ich strukturelle Muster erkenne."