"Der Antiziganismus ist salonfähig"
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Der Internationale Tag der Roma soll unter anderem an die Verfolgung der Sinti und Roma erinnern. Diese geraten in einem zerfallenden Europa mit Brexit und Rechtspopulisten stark unter Druck, warnt die Historikerin Jana Mechelhoff-Herezi.
Die Diskriminierung der Sinti und Roma ist alltäglich - auch in besser situierten und gebildeten Kreisen. Dieses bittere Fazit zieht die Historikerin Jana Mechelhoff-Herezi, bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas für die Erinnerung an Sinti und Roma zuständig anlässlich des Roma Days am heutigen Montag.
Im Deutschlandfunk Kultur sagte Mechelhoff-Herezi, die Verurteilung des Antisemitismus sei in der Mitte der Gesellschaft gang und gäbe, man sei dort mit den Opfern solidarisch und der Meinung, das Antisemitismus mit allen Mitteln bekämpft werden muss.
Ständige Aktualisierung und Verkündung von Vorurteilen
"Beim Antiziganismus sehe ich das an ganz wenigen Stellen. Antiziganismus ist salonfähig. Man muss sich nicht schämen, wenn man sagt, dass man gegen Roma-Bettler vorgehen sollte", betonte die Historikerin. Auch wenn man gar nicht wissen könne, ob der Bettler überhaupt zu den Sinti und Roma gehöre. Die ständige Aktualisierung und Verkündung von Vorurteilen finde nicht nur am Stammtisch statt, "sondern auch da, wo man eigentlich mehr Reflexion vermutet".
Kaum Kritik nach Pogromen in der Ukraine
In einem zerfallenden Europa mit Rechtspopulisten in vielen Ländern gerieten die Sinti und Roma stark unter Druck, warnte Mechelhoff-Herezi. Sie erinnerte an eine Serie von Gewaltexzessen gegen die Volksgruppen in Ungarn mit mehreren Toten, in der Ukraine habe es im vergangenen Jahr elf pogromartige Übergriffe gegeben:
"Die Ukraine klopft an die Tür der Europäischen Union. Aber gerade in solchen Fällen kommt dann aus den Kern-Staaten wenig Mahnung an die Regierungen solcher Länder", beklagte die Historikerin.
(ahe)