Manfred Reinelt, Klavier
Manfred Reinelt – Universalist am Klavier
Schon in jungen Jahren fiel er als musikalische Extrembegabung auf. Kaum erwachsen, eroberte Manfred Reinelt mit dem Klavier ein Terrain, das nicht nur für die frühe DDR ungewöhnlich war. Mit 32 Jahren setzte er seinem Leben ein Ende.
Was er tat, das tat er gründlich – bis zum letzten Atemzug. Bevor der Leipziger Pianist Manfred Reinelt im Alter von 32 Jahren freiwillig aus dem Leben schied, vernichtete er sämtliche persönliche Dokumente, darunter fast alle von ihm existierenden Fotografien.
Was vom Furor der Selbstzerstörung glücklicherweise verschont blieb, sind mehrere Dutzend Rundfunkaufnahmen, die Reinelt seit 1950 – überwiegend im Leipziger Funkhaus – eingespielt hatte.
Zwischen Gulda und Gould
Diese Aufnahmen belegen, dass Reinelt in Sachen Musikalität, Spieltechnik und Repertoire einer der größten Pianisten seiner Generation war. Einer Generation, der auch der gleichaltrige Glenn Gould sowie die etwas älteren Friedrich Gulda und Alfred Brendel angehören.
Während aus den genannten Zeitgenossen weltberühmte und auf dem Plattenmarkt bestens vertretene Pianisten wurden, sind viele von Reinelts Tondokumenten nie veröffentlicht und in einzelnen Fällen vielleicht sogar noch nie gesendet worden.
Stockhausen als Zugabe
In seinem Leipziger Umfeld ist Reinelt in erster Linie als Interpret der Klassischen Moderne und der zeitgenössischen Musik wahrgenommen worden. Er war der zweite Pianist überhaupt, der sich an eine Einspielung der monumentalen "Concord Sonata" von Charles Ives heranwagte. Seine klar strukturierten und zugleich expressionistisch glühenden Deutungen der Klaviermusik der Wiener Schule können als ebenso exemplarisch gelten wie seine hochsensiblen Lesarten der frühen Préludes von Olivier Messiaen.
In seinen Konzerten wurden die Zugaben zum eigentlichen Ereignis, wenn Reinelt – unangekündigt, unzensiert und druckfrisch – neueste Klaviermusik "aus dem Westen" zu Gehör brachte, so etwa die Klavierstücke von Karlheinz Stockhausen.
Reinelts Beethoven-Spiel
Dass sich Reinelt mit gleichem Feuereifer für ältere, vorklassische und exotische Musik einsetzte, belegen die heute im Deutschen Rundfunkarchiv Babelsberg aufbewahrten Aufnahmen allerdings auch. Dort begegnet er uns als Begleiter von Liedern Mahlers und Schuberts und als Interpret der späten Bagatellen Beethovens – klar und trocken auf der einen, leidenschaftlich und musikantisch auf der anderen Seite.
Absehbares Scheitern
Eine künstlerische und auch in anderen Gebieten überaus gebildete Ausnahmeerscheinung, die in und an ihrem Umfeld fast zwangsläufig scheitern musste: Nach der relativen Freiheit, die Reinelt im DDR-Rundfunk der 1950er-Jahre genossen hatte, wurde er in den Jahren des Mauerbaus als Dozent der Leipziger Musikhochschule mehr und mehr gegängelt, bis man ihm in einem brutalen Brief den Abgang "als einen Vorschlag" nahelegte. Reinelt machte daraus einen Abschied für immer.
Zu Gast in der Sendung ist der Pianist und Komponist Steffen Schleiermacher, der in das Gespräch auch die persönlichen Erinnerungen seines Lehrers, des Komponisten Siegfried Thiele, an Manfred Reinelt einbringt.
Werke von
Alban Berg, Gustav Mahler, Franz Schubert, Ludwig van Beethoven, Olivier Messiaen, Igor Strawinsky, Arnold Schönberg, Charles Ives, Erik Satie und Darius Milhaud
Alban Berg, Gustav Mahler, Franz Schubert, Ludwig van Beethoven, Olivier Messiaen, Igor Strawinsky, Arnold Schönberg, Charles Ives, Erik Satie und Darius Milhaud