Historische Familiensaga aus Griechenland
Das Buch erzählt von der Geschichte Kretas als Kolonie Venedigs bis zur Besetzung der Insel im 2. Weltkrieg durch die Deutschen und darüber hinaus bis heute. Aber "Insel der Vergessenen" ist auch ein Schicksalsroman à la "Dr. Schiwago". Doch das Buch ist nie kitschig, es sei denn, das Leben selbst ist manchmal kitschig, und dann muss es auch der Roman sein dürfen.
Großbritannien überrascht immer wieder mit neuen Mega-Bestseller-Autorinnen, die oft aus dem literarischen Nichts kommen: Die Sozialhilfe-Empfängerin Joanne Rowling wurde mit Harry Potter Milliardärin, die Altenpflegerin Martina Cole verkaufte in 15 Jahren vier Millionen Kriminalromane. Und 2005 scheint ein neuer Stern am englischen Bestseller-Himmel aufgegangen zu sein. Zehn Wochen lang stand der Debüt-Roman "The Island" von Victoria Hislop auf Platz 1 und ging 600.000 Mal über den Ladentisch. Nun ist das Buch auch auf Deutsch erschienen, "Insel der Vergessenen" heißt es.
Bei jener "Insel der Vergessenen" handelt es sich um eine reale griechische Insel an der Nordküste Kretas. Diese Insel heißt heute "Kaledonia", bis 1954 hieß sie "Spinalonga", bis 1957 war sie ein Quarantäne-Ghetto für Lepra-Kranke, also jene im Titel gemeinten "Vergessenen"; dann wurde Lepra heilbar und das Ghetto aufgelöst.
Das Buch ist ein historischer Roman von der Geschichte Kretas als Kolonie Venedigs bis zur Besetzung der Insel im 2. Weltkrieg durch die Deutschen und darüber hinaus bis heute. Aber "Insel der Vergessenen" ist auch eine große Familiensaga, ein Schicksalsroman à la "Dr. Schiwago". Doch das Buch ist nie kitschig, es sei denn, das Leben selbst ist manchmal kitschig, und dann muss es auch der Roman sein dürfen.
Ein Großteil des Romans spielt in dieser Lepra-Kolonie, der andere Teil schildert das Leben in dem gegenüberliegenden Dörfchen Plaka, denn drei der Leprakranken auf der Insel stammen von dort. Der Roman beginnt im Jahr 2001; Alexis Fielding, eine junge Archäologin aus London, macht sich auf die Suche nach den griechischen Wurzeln ihrer Mutter, reist nach Kreta, um dort zu erfahren, dass ihre Tante Maria eine der Lepra-Kranken war. Soweit zur Rahmenhandlung, dann aber wird die eigentliche historische Story durcherzählt von 1939 bis heute.
"Insel der Vergessenen" ist ein historischer Roman von der Geschichte Kretas als Kolonie Venedigs bis zur Besetzung der Insel im 2. Weltkrieg durch die Deutschen und darüber hinaus bis heute, und es ist ein Roman der Geschichte der Lepra-Krankheit im Allgemeinen.
Im Wesentlichen ist "Insel der Vergessenen" eine große Familiensaga, ein Schicksalsroman à la "Dr. Schiwago": Auf der einen Seite erlebt der Leser Liebe, Glück, Hochzeiten, Kindstaufen, Hass, Eifersucht, Mord, bei den Lepra-Kranken auf der Insel auch Elend und deren täglichen Kampf um Würde, um ein normales Leben in der Isolation. Die Gegenüberstellung zweier Lebensformen macht den Roman zu einer gesellschaftspolitischen Studie. Das Buch ist nie kitschig, es sei denn, das Leben selbst ist manchmal kitschig, und dann muss es auch der Roman sein dürfen.
Es gibt das sehr erfolgreiche Genre literarischer Historien- und Beziehungsepen, die durchaus sehr anspruchsvoll und lesenswert sind, ein gutes Beispiel dafür in Deutschland ist Charlotte Link, die einhellig als Autorin mit englischem Stil bezeichnet wird. Und um einen Roman dieses Genres als gelungen zu bezeichnen, bedarf es eben dieser typisch britischen Distanz.
Victoria Hislop begeistert mit straffer und disziplinierter Handlungsführung. Trotzdem setzt sie sprachliche Highlights, mit ein paar Pinselstrichen erschafft sie archaische Bilder: ein Mann, der einen Hügel herabkommt, sein Esel beladen mit den ersten Orangen des Jahres, dazu das Klacken der Elfenbeinsteine auf dem Back-Gammon-Brett und der Duft starken Kaffees - lakonisch fast.
"Insel der Vergessenen" ist ein Musterbeispiel für einen historisch-psychologischen Spannungsromans; ein britischer Kritiker nannte das Buch "a beach novel", also "Strandlektüre". Das ist Unterhaltungsliteratur auf sehr hohem Niveau, und mindestens ein Muss für den nächsten Griechenland-Urlaub.
Rezensiert von Lutz Bunk
Victoria Hislop: Insel der Vergessenen
Übersetzt von Angelika Felenda
Diana Verlag, München 2007
432 Seiten. 8,95 Euro
Bei jener "Insel der Vergessenen" handelt es sich um eine reale griechische Insel an der Nordküste Kretas. Diese Insel heißt heute "Kaledonia", bis 1954 hieß sie "Spinalonga", bis 1957 war sie ein Quarantäne-Ghetto für Lepra-Kranke, also jene im Titel gemeinten "Vergessenen"; dann wurde Lepra heilbar und das Ghetto aufgelöst.
Das Buch ist ein historischer Roman von der Geschichte Kretas als Kolonie Venedigs bis zur Besetzung der Insel im 2. Weltkrieg durch die Deutschen und darüber hinaus bis heute. Aber "Insel der Vergessenen" ist auch eine große Familiensaga, ein Schicksalsroman à la "Dr. Schiwago". Doch das Buch ist nie kitschig, es sei denn, das Leben selbst ist manchmal kitschig, und dann muss es auch der Roman sein dürfen.
Ein Großteil des Romans spielt in dieser Lepra-Kolonie, der andere Teil schildert das Leben in dem gegenüberliegenden Dörfchen Plaka, denn drei der Leprakranken auf der Insel stammen von dort. Der Roman beginnt im Jahr 2001; Alexis Fielding, eine junge Archäologin aus London, macht sich auf die Suche nach den griechischen Wurzeln ihrer Mutter, reist nach Kreta, um dort zu erfahren, dass ihre Tante Maria eine der Lepra-Kranken war. Soweit zur Rahmenhandlung, dann aber wird die eigentliche historische Story durcherzählt von 1939 bis heute.
"Insel der Vergessenen" ist ein historischer Roman von der Geschichte Kretas als Kolonie Venedigs bis zur Besetzung der Insel im 2. Weltkrieg durch die Deutschen und darüber hinaus bis heute, und es ist ein Roman der Geschichte der Lepra-Krankheit im Allgemeinen.
Im Wesentlichen ist "Insel der Vergessenen" eine große Familiensaga, ein Schicksalsroman à la "Dr. Schiwago": Auf der einen Seite erlebt der Leser Liebe, Glück, Hochzeiten, Kindstaufen, Hass, Eifersucht, Mord, bei den Lepra-Kranken auf der Insel auch Elend und deren täglichen Kampf um Würde, um ein normales Leben in der Isolation. Die Gegenüberstellung zweier Lebensformen macht den Roman zu einer gesellschaftspolitischen Studie. Das Buch ist nie kitschig, es sei denn, das Leben selbst ist manchmal kitschig, und dann muss es auch der Roman sein dürfen.
Es gibt das sehr erfolgreiche Genre literarischer Historien- und Beziehungsepen, die durchaus sehr anspruchsvoll und lesenswert sind, ein gutes Beispiel dafür in Deutschland ist Charlotte Link, die einhellig als Autorin mit englischem Stil bezeichnet wird. Und um einen Roman dieses Genres als gelungen zu bezeichnen, bedarf es eben dieser typisch britischen Distanz.
Victoria Hislop begeistert mit straffer und disziplinierter Handlungsführung. Trotzdem setzt sie sprachliche Highlights, mit ein paar Pinselstrichen erschafft sie archaische Bilder: ein Mann, der einen Hügel herabkommt, sein Esel beladen mit den ersten Orangen des Jahres, dazu das Klacken der Elfenbeinsteine auf dem Back-Gammon-Brett und der Duft starken Kaffees - lakonisch fast.
"Insel der Vergessenen" ist ein Musterbeispiel für einen historisch-psychologischen Spannungsromans; ein britischer Kritiker nannte das Buch "a beach novel", also "Strandlektüre". Das ist Unterhaltungsliteratur auf sehr hohem Niveau, und mindestens ein Muss für den nächsten Griechenland-Urlaub.
Rezensiert von Lutz Bunk
Victoria Hislop: Insel der Vergessenen
Übersetzt von Angelika Felenda
Diana Verlag, München 2007
432 Seiten. 8,95 Euro