Es spricht: Joachim Schönfeld
Regie: Clarisse Cossais
Ton: Jan Fraune
Redaktion: Constanze Lehmann
Hitzeschaden am Landschaftsbild
30:17 Minuten
Totholz, Blühstress, Schädlingsbefall, Notfällungen – alarmierende Zeichen dafür, wie Wetterextreme historischen Gärten und Parks zu schaffen machen. Dringend gesucht werden Überlebensstrategien, angepasste Pflanzen und zukunftsfähige Ersatzkandidaten.
"Es ist der erhabenste Anblick, den unsere norddeutsche Ebene gewähren kann, wenn auf eine ausgedehnte Wiesenfläche, rings von Bäumen gefasst, mit wenigen Gruppen unserer Waldhölzer bestellt, im Abendlicht breite Schlagschatten wechselnd mit ebenso breiten Streiflichtern, fallen und man das Ganze von einem nur wenig erhöhten Standpunkt überblicken kann. Ich hatte das Glück ein solches Spiel von Licht und Schatten auf saftiger Wiesenbahn mehrmals im Auegarten in Cassel zu treffen, ich konnte mich nicht trennen von dem wunderschönen Bilde, so lange die untergehende Sonne es malte."
Wilhelm Benque, "Bürgerparksbetrachtungen", 1866.
Wenn Michael Rohde - mehr als 150 Jahre später - in Potsdam aus dem Fenster blickt, dann hat der Gärtner und Professor auch ein Stück Parkgeschichte vor Augen.
"Der Blick geht auf die Weinterrassen und auf die Friedenskirche. Hier ist eigentlich der Ort das Entscheidende, dass man eigentlich mitten im Park Sanssouci sitzt."
Als Gartendirektor. Der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Zuständig für Sanssouci und 14 weitere Gärten und Parks. Seit 16 Jahren versucht Rohde das UNESCO-Weltkulturerbe zu erhalten. Rund 800 Hektar Gartengeschichte. Kein einfaches Erbe. Nach drei Dürrejahren und einigen schweren Stürmen.
Selbstamputation im Überlebenskampf
"Der Schaden ist schon da. Und wir stellen fest, dass mehr Bäume aufgaben, als wir dachten. Also einfach nicht mehr austreiben, zu viel Totäste abgeworfen haben. Wir mussten allerdings große Bereiche in Babelsberg und auch in Sanssouci komplett sperren, über Wochen."
Alte Bäume werfen ihre Äste ab. Eine Selbstamputation im Überlebenskampf. Der sogenannte Totholzanfall hat sich im letzten Jahr verdoppelt, sagt der Gartendirektor. Pro Hektar ein toter Baum und ein schwer geschädigter. Tendenz weiter steigend. Das ist zurzeit Rohdes Faustformel. Die Klimaänderungen der Gegenwart treffen auf die Gehölze der Vergangenheit. Und die haben den Änderungen immer weniger entgegenzusetzen. Michael Rohde greift zu Jacke und Pfeife, bittet zum Rundgang.
"Wir müssen einfach durch den Park gehen und dann werden wir mit einem Mal sehen, welche Bäume sich da schwertun."
Klimastress reißt Lücken in die Alleen
Dutzende Touristen schlendern über die Allee. Vom Grünen Gitter Richtung Schloss. Der Gartendirektor macht zehn Schritte nach rechts, im Spalier der Kastanien klafft unübersehbar eine Lücke. Zwei Bäume fehlen. Sie haben den Klimastress im letzten Jahr nicht überlebt.
"Das ist sehr bedauerlich, wenn man Bäume aus der Allee entnimmt, ist es sehr schwer zu entscheiden, pflanze ich sie nach, wir werden es tun, aber das einheitliche Bild der Allee wackelt da ein bisschen. Und wir müssen sehen, dass die Wirkung da ist."
Es wird Jahre dauern, bis die Lücke in der Allee geschlossen ist. Fraglich auch, ob die anderen Kastanien überleben. Rohde geht weiter. Richtung Weinterrassen.
Nachpflanzen ist im historischen Park wie nachzeichnen, sagt er. Das Landschaftsgemälde an Schadstellen möglichst originalgetreu restaurieren. Die Gartengeschichte lebendig halten.
Das Landschaftsbild verblasst
"Die Gärten verändern sich natürlich auch, wie die Natur sich ständig anpassen muss. Aber manche Bäume sind in der Tat 300 Jahre alt und älter, die hier im Park noch sind. Die haben schon viel erlebt, zu Friedrichs Zeiten war es mal ein bisschen kühler, ne kleinere Eiszeit gewesen, es gab auch trockene Jahre, mein Vorvorgänger hatte mal notiert, es war ein 'afrikanischer Sommer' beispielsweise in den 70er-Jahren, es gab auch mal einen Mordssturm. Aber wir haben jetzt einfach die Extreme."
Rohde bleibt stehen. Deutet nach links. Auf eine Baumgruppe. Gartenkunst nach Plan. Nichts ist im Park dem Zufall überlassen, Bäume öffnen und versperren Sichtachsen, setzen Farbakzente. Die aber werden immer schwächer:
"Was Sie hier sehen, ist, dass die Baumkronen lichter werden. Das sehen Sie an der Belaubung, Sie sehen es auch an den Großästen, die sich verzweigen. Sehen Sie da oben die Lücken, das betrifft die Rotbuchen, das betrifft auch die Eichen, das heißt sie sind nicht mehr voll, die werfen Äste ab."
"Was Sie hier sehen, ist, dass die Baumkronen lichter werden. Das sehen Sie an der Belaubung, Sie sehen es auch an den Großästen, die sich verzweigen. Sehen Sie da oben die Lücken, das betrifft die Rotbuchen, das betrifft auch die Eichen, das heißt sie sind nicht mehr voll, die werfen Äste ab."
Das Landschaftsbild verblasst. Zeigt stellenweise Risse. Zu viel Hitze. Zu wenig Wasser. Sinkender Grundwasserspiegel. Steigender Schädlingsbefall.
"Gucken Sie mal, die Platane ist der zweite Austrieb, Sie sehen noch den ersten, da hängen die vertrockneten Blätter dran, die tun sich wahnsinnig schwer. Wenn Sie sich die Linde da angucken, beispielsweise, wie sagte nochmal Wilhelm Busch ‚Jeder legt schnell nochmal ein Ei und dann holt ihn der Tod herbei‘, voller Blüte, wirft Äste ab, total licht."
"Verheerende Schäden in den historischen Gärten zeichnen sich ab", warnt der Verein Schlösser und Gärten Deutschland. Und listet Hiobsbotschaften auf:
- Schloss Benrath, Düsseldorf: 67 gefällte Bäume im Frühjahr 2020. Mehr als 40 auf der Fäll-Liste.
- Herrenhäuser Gärten in Niedersachsen: 30 Prozent mehr Totholz. Die Regenwasserzisternen für die Pflanzensammlungen waren bereits im April leer.
- Der Park Branitz in Brandenburg: Notbewässerung seit dem Frühjahr. Im April fielen dort lediglich drei Prozent der sonst normalen Regenmenge...
In den Gärten der Welt nach Alternativen suchen
In den "Gärten der Welt" deutet Beate Reuber auf eine große Karte. Erst auf Australien, dann auf Thailand, auf Großbritannien, auf China.
Gartenkultur international. Mehr als eine halbe Millionen Besucher kommen dafür jedes Jahr in den Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Bestaunen die Gartentraditionen aus fünf Kontinenten. Auf knapp 45 Hektar. Und werfen einen Blick in die Zukunft.
"Denn wir haben zum Beispiel in den einzelnen Gartenanlagen Gehölze, die bei uns jetzt empfohlen werden als Klimabaum, und die möchte ich Ihnen mal zeigen."
"Denn wir haben zum Beispiel in den einzelnen Gartenanlagen Gehölze, die bei uns jetzt empfohlen werden als Klimabaum, und die möchte ich Ihnen mal zeigen."
Beate Reuber ist Gärtnerin und Landschaftsarchitektin. Sie hat die Gärten der Welt von Anfang an mit aufgebaut. Heute ist Reuber "Gartenbotschafterin". Und lädt zur Rundtour.
"Das ist ein Golfcart, das ist auch etwas, was viel mit einem Umdenkungsprozess zu tun hat auch innerhalb der Gärten der Welt, unsere Pflegefirmen arbeiten jetzt zum großen Teil mit akkubetriebenen Geräten, damit die Lautstärke reduziert ist und das Klima weniger belastet wird."
Klimaschutz im Kleinen. Für die Gärten der Welt. Reuber drückt aufs Pedal. Rollt abgasfrei Richtung Australien.
"Was erstaunlich ist, in diesem Garten Australiens, dort gibt es ja Eukalyptus und der wächst, auch bei uns, der wächst als Sämling und das, was fast aussieht wie eine Weide, das ist ein Eukalyptus. Und der ist relativ groß und sehr wüchsig."
Knapp 370 Kilometer westlich, in Bremen, greift Tim Großmann zum Regenschirm, blickt kurz in den Himmel über dem Bremer Bürgerpark.
"Wir lauern natürlich alle auf Regen, weil Bremen hat hier ja die letzten Tage kaum was abgekriegt. Samstag sollte ja großes Gewitter, Unwetter, ja war nix, drei Tropfen."
Wieder mal zu wenig. Für die Pflanzen. In seinem Park. Seit acht Jahren ist Großmann hier Direktor. Dafür ist der Landschaftsarchitekt vom Rhein an die Weser gewechselt. Bürgerpark-Direktor, das ist ein deutschlandweit einmaliger Job. Pflanzen und Finanzen, Park und Öffentlichkeit – das ist in der Hansestadt aufs Engste verwoben.
"Wir sind so gesehen die größte komplett finanzierte Parkanlage mindestens in Deutschland, wenn nicht sogar europaweit. Mit mehr als 200 Hektar und werden seit unserer Gründung ausschließlich durch private Zuwendungen finanziert."
"Wir sind so gesehen die größte komplett finanzierte Parkanlage mindestens in Deutschland, wenn nicht sogar europaweit. Mit mehr als 200 Hektar und werden seit unserer Gründung ausschließlich durch private Zuwendungen finanziert."
Corona und der Run auf den Bremer Bürgerpark
Historisch betrachtet ist der Park eine bürgerlich-revolutionäre Gartenanlage.
Hier ließen nicht Könige oder Fürsten einen Landschaftsgarten anlegen, sondern Bremer Kaufleute und Bürger. Bürgersinn und Gartenkunst vereinigten sich vor mehr als 150 Jahren. Das Motto steht noch heute auf einem Stein graviert: "Für Herr und Gesind', Mann, Weib und Kind. Zu Nutz und Freud' für alle Zeit". Grün für die gesamte Gesellschaft – das war die Idee.
Doch in Corona-Zeiten stieß selbst der große Bürgerpark an seine Grenzen, erzählt Tim Großmann. "An einem Mittwochvormittag oder Donnerstagvormittag, wo man normalerweise gesagt hat, alle sind bei der Arbeit oder so, sie konnten hier vor Menschen nicht treten. Es war unglaublich, das war der Hammer, das war echt der Hammer."
Die Corona-Pandemie sorgte für einen regelrechten Run ins Grüne. 80 Prozent mehr Besucher als zuvor kamen in den Bürgerpark, ergab eine Auswertung der Bewegungsdaten.
Besucher-Ansturm und Klimastress – beides zusammen hat deutliche Spuren hinterlassen. Bei den am Wegesrand kümmernden Bodendeckern, die sonst mit ihrem dichten, handhohen Grün sogar weggeworfene Flaschen verdecken, machen sich nun Lücken schmerzlich bemerkbar.
"Bestimmte Bodendecker, die es seit Jahrzehnten gegeben hat, die man schön pflanzen konnte, die nehmen im Herbst das Laub auf, es sieht immer schön ordentlich aus, die sterben uns auf einmal weg. Oder sie müssen permanent bewässert werden, was am Ende des Tages natürlich immer Geld kostet, das sind so Sachen, wo eins zum anderen..., was einen unheimlich beschäftigt. Es kommt aus jeder Ecke. Und man weiß nicht, was kommt als nächste Überraschung auf einen zu."
Seit zwei Jahren geht das so. Mit den Überraschungen. Die selten Anlass zur Freude bieten.
Ungewohnte Senken und Risse
Der Landschaftsarchitekt bleibt stehen. Lässt den Blick über eine große Wiese schweifen. Mächtige Buchen stehen am Rand. Auf den Wiesen zeichnen sich dunkle Flecken ab.
"Das sind Bereiche, die sich abgesenkt haben, was auf der Wiese unproblematisch ist, aber, wenn wir so Bereiche haben, die sich teilweise so um 15 bis 20 Zentimeter abgesenkt haben, kann sich jeder vorstellen, unter einem Bauwerk ist das dann schon eine Menge."
Der Untergrund im Bürgerpark ist von zahllosen Torfschichten durchzogen. Ein natürlicher, geologischer Wasserspeicher. Doch nach den ausgedehnten Trockenperioden zieht er sich zusammen. Und bringt die Oberfläche in Bewegung.
"Wir hatten im ersten Jahr, 2018, an einer Brücke konnten wir im August im Wochentakt zugucken, wie dort Fugen aufgerissen sind, dass sie hinterher die Finger reinstecken konnten."
Ein Park in Bewegung. Im Untergrund. Und an der Oberfläche. Wo zurzeit kaum noch etwas ist, wie es einmal war.
Natur und Mode
"Der hat geplant, wie man das so machte und auch heute noch macht."
Sylvia Butenschön folgt berufsbedingt den Spuren der Garten- und Landschaftsarchitekten. Über den Bremer Bürgerpark hat sie geforscht; nun spaziert sie durch den Berliner Tiergarten. Auf den Spuren von Peter Joseph Lenné. Für die Wissenschaftlerin ein Forschungsausflug in der Mittagspause. Die Landschaftsarchitektin unterrichtet gleich um die Ecke an der TU Berlin Gartenkulturgeschichte und Gartendenkmalpflege.
"Er hat seine Planung vorgenommen, nach den Modevorstellungen oder nach den Gestaltungsvorstellungen seiner Zeit und von ihm ganz speziell. Und hat in diese Gehölzbestände beispielsweise auch große Wiesenflächen hineingelegt und da war ihm schon klar, dass das nicht die natürliche Vegetation ist an diesem Ort, sondern dass man das intensiv vorbereiten und pflegen muss, um es als Wiesen installieren zu können und erhalten zu können."
Landschaftsarchitektur: Mit der Natur Neues schaffen. Um es dann kontrolliert zu erhalten. Moor-Erde herankarren. Um Wiesenflächen auch auf Sandboden wachsen zu lassen. Ein neues Bild zu erzeugen. Was auf natürlichem Weg hier nie entstanden wäre. Die Rasenflächen haben im Tiergarten die Zeit überdauert. Anders als die meisten Bäume. Das Gros der Gehölze, die heute hier Schatten spenden, ist jünger als 80 Jahre.
"Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs oder Ende der 40er-Jahre waren noch wenige hundert Einzelbäume erhalten und wenn man die zeitgenössischen Fotos sieht, sieht man, dass das quasi eine ja große innerstädtische Brache war, die dann in den Anfangszeiten für den Kartoffelanbau genutzt wurde und dergleichen. Also, da sah das gänzlich anders aus, als wir das heute jetzt erleben."
Rückbesinnung auf nachhaltiges Parkmanagement
Vom Kartoffelacker zum Stadtpark. In knapp 75 Jahren. Die Wege und die Anlage des Parks, die Gesamtgestaltung aber tragen nach wie vor Lennés Handschrift. Allerdings: Einige Grundprinzipien der damaligen Parkgestaltung haben es nicht in die Neuzeit geschafft.
"Aber das war ganz selbstverständlich, dass man zur Anlage eines Parks auch eine Baumschule mit angelegt hat."
Das spart Geld. Und tut den Gehölzen gut, "weil die sich natürlich in der Kindheit und Jugend, also in ihrem Wachstum auf die Standortbedingungen einstellen. Und deswegen umso besser wachsen, umso besser einsatzfähig sind für die Gestaltung der Parkanlage, als wenn man von weit her, von anderem Boden, aus anderen Klimaverhältnissen sich die Bäume anschafft und kauft."
Die Zeit der parkeigenen Baumschulen war schon Ende des 19. Jahrhunderts vorbei. Da übernahmen private Baumschulen die Zuchtarbeit. Aus Kostengründen. Neupflanzungen mussten sich nun an die Parkumgebung gewöhnen. Eine Schwächung der Baumsubstanz, glaubt Silvia Butenschön.
"Ansätze zur Nachhaltigkeit im Umgang mit historischen Gärten" – so heißt dann auch eine ihrer wissenschaftlichen Arbeiten. Ein Blick zurück für die Zukunft. Wie die Widerstandskraft der historischen Gärten gestärkt werden kann.
"Also gerade die Baumschulproduktion vor Ort ist ein gutes Beispiel dafür. Die Art und Weise der Pflege im Sinne von Kreisläufen innerhalb des Systems, wäre natürlich ein weiteres Beispiel für so einen nachhaltigen Umgang mit solchen historischen Parkanlagen", meint Sylvia Butenschön.
"Auch da sieht man beim Blick in die Geschichte, dass man natürlich früher nicht irgendwo Dünger gekauft hat und sein altes Holz oder den Schnitt von den Wiesen irgendwie verkauft hat oder abgefahren hat. Sondern, dass man versucht hat innerhalb der Parkanlagen eben alles zu verwenden und damit auch die Nährstoffe vor Ort zu halten sozusagen."
Das Wirtschaften in natürlichen Kreisläufen stärkt das gesamte Parksystem. Eine alte Erkenntnis, die jetzt langsam wieder ihren Weg ins Parkmanagement findet.
Wertvolle und schöne Gehölze für die Zukunft
In den Gärten der Welt hat Parkbotschafterin Reuber Australien hinter sich gelassen, vorbei geht es am libanesischen und englischen Garten.
"Die Erfahrung, die wir machen konnten mit Bambus ist eine hervorragende, sie werden im gesamten Parkbild immer wieder bestimmte Bambusarten sehen, die wirklich im chinesischen Garten, im koreanischen Garten, die überall eine so große Wüchsigkeit zeigen, dass wir immer schneiden müssen."
Weiter geht es, erst Südafrika, dann Thailand. Eine kümmernde Felsenbirne steht am Wegesrand. Wahrscheinlich ist es hier zu windig, sagt die Landschaftsarchitektin. Wassermangel kann es nicht sein.
"Durch unsere Tiefbrunnen fällt uns einiges leichter als dem städtischen Grün. Und insbesondere durch die intensive Pflege, die wir ja doch leisten können, fällt es uns unter Umständen leichter Gehölze an schwierigen Standorten zu halten, aber nicht an allen."
Als nächstes: der chinesische Garten. Neben dem Bambus kam aus Asien noch ein weiterer Vertreter, der sich hier sehr gut entwickelt: der Amberbaum:
"Der Liquidambar zum Beispiel ist auch ein sehr, sehr guter Stadtbaum, der nach anfänglichen Schwierigkeiten ein sehr, sehr wertvolles Gehölz werden kann, für die Städte, der zudem noch eine wahnsinnig tolle Herbstfärbung hat, da ist ein Farbspektrum von quietschgelb bis feuerorange, ganz toll, der dadurch auch noch mal ein paar bestimmte Gestaltungskriterien aufzeigt."
Kontrolliertes Baumsterben für die Forschung
Nur wenige Kilometer entfernt stapft Manfred Forstreuter mit schweren Schuhen über den staubtrockenen Boden. Durch seine Buchenplantage. Ordentlich aufgereiht kümmern die mannshohen Bäume vor sich hin.
"Hier standen 1500 Buchen aus dem Botanischen Garten, die aber nicht bewässert wurden, ja, die hier auf diese Fläche gesetzt worden sind. Und einige haben überlebt. Und die Frage ist: Ist das Zufall? Wir haben hier von 1500 Pflanzen vielleicht 10 Prozent übrigbehalten. Die anderen sind verstorben, so sage ich mal."
Ein kontrolliertes Baumsterben. Der Untergrund ist Sandboden, das Grundwasser weit weg. Hier am Rande des Grunewalds. Es sind harte Bedingungen für die Bäume. Aber ein optimales Terrain für den Biologen.
Forstreuter sucht die Klima-Buche. Den Hoffnungsträger für die Hitzezeit. Seit drei Jahrzehnten forscht er an den Baumbeständen. Aus ganz Europa. Aus mehr als 45 Regionen kommen Forstreuters Buchen. Vom Mittelmeer bis zur Ostsee. Jeder Baum reagiert anders auf den Klimastress, weiß der Wissenschaftler. Aber alle aktivieren ihre Überlebensstrategie.
"Früher fruchteten sie alle sieben Jahre, heute alle drei Jahre oder sogar jedes Jahr, das ist auch eine Anpassung an einen Blühstress. Was hilft das? Wenn ich weiß, ich bin in Bedrängnis: vermehren, vermehren. In der nächsten Generation wird etwas dabei sein, die genetische Variabilität, die Anpassungsfähigkeit läuft über die Vererbung über die nächste Generation."
Dringend gesucht - die widerständige Buche
In den Zeiten des Klimawandels ist es für die deutschen Buchen ein Wettlauf gegen die Zeit. Biologische Reproduktion contra Trockenheit und steigende Temperaturen.
"Das Problem beim Klimawandel: Der Klimawandel kommt so schnell. Wir haben gar nicht die Möglichkeit uns über die Naturverjüngung anzupassen. Der Wald wird vielleicht in so arge Bedrängnis kommen, dass wir wissen müssen in Mitteleuropa, haben wir den Plan B, haben wir den Ökotyp einer Buche, einer Rotbuche, die besser angepasst ist an den Klimawandel."
Forstreuter stapft weiter durch sein Buchen-Versuchsfeld. Noch sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen. Im Frühjahr hat Forstreuter eine weitere Buchen-Testrunde gestartet. 800 Bäume wurden gepflanzt. Während nun im Grunewald die neuen Kandidaten gegen die Trockenheit kämpfen, können einige größere Exemplare bereits unter Schlosspark-Bedingungen ihre Widerstandskraft beweisen.
"Ich war letztendlich in einem Schlosspark Marihn in Mecklenburg-Vorpommern, dort habe ich zehn große Rotbuchen aus ganz Europa hingebracht. Ich habe dort zehn große Rotbuchen pflanzen lassen, welche aus Südschweden, welche vom Ätna, um zu schauen, wie reagieren die dort unter dem regionalen Klima im Hauptbuchenverbreitungsgebiet in Nordostdeutschland."
"Es wird andere Baumarten geben, die gepflanzt werden. Und die werden das Bild des Parks verändern."
Tim Großmann blickt durch den Bremer Bürgerpark. Er wird die grüne Oase in den nächsten Jahren weiter gestalten.
"Es wird dann eben nicht mehr mit Eichen und Buchen nachgepflanzt. Sondern dann muss man eben schauen, welche Laubbäume kommen damit besser zurecht. Und das wird das Bild des Parks verändern."
"Es wird dann eben nicht mehr mit Eichen und Buchen nachgepflanzt. Sondern dann muss man eben schauen, welche Laubbäume kommen damit besser zurecht. Und das wird das Bild des Parks verändern."
Widerstandsfähigkeit wird zum Auswahlkriterium
Neue Gehölze neben alten pflanzen. Das Bild sanft verändern, wo es nicht anders geht. Widerstandsfähigkeit wird da zum Auswahlkriterium. Und das gilt nicht nur für die Klimabeständigkeit:
"Hier sehen sie eine große kahle Fläche auf den ersten Blick. Hier war vor ein paar Jahren ein dichter Bestand. Und hier sind mittlerweile die ganzen Fichten raus, sie sehen die Nadelbäume an die der Borkenkäfer nicht herangegangen ist, hier stehen noch einige Douglasien, Lärchen und Küstentannen, die sind dann also für uns die Zukunftsbäume mit denen wir weiterarbeiten können. Aber das Thema einheimische Fichte hat sich für uns hier erledigt."
Nach 150 Jahren Parkzeit ist Feierabend für die Fichte. Das große Artenspektrum, das bleibt, steht unter Beobachtung, um zu sehen, was ist langlebig, wie wächst es, was fügt es sich in die Landschaft.
"Und das ist denn in der Tat so ein bisschen lebendiges Laboratorium. Und das macht natürlich auch Spaß."
Der Bürgerpark-Direktor bleibt stehen. Weit ausladend erhebt sich ein Baum über die grüne Wiese.
"Hier vorne, auf der Wiese haben wir eine sehr große alte Zehreiche stehen, die früher sehr selten eigentlich gepflanzt worden ist, bekannt unter den Fachleuten, aber sie wurde einfach selten gepflanzt. Mittlerweile weiß man, dass die eben auch mit einem wärmeren, trockeneren Klima sehr gut zurechtkommt, die ist im Prinzip auch ein sogenannter Zukunftsbaum."
Die Park-Arbeit wird aber in Zukunft teurer werden. Mehr wässern, mehr Totholz beseitigen, mehr anpflanzen. All das treibt die Kosten nach oben. Bei sinkenden Einnahmen. Das macht dem Parkdirektor Sorgen. Die alljährliche Bürgerpark-Tombola, die sonst einen großen Teil zum Budget beiträgt, musste dieses Jahr Corona-bedingt ausfallen, auch viele Sponsoren sind in der wirtschaftlichen Krise zurückhaltend.
"Im Schnitt haben wir eigentlich über die letzten Jahrzehnte eigentlich immer eine schwarze Null erwirtschaftet und dann werden durch Corona dann auf einmal ein Viertel der Einnahmen in Frage gestellt, dann ist das natürlich eine ganz große Herausforderung.
Überlebenskünstler Maulbeerbaum
"Hier ein Baum, der bei uns gar nicht funktioniert, eine Nyssa."
Beate Reuber ist auf den letzten Metern ihrer Rundtour in den Gärten der Welt. Nicht jeder Baum kann hier erhalten werden. Rechts auf der Wiese aber steht einer ihrer Favoriten. Für die Gartenarbeit in Zeiten des Klimawandels.
"Ein Gehölz, was ich ausgesprochen schön finde und was in südländischen Städten schon sehr oft als Stadtbaum genommen wird, ist der Morus Alba. Es gibt ja drei unterschiedliche Maulbeerbäume."
Den chinesischen, den orientalischen und den osteuropäischen. Alle drei Varianten sind wahre Überlebenskünstler:
"Er wurde ja vorher zur Produktion der Seidenspinnerraupe genutzt, das heißt, es wurde auch das Grün immer abgefressen, aber der hat diese große Chance, das große Glück, das er sich immer wieder selber erschafft, immer wieder nachwächst, selbst abgefressene Rinde überwallt dieser Baum wieder, schiebt immer wieder neue Blätter nach."
Ein Überlebenskünstler. Für Zeiten des Klimawandels.
Die Wasserspiele sind jetzt nachrangig
In Sanssouci eilt Parkdirektor Michael Rohde durch den Park. Hier gibt es sogar eine Maulbeerallee. Friedrich der Große wollte einst die Seidenproduktion ankurbeln. Und ließ drei Millionen Maulbeerbäume in Preußen pflanzen. Vereinzelte alte Pflanzen finden sich noch heute in den Parkanlagen.
Rohde stoppt am Franzosenrondell. Die Fontäne sprudelt im großen Wasserbassin. Im letzten Jahr musste sie öfter abgestellt werden. Denn die Schlossgärtner zapfen die Havel als Wasserspender an.
"Ich dachte, dass das kein Problem sei, Wasser zu entnehmen aus Oberflächenwasser, also aus der Havel und dergleichen. Das ist aber offensichtlich sogar in Nordostdeutschland zum Problem geworden, in Nordostdeutschland insbesondere", sagt er.
"Zum ersten Mal gab es eine Verordnung, wir müssen allerdings einschränken immer mehr. Die Wasserspiele, die Wasserkünste abstellen, das sind Fontänen hier, der Geysir, das geht nicht mehr so. Da hat Vorrang das Gartenkunstwerk."
Prioritäten setzen. Erst die Pflanzen. Dann die Wasserspiele.
Unterstützung für die Jungbäume, mehr mulchen, mehr wässern. Und den Altbestand aufgeben, wo es nicht anders geht. Das ist die Strategie. Rohde zieht an der Pfeife, deutet nach links.
"Da stand die große Rotbuche da und die werden wir natürlich nicht mehr nachpflanzen, weil sie aus der ersten Phase war."
Der Platz bleibt leer. Weil die Lücke an dieser Stelle das Gesamtbild nicht stört. Auf dieser Seite dominiert noch der friderizianische Gartenentwurf. Nicht das Landschaftsbild Lennés.
Probleme aber bereitet im ganzen Park der Buchsbaum. Die buschige Pflanze, vom Gärtner gerne zu Kegeln und Kugeln geschnitten, wurde in den letzten Jahren fast komplett vom Buchsbaumzünsler dezimiert. Sanssouci ohne Buchsbaum - schwer vorstellbar. Rohde fand einen Ersatz.
"Gärtner denken in langen Zeiträumen. Sie können eine gewisse Zeit die Heidelbeere nehmen, oder Ilex, die Stechpalme, sieht ähnlich aus, die hat andere Bodenansprüche, hat eine andere Schnittverträglichkeit, das kann man eine Zeit lang machen, dann sollte man versuchen, den Bux weiter zu führen."
Doch längst nicht alle Pflanzen lassen sich ersetzen.
Michael Rohde bleibt stehen. Lugt durch eine Hecke. Dort wachsen einige Jungbäume.
"Es war eine lange Forschung, um die richtigen alten Obstsorten wieder zu gewinnen, die ersten 80 Stück sind gepflanzt, Sie sehen die hier erst mal in der Brusthöhe und die entwickeln sich sehr gut, dass sind Äpfel, Birnen, Pflaumen, Aprikosen. Und da kommt das synonym 'Das Schöne mit dem Nützlichen' zum Ausdruck."
Alte Apfelbäume für neue Zeiten
Ein Schritt zurück in die Zukunft. Alte Apfelbäume für neue Zeiten. Bewahren, erforschen, restaurieren, notfalls ersetzen – das alte Landschaftsbild so gut wie möglich erhalten. In Zukunft wird das noch schwieriger werden.
"In diesen Gärten zeigt sich das Leben und Vergehen am deutlichsten. Und der Gärtner hat den Beruf der ständigen Sorge, er muss ständig eingreifen, deshalb ist das auch kein Job, sondern eine Lebensaufgabe."
"Sanssouci" – ohne Sorge wird das hier nicht funktionieren, dass weiß Michael Rohde. Ebenso wie seine Kollegen in den anderen historischen Parks und Gärten...
"Ließe sich der Bürgerpark nicht in für Morgenserenade geeignete Musik setzen, etwa unter dem Titel 'Bürgerparksgefühle' oder 'Bürgerparks Leiden und Freuden'?. Ich denke mir die Form einer kunstvoll angelegten Symphonie, die ganz leise mit etwas Gejammer beginnt, sich krümmt und windet, nach und nach wird das dann munterer... endlich fährt die große Trommel würdevoll in den Lärm ein, immer rascher, immer gewaltiger – bum, bum, bum - jetzt ist der entscheidende Augenblick gekommen, bei dem andächtigen Zuhörer reift ein großer Entschluss, er greift mit fester Hand in die Tasche, langt einen, lieber einige bedruckte Papierstreifen hervor und – dem Bürgerpark ist geholfen."
Wilhelm Benque, "Bürgerparksbetrachtungen", 1866.