Von Männern für Männer
Ob der erste englische Porno-Roman oder die Sex-Fantasien eines viktorianischen Gentlemans – erotische Literatur hielt die British Library lange unter Verschluss. Nun geht die Sammlung online. Doch erotische Literatur für Frauen sucht man vergebens.
Adrian Edwards hat einen kleinen Stapel der heißen Ware mitgebracht. Der Leiter der historischen Buchsammlung ist für das sogenannte Private Case der British Library zuständig.
"Das Private Case ist eine Sammlung erotischer Werke, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ungefähr 1990 gepflegt wurde. Man trennte die Sammlung vom Rest der damaligen Bibliothek des British Museum, weil man das Material für obszön hielt. Man hatte die Sorge, dass die Menschen es anstößig finden und zerstören oder stehlen würden."
Unscheinbar sehen sie aus, die kleinen in Leder gebundenen Büchlein.
"Die meisten der Bücher waren einfach nur tabu. Aber einige waren auch illegal. Gegen manche Bücher, Autoren und Verleger wurde sogar gerichtlich vorgegangen."
"Das Private Case ist eine Sammlung erotischer Werke, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ungefähr 1990 gepflegt wurde. Man trennte die Sammlung vom Rest der damaligen Bibliothek des British Museum, weil man das Material für obszön hielt. Man hatte die Sorge, dass die Menschen es anstößig finden und zerstören oder stehlen würden."
Unscheinbar sehen sie aus, die kleinen in Leder gebundenen Büchlein.
"Die meisten der Bücher waren einfach nur tabu. Aber einige waren auch illegal. Gegen manche Bücher, Autoren und Verleger wurde sogar gerichtlich vorgegangen."
Früher obszön, heute zahm
Ganze 4000 Bücher lagerten zu Hochzeiten im Private Case. Doch mit der Zeit änderten sich die Moralvorstellungen und damit auch die Zahl der Bücher, die zensiert wurden. Heute enthält die Sammlung noch rund 2500 Werke. Seit den 1960er-Jahren sind die Bücher jedoch einsehbar und katalogisiert.
"Was früher als obszön galt, wirkt heute sehr zahm. Da wird Geschlechtsverkehr beschrieben, aber die Autoren nutzten keine bildhafte Sprache. Alles passiert mithilfe von Gleichnissen und Metaphern."
"Was früher als obszön galt, wirkt heute sehr zahm. Da wird Geschlechtsverkehr beschrieben, aber die Autoren nutzten keine bildhafte Sprache. Alles passiert mithilfe von Gleichnissen und Metaphern."
Sex-Fantasien eines viktorianischen Gentlemans
Nicht nur in den älteren Romanen und Gedichten muss man zwischen den Zeilen lesen. Adrian Edwards hat auch einen kleinen Katalog mitgebracht: Ein Liste von Prostituierten in Covent Garden aus dem Jahr 1788.
"Die ist sehr unterhaltsam geschrieben. Natürlich zur Freude der Gentlemen, die solche Sache lasen. Die Einträge beschreiben Eigenschaften der Damen. Hier heißt es: ‚Allen Karotten-Liebhabern wird diese hellhäutige und blauäugige Nymphe empfohlen.‘"
Ebenfalls mitgebracht hat Adrian Edwards den ersten englischsprachigen pornographischen Roman "The Memoirs of a Woman of Pleasure" aus dem Jahr 1748. Und "My Secret Life". Ein echter Klassiker, so der Bibliothekar.
"Das ist das fiktive Tagebuch eines viktorianischen Gentleman namens Walter in London, der dieses Fantasieleben führt und von einer sexuellen Begegnung zur nächsten geht. Zu dieser Zeit, in den 1880ern, wird es dann viel expliziter. Die Leute beschreiben genau was sie da tun."
Ein Blick aufs Inhaltsverzeichnis des Buchs macht klar: Nicht ganz jugendfrei.
"Die ist sehr unterhaltsam geschrieben. Natürlich zur Freude der Gentlemen, die solche Sache lasen. Die Einträge beschreiben Eigenschaften der Damen. Hier heißt es: ‚Allen Karotten-Liebhabern wird diese hellhäutige und blauäugige Nymphe empfohlen.‘"
Ebenfalls mitgebracht hat Adrian Edwards den ersten englischsprachigen pornographischen Roman "The Memoirs of a Woman of Pleasure" aus dem Jahr 1748. Und "My Secret Life". Ein echter Klassiker, so der Bibliothekar.
"Das ist das fiktive Tagebuch eines viktorianischen Gentleman namens Walter in London, der dieses Fantasieleben führt und von einer sexuellen Begegnung zur nächsten geht. Zu dieser Zeit, in den 1880ern, wird es dann viel expliziter. Die Leute beschreiben genau was sie da tun."
Ein Blick aufs Inhaltsverzeichnis des Buchs macht klar: Nicht ganz jugendfrei.
"Es beginnt mit den frühesten Erinnerungen, ein erotisches Kindermädchen, mein Schwanz, eine muntere Gouvernante, mein Cousin Fred."
Weibliche Stimmen fehlen fast völlig
Der Verlag Gale hat die früher zensierten Bücher nun digitalisiert und seinem Online-Archiv für Sexualität und Gender hinzugefügt. Forscher können die Werke dort einsehen. Für Besucher der British Library ist der Service kostenlos. Lesern dürfte schnell auffallen: Der Großteil der Werke im Private Case wurde von Männern für Männer geschrieben. Homosexuelle Abenteuer sind keine Seltenheit. Weibliche Stimmen hingegen fehlen fast völlig.
"Schwulen Sex findet man in fast allen Werken. Es ist überraschend, wie allgegenwärtig er ist. Aber erst gegen Ende des 19. Jahrhundert rückt er gelegentlich auch in den Mittelpunkt. Davor passiert das eher am Rande."
"Schwulen Sex findet man in fast allen Werken. Es ist überraschend, wie allgegenwärtig er ist. Aber erst gegen Ende des 19. Jahrhundert rückt er gelegentlich auch in den Mittelpunkt. Davor passiert das eher am Rande."
Frauen als Sex-Objekte
Können Forscher, die sich durch das Online-Archiv arbeiten, auch etwas über die Rolle der Frau im Laufe der Zeit lernen? Kaum, sagt Adrian Edwards.
"Das Material sagt vor allem etwas über die Einstellung von Männern zu Frauen aus. Das was man hier am häufigsten findet, ist die Darstellung von Frauen als Sex-Objekte. Irgendetwas anderes herauszulesen ist harte Arbeit."
Die Sammlung erzählt nebenbei auch eine Kulturgeschichte der Scham –und viel über die Prüderie vergangener Zeiten. Denn die meisten Werke sind aus heutiger Sicht vor allem eins: unterhaltsam.
"Das Material sagt vor allem etwas über die Einstellung von Männern zu Frauen aus. Das was man hier am häufigsten findet, ist die Darstellung von Frauen als Sex-Objekte. Irgendetwas anderes herauszulesen ist harte Arbeit."
Die Sammlung erzählt nebenbei auch eine Kulturgeschichte der Scham –und viel über die Prüderie vergangener Zeiten. Denn die meisten Werke sind aus heutiger Sicht vor allem eins: unterhaltsam.