Sozialdemokraten im Sinkflug
Wer wird Schweden künftig regieren? Rot-Grün steht den jüngsten Umfragen zufolge vor der Abwahl, Christdemokraten und Moderate flirten mit den Rechtspopulisten. Die Linkspartei könnte ihr Ergebnis verdoppeln.
Die Erkennungsmelodie einer der berühmtesten und nicht nur in Deutschland besonders beliebten Schwedinnen: Pippi Langstrumpf, die sich ihre Welt so macht, wie sie ihr gefällt? Tut sie eben nicht. Nicht im Original!
Diese Zeile haben sich Übersetzer ausgedacht und bis heute prägt vor allem sie, die Astrid Lindgrens "echte" Pippi so gar nicht singt, unser Schwedenbild in Deutschland: Freiheitsfantasien einer in den spießigen 1960er Jahren aufgewachsenen Generation. Eine heile Gegen-Welt ohne Druck und Zwang mit fröhlichen und freien Kindern als Vorboten einer besseren Zukunft auch für uns, in der Frauen und Männer gleich sind, das Geld aus Papas Kiste kommt, die Guten richtig gut sind, aber die Bösen nicht wirklich böse.
Schöne Literatur, aber eben ausgedacht, zusammenfantasiert. So wie das Schwedenbild in unseren Köpfen.
Aber auch in die Schweden machen sich ihre Pippi, wie sie ihnen gefällt: Die Zeitung "Dagens Nyheter" fragte in der heißen Phase des Wahlkampfes die Vorsitzenden der acht relevanten Parteien, was Pippi Langstrumpf für sie bedeutet. Und alle haben breitwillig geantwortet. Der Liberale schätzt ihre Selbständigkeit, die Grüne ihre frühfeministische Power, der Rechtspopulist die Tatsache, dass sie – frei übersetzt – "ihr eigenes Ding macht". Und auch der Rest war sich einig, Pippi hat den Bogen ‘raus und gibt auch heute noch die Richtung vor.
Mit Pipi Langstrumpf die Basis erreichen
Wirklich? Torbjörn Sjöström ist Chef des Meinungsforschungsinstituts Novus. Er hat eine einfache Erklärung für die Tatsache, dass die meisten Spitzenkandidaten ABBA als Lieblingsband nannten und ausnahmslos alle Pippi als Vorbild:
"Alle kämpfen um die Stimmen der Basis, die weder besonders gebildet, noch belesen ist. Mit ihr steht und fällt die Wahl. Da muss man etwas aufgreifen, das das alte Schweden beschwört. Etwas, das alle wiedererkennen."
Vom alten Schweden träumen heute viele. Denn das gegenwärtige hat damit nicht mehr viel zu tun. Mit der Volksheim-Idee, dem Streben nach Gleichheit und Gerechtigkeit, dem "Lagom"-Grundsatz, der "Nicht zu viel, nicht zu wenig" meint und die Liebe der Menschen zum Mittelmaß erklärt. Mit dem "Jantelagen" aus einem fast hundert Jahre alten Roman, der im fiktiven dänischen Dorf "Jante" spielt und den Skandinaviern einen zehn Punkte umfassenden Verhaltenskodex buchstäblich hinter die Ohren schrieb. Punkt Eins: "Du sollst nicht glauben, dass du etwas Besonderes bist".
"Wenn die schwedische Gesellschaft ein gutes Volksheim werden soll, müssen die Klassenunterschiede überwunden und die soziale Versorgung ausgebaut werden, es muss einen wirtschaftlichen Ausgleich geben. Arbeiter müssen auch an der Entscheidungsfindung im Unternehmen beteiligt werden. Wir müssen Demokratie sowohl sozial, als auch wirtschaftlich verwirklichen."
Olof Palme, Schwedens sozialdemokratische Polit-Ikone 1971 vor dem Reichstag. Er zitierte damals den Vater des Volkheimgedankens, Per Albin Hansen. Die schwedische Welt war noch in Ordnung, zwar einigermaßen klein und eng, aber das gab Geborgenheit. Der Staat war für fast alle und fast alles da.
Das hat sich mit dem schleichenden Dominanzverlust der Sozialdemokratie gewandelt, auch unter der bürgerlichen Regierung, die zwischen 2006 und 2014 das Land umkrempelte, Steuern senkte, aber auch Staat und Sozialleistungen zurückfuhr.
Rot-Grün gestützt von konservativen Allianz-Parteien
Dass die jahrzehntelang alleinregierenden Sozialdemokraten seit 2014 dann doch wieder den "Staatsminister" stellen, den Regierungschef, haben sie ihrem grünen Koalitionspartner, aber auch der bürgerlichen Opposition, also den vier liberal-konservativen Allianz-Parteien zu verdanken. Die stützen seither ihre Minderheitsregierung, um die aus dem Neonazimilleu stammenden einwanderungskritischen Schwedendemokraten von der Macht fernzuhalten.
Ob das auch nach dem Wahltag noch möglich sein wird, bezweifelt nicht nur Meinungsforscher Sjöström. Er stellt beunruhigt fest, dass sich das politische Klima im Land gewandelt hat. Und zwar aus seiner Sicht ganz eindeutig zum Schlechten:
"Die Politik muss ständig Stellung nehmen zu einer atemlosen Berichterstattung mit dauernden 'Breaking News', da geht es vor allem um Gefühle. So wird die Politik amerikanisiert. Der Ton wird härter, Positionen werden undeutlicher, es gibt weniger Grautöne, stattdessen noch mehr Schwarz-Weiß-Malerei als bisher. Der Fokus liegt auf Emotionen und weniger auf dem tatsächlichen Wahrheitsgehalt.
Die Wahrheit ist in seinen Augen gar nicht so schlecht! Wirtschaftlich gehe es dem Land gut, die Flüchtlingszahlen seien seit zwei Jahren stark rückläufig, Gesundheitswesen und Bildungssystem zwar auf leicht gesunkenem, international aber noch immer vergleichsweise hohem Niveau. Und auch für die vermeintlich zunehmende Kriminalisierung fehlten eindeutige Belege. Das Problem: Ja nach Themenschwerpunkt redeten Parteien und Medien die Dinge schlechter als sie seien, so der Meinungsforscher:
"Auf der einen Seite sieht man, dass immer mehr Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren. Angesichts globaler Probleme wie der Finanzkrise oder dem Klimawandel wird deutlich, dass Schweden nur ein Teil einer viel größeren Welt ist, und zwar ein recht kleiner. Auf der anderen Seite macht die Politik diese Wahl zur Schicksalsfrage. Motto: Wenn du für das Falsche stimmst, geht alles den Bach ‘runter."
"Populisten höhlen Demokratie aus"
Über die Folgen dieser Entwicklung machen sich viele nachdenkliche Menschen Sorgen. Leute wie der sozialdemokratische Minister für Unternehmen und Innovation, Mikael Damberg:
"Es ist eine gefährliche Entwicklung, wenn populistische Kräfte an Boden gewinnen und Fremdenfeindlichkeit unsere Gesellschaft erfasst. So wird die Demokratie ausgehöhlt. Eine Untersuchung aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass 74 Prozent der Schweden unsere Demokratie bedroht sehen. Und fast jeder zweite Jugendliche hätte lieber Experten als vom Volk gewählte Politiker an der Spitze der Gesellschaft. Ich finde das bemerkenswert."
Damberg bezieht sich auf eine aktuelle Untersuchung, die landesweit Schlagzeilen gemacht hat. Experten statt Politiker? Eigentlich sollte das ja kein Gegensatz sein! Es wird aber offenbar vor allem von jüngeren Menschen zunehmend so wahrgenommen. Quer durch das Parteienspektrum, in dem die Sozialdemokraten - noch - die stärkste Kraft sind.
Sozialdemokraten so schlecht wie in 100 Jahren nicht
Laut Umfragen liegen die Sozialdemokraten derzeit um die 25 Prozent. Das wäre ihr schlechteste Ergebnis seit mehr als 100 Jahren. Ein Abwärtstrend, der seit einigen Wahlen anhält und den Stefan Löfven nicht stoppen konnte.
Der Regierungschef ist gelernter Schweißer und war nach langen Jahren als Gewerkschaftsführer ohne die früher übliche "Ochsentour" durch die Führungsebenen der Partei vor sechs Jahren gleich an deren Spitze gewählt worden. Er ist keine besonders schillernde Persönlichkeit und selbst für die ja doch eher unauffälligen Schweden eine vergleichsweise blasse Figur. Auch wenn er immer wieder versucht, sein Image zu verbessern.
Etwa als Überraschungsteilnehmer der weltweit beachteten Werbekampagne "The Swedish Number", bei der Interessierte aus dem Ausland kostenlos eine Telefonnummer anrufen und ihren Gesprächspartnern dann alle möglichen und unmöglichen Fragen zum Land stellen konnten.
Das war so ziemlich der lustigste PR-Gag, den Löfven während seiner Amtszeit zustande gekriegt hat.
Ansonsten hatte er vor allem die undankbare Aufgabe, während der der Flüchtlingswelle 2015 und unter dem Druck der rechtspopulistischen Schwedendemokraten gegen heftige Einwände des grünen Koalitionspartners die Kehrwende seiner Regierung in der Einwanderungspolitik durchzusetzen. Viele sahen darin das Ende der selbsternannten "humanitären Supermacht" Schweden: Grenzkontrollen wurden wieder eingeführt, Aufenthaltsgenehmigungen befristet, der Famliennachzug wurde erheblich erschwert, oft unmöglich gemacht.
Auch im Wahlkampf ist die Flüchtlingspolitik ein großes, wenn auch nicht das einzig kontroverse Thema. Löfven gibt, wie alle anderen Spitzenkandidaten, neuerdings den Hardliner:
"Die restriktivere Asylgesetzgebung Schwedens wird bleiben. Unsere Gesetze dürfen sich nicht wesentlich von denen anderer EU-Länder unterscheiden. Wenn gemeinsame Regelungen für die EU ausgehandelt werden, wollen wir diese in Schweden und in der gesamten EU gerecht umgesetzt sehen. Schweden wird seinen Anteil an Flüchtlingen aufnehmen, aber im angemessenen Verhältnis zur Gesamtbevölkerung."
Ministerpräsident Löfven ein schlechter Krisenmanager
Windelweich ist dagegen seine Position bei anderen Streitthemen: Innere Sicherheit etwa, Gesundheits- oder Bildungswesen. Wann immer andere Parteien oder die Medien Probleme erkennen und beschreiben, verspricht Löfven reflexartig Besserung, so wie bei den verheerenden Waldbränden in diesem Sommer, gegen die der überforderte Katastrophenschutz ohne ausländische, auch deutsche Hilfe, wohl wenig hätte ausrichten können. Das zu 70 Prozent von Wald bedeckte Land hat nicht einmal eigene Löschflugzeuge - und keinen guten Krisenmanager an der Spitze der Regierung:
"Es ist wichtig, die Ereignisse gründlich auszuwerten, wenn die Brände gelöscht sind, statt in akuter Situation übereilte Schlüsse zu ziehen. Wir werden aber dafür sorgen, unsere Lehren zu ziehen und unsere Bereitschaft für die Zukunft zu stärken."
Torbjörn Sjöström, der Novus-Meinungsforscher, ist angesichts dieser offenkundigen Schwäche der Meinung, dass die Krise der Sozialdemokraten in Schweden aktuell einen Namen hat: Stefan Löfven!
"Das Vertrauen in den Regierungschef ist extrem gering, nur jeder dritte Schwede vertraut ihm noch. Viele sind der Ansicht, dass die Probleme größer geworden sind, zum Beispiel die Flüchtlingssituation, die Schweden sehr zu schaffen macht. Vor allem hat sich aber der Ton in den Medien radikal verändert. Erst sah man keine Probleme, dann war auf einmal alles ein Riesenproblem. Die Regierung hat darauf nur reagiert, statt proaktiv zu handeln."
Das gilt auch für die Grünen, die zwischenzeitlich in Umfragen unter der in Schweden gültigen Vier-Prozent-Hürde lagen und um ihren Wiedereinzug in den Reichstag zittern mussten. Aktuell bekämen sie bei fünf bis sechs Prozent: Genug, um weiter im Parlament zu sein, aber wohl zu wenig, um mit den geschwächten Sozialdemokraten weiter regieren zu können, die in den vergangenen zehn Jahren um die 20 Prozentpunkte verloren haben.
Dieses Mal wohl auch an die schwedische Linkspartei. Den Sozialisten wird eine Verdopplung ihrer Stimmenanteile von fünf auf 10 Prozent prognostiziert.
Auch konservative Parteien gehen nach rechts
Insgesamt verliert der linke "Block" leicht, doch auch die "Bürgerlichen" sind in Schwierigkeiten. Sie haben vier Jahre lang Rot-Grün toleriert und werden von vielen Wählern deshalb mitverantwortlich gemacht für alles, womit sie unzufrieden sind. Unter anderem für die vermeintliche Bildung von Parallelgesellschaften vor allem an den Rändern der großen Städte Stockholm, Göteborg und Malmö.
Also hat neben Grünen und Sozialdemokraten auch die größte der sogenannten "Allianz"-Parteien, die Moderaten, in der Flüchtlingsfrage klar den Kurs geändert, Richtung rechts. Ihr Vorsitzender ist Ulf Kristersson:
"Das ist die Schicksalsfrage für Schweden. Wollen wir auch in Zukunft ein offenes Land bleiben und unser hohes Ansehen als weltweiter ‚Player‘ bewahren, dann muss die Integration endlich gelingen. Das wird sie aber nicht, wenn wir das Asylrecht nicht verschärfen."
Ein weiterer Schwerpunkt der Moderaten: Sozialpolitik. Kristersson bricht ein urschwedisches Tabu und fordert geringere Einstiegslöhne für Arbeitslose, um sie aus dem mutmaßlichen Teufelskreis staatlicher Unterstützung zu befreien.
"Die Alternative für jemanden, der heute keinen Job hat, aber für einen geringeren Lohn arbeitet und sich qualifizieren könnte, ist Sozialhilfe. Aber Sozialhilfe ist Schwedens schlechteste Unterstützung. Lebt man jahrelang davon, hat man irgendwann keine Motivation mehr, da jemals wieder herauszukommen."
Umfragen sehen die Moderaten bei knapp unter 20 Prozent. Die Konservativen mit liberalem Wirtschaftsprogrammm wären damit die Nummer Drei in der schwedischen Parteienlandschaft.
Enttäuschte Konservative gingen zum "dritten Block"
Nur halb so viele Stimmen bekäme die mittelstandfreundliche und grün angehauchte Zentrumspartei, allerdings wird sie dank ihrer Vorsitzenden Annie Lööf seit einigen Wochen als deutlich stärker wahrgenommen und wird wohl zulegen am Sonntag. Als die ebenso sympathische wie charismatische Lööf kürzlich bei einer Rede von Rechtsradikalen gestört wurde, reagierte sie sprichwörtlich "cool" und stellte die Protestierer kalt. Der Redeausschnitt war ein Internet-Hit in Schweden:
"Synagogen müssen vor Bomben geschützt werden und haben schusssicheres Glas. Und jetzt schreien hier die Nazis von der Nordischen Widerstandsbewegung. Hören wir ihnen doch einfach ‘mal einen Moment zu. So, das reicht! (Jubel)"
Auch bei einer TV-Debatte der Spitzenkandidaten punktete Lööf, wieder gegen Rechtsaußen, diesmal gegen Jimmie Åkesson, den Chef der einwanderungskritischen Schwedendemokraten:
"Du willst Mauern zwischen Ländern und sogar durch Familien hindurch bauen. Unsere Einstellungen liegen meilenweit auseinander."
"Daran besteht wohl kaum ein Zweifel. Ich bin der Meinung, dass die Zentrumspartei eine unverantwortliche Migrationspolitik befürwortet."
Zur Allianz zählen noch die Liberalen, sie liegen derzeit zwischen fünf und sechs Prozent, ebenso wie die sehr konservativen Christdemokraten.
Damit steht fest: Nicht nur Rot-Grün, auch Mitte-Rechts steckt in der Krise, Wahlforscher Torbjörn Sjöström bestätigt das:
"Der Niedergang der Allianz begann ja bereits bei der Wahl 2014. Es gab eine Vertrauenskrise, als Regierungschef Fredrik Reinfeldt noch in der Wahlnacht abtrat und sich seine inzwischen abgelöste schwache Nachfolgerin von der eigentlich sehr erfolgreichen Arbeit der Allianz distanzierte. Wohin sollten sich die enttäuschten Wähler wenden? Sie konnten ja nicht zu den Sozialdemokraten wechseln, deren Werte so gegensätzlich zu den eigenen sind. Davon profitierte der ‚dritte Block‘; entweder in der Hoffnung auf eine Lösung der Misere oder zumindest, um den eigenen Unmut zu äußern."
Entstanden aus der Neonaziszene, nun im Parlament
Dieser "dritte Block", das ist eine Partei: Das sind die Schwedendemokraten.
In den 1980er Jahren aus der rechtsextremen Neonaziszene entstanden, haben sie mit zunehmendem Erfolg versucht, dieses Image abzustreifen. Ihr Vorsitzender ist der 39-jährige Jimmie Åkesson, unter dessen Führung die Partei vor acht Jahren erstmals in den Reichstag einzog, bei den vergangenen Wahlen knapp 13 Prozent holte und diesmal laut Umfragen bei rund 20 Prozent liegen dürfte. Ein smarter Typ, der wieder und wieder betont, dass die SD mit ihrer Vergangenheit nichts mehr zu tun haben.
"Wir stehen nicht am rechten Rand der politischen Skala. Betrachtet man unsere Politik, so liegen wir deutlich in der Mitte. Was unsere Werte angeht, stehen wir dabei wohl etwas mehr rechts, und bei Fragen der Umverteilung und Wohlfahrt eher links der Mitte."
Allerdings ist der zentrale "Wert" der Schwedendemokraten die einwanderungskritische, nach Aussagen einiger Mitglieder auch offen ausländerfeindliche Einstellung. Und insofern suchen sie und finden offenbar viele Wähler am Rand in derart gefährlicher Nähe zu bekennenden Rechtsextremisten, dass Åkesson sich im Wahlkampf ausdrücklich von ihnen distanzierte.
"Die nordische Widerstandsbewegung und die neue Alternative für Schweden sind Parteien, die Menschen anziehen, die wir nicht haben wollen: Rassisten, Gescheiterte etc. und es ist ja gut, wenn es ein Auffangbecken für sie gibt. Solche Parteien hat es auch früher schon gegeben, aber ich glaube, die Anzahl an Extremisten in der schwedischen Wählerschaft ist doch recht begrenzt. Ich bin nicht sonderlich beunruhigt."
Åkesson ist tatsächlich der Platzhirsch am rechten Rand des politischen Spektrums, an dem nach dem 9. September wohl kein Weg mehr vorbeigeht. "Novus"-Meinungsforscher Sjöström beobachtet den Trend schon lange:
"Wir hatten eine turbulente Legislaturperiode. Die meisten Wähler sind entweder von der Allianz oder der Regierung enttäuscht und viele haben sich entschieden, zu den Schwedendemokraten zu wechseln. Eine Menge deutet darauf hin, dass es in diese Richtung geht."
Wer sind dann also die alten und neuen Wähler der Populisten?
"Die Schwedendemokraten haben ihre Wurzeln in den ländlichen Regionen. Dort, wo Landflucht und Arbeitsplatzverlust Alltag sind. Man sprach früher gerne von "wütenden jungen Männern". Mittlerweile hat die Partei aber in praktisch allen Altersgruppen und allen Regionen des Landes zugelegt, auch wenn sie nach wie vor in Südschweden und in den dünn besiedelten Regionen am stärksten sind. Selbst in den Großstädten Stockholm, Göteborg und Malmö gewinnen sie inzwischen immer mehr Wähler."
Und die müssen ja irgendwo herkommen. Laut Sjöström sind es auch frustrierte Sozialdemokraten, die es nach Rechtsaußen gezogen hat.
Durchaus plausibel und ein Phänomen, das in Skandinavien unter anderem auch aus Dänemark bekannt ist. Dort hat die Dänische Volkspartei ebenfalls Zulauf vom eigentlich ärgsten politischen Gegner gehabt, hauptsächlich wegen der harten Haltung der Rechtspopulisten in der Flüchtlingspolitik.
In Schweden orientieren sich nach Erkenntnissen der Meinungsforscher aber vor allem bisherige Wähler der liberal-konservativen Parteien weiter nach rechts. Die bürgerlichen Parteien waren laut Sjöström die letzte "Durchgangsstation" einer von links nach rechts wandernden Wählerschaft.
"Als die Allianz an die Macht kam, 'kaperte' sie den Begriff 'Solidarität' von den Sozialdemokraten. Die Moderaten bezeichneten sich als neue Arbeiterpartei. Damals verloren die Sozialdemokraten ihre Position innerhalb der Arbeiterklasse an die Allianz. Jetzt sind die ehemaligen Wähler der Sozialdemokraten über die Moderaten bei den Schwedendemokraten angekommen."
Wahlplakate der Rechtspopulisten ohne Botschaft
Wer dieser Tage Wahlplakate anschaut, sieht lächelnde Gesichter, liest aber eher hilflose Slogans: "Mehr Polizei", "härtere Strafen", "bessere Schulen", "kürzere Wartezeiten beim Arzt". Im Grunde sagen alle das Gleiche, bis auf die Liberalen, die als einzige "gegen Extremisten" wettern, die gegen Bedenken vieler Schweden trotzig "mehr EU" fordern.
Und bis auf die Schwedendemokraten, die ihrem Chef Jimmie Åkesson "Medelsvenssons" an die Seite stellen, so werden hier Durchschnittsbürger genannt, ganz normale Leute – für eine ganz normale Partei? Nur Bilder und der Parteiname, keine Aussagen, keine Versprechen.
Das haben sie auch nicht nötig, sagt Wahlforscher Sjöström. Wie es aussehe, könnten sie als einzige die Wahl in aller Ruhe abwarten und schon einmal den Sekt kaltstellen!
"Es wird richtig, richtig chaotisch. Die Schwedendemokraten werden enorm zulegen und ihre Machtposition festigen. Die Frage ist: Werden sie eine Protestpartei bleiben und weiter daran arbeiten, irgendwann 50 Prozent zu bekommen, wie sie es immer sagen, oder werden sie sich auf die eine oder andere Seite schlagen und die Politik einer Minderheitsregierung stützen?"
Radiomann Eriksson rechnet da eher mit dem Letzeren und ist sich nicht mehr sicher, ob er "sein" Schweden am Tag nach der Wahl noch wieder erkennt.
"Es wird schwerer, die Schwedendemokraten im Parlament zu übergehen. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Es gibt im Umfeld der Moderaten und der Christdemokraten Gruppen, die wohl bereit wären, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dabei könnte eine Regierung herauskommen, die wir uns vor einiger Zeit noch nicht hätten vorstellen können. Die Dinge können sich ändern!"