"History of Bombs" von Ai Weiwei in London

Objekte kriegerischer Macht und Vernichtung

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Ausstellungsansicht: Ai Weiweis "History of Bombs" im Londoner Imperial War Museum.
Ai Weiweis "History of Bombs" ist die erste Kunstinstallation ihrer Art im Imperial War Museum. Auch künftig soll das Foyer prominenten Künstlerinnen und Künstlern überlassen werden. © Robert Rotifer
Von Robert Rotifer |
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Der Künstler Ai Weiwei inszeniert in London die Geschichte der Bombe in Bildern und Objekten. Seine Installation "History of Bombs“ ist im Foyer des Imperial War Museum zu sehen, das nach der Corona-Pause endlich wieder auf Besucher hoffen kann.
Die zwei großen Schiffskanonen im Park vor dem Londoner Imperial War Museum sind wie immer bedrohlich auf die Straße gerichtet. Doch dort, wo sich sonst der Verkehr in Richtung Themse staut, herrscht in diesen Tagen geradezu idyllische Ruhe. Nach einer der längsten Ruhepausen in seiner Geschichte öffnet das größte britische Kriegsmuseum an diesem Wochenende endlich wieder seine Pforten.
Bislang musste sich diese im kriegsnostalgischen Großbritannien populäre Institution um Publikumsandrang keine Sorgen machen, aber wir leben in anderen Zeiten. Zur Eröffnung eines lange verschobenen, einjährigen Schwerpunkts zum tragisch aktuellen Thema "Refugees" hat das Museum eine spektakuläre Kunstinstallation in Auftrag gegeben.
"Wir brauchen wirklich Besucher", sagt die Pressebetreuerin bei unserer sozial distanzierten, persönlichen Vorbesichtigung. "Wir hoffen, dass dies hier etwas ist, das die Leute nach vier Monaten Sperre wieder herlockt."

Ai Weiweis Bomben sind ästhetische Objekte

Die Attraktion, mit der das Kriegsmuseum sein Publikum ködern will, heißt "History of Bombs" und besteht aus Darstellungen von fünfzig Fliegerbomben verschiedener Generationen, einige davon Massenvernichtungswaffen. Auf dem Boden und den Seitenflächen der Treppenaufgänge im Atrium des Museums hat der Künstler Ai Weiwei zweidimensionale Abbilder von Sprengkörpern deutscher, amerikanischer, britischer, sowjetrussischer und israelischer Machart angeordnet.
Die Kuratorin Rebecca Newell beschreibt Reiz und Intention des Kunstwerks. "Über das von Ai Weiwei erforschte Jahrhundert hinweg gab es ein exponentielles Wachstum in Sachen Größe und Sprengkraft der Bomben. Manche sind berühmt, weil sie die Menschheitsgeschichte geprägt haben, zum Beispiel die Bomben, die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden", sagt sie.
"Andere sind obskur, wie etwa die Luft-Luft-Raketen der zeitgenössischen Ära. Ai Weiwei repräsentiert sie so wirklichkeitsgetreu und detailliert wie möglich, aber wie Ihnen auffallen wird, sind sie auch sehr schön. Das sind ästhetische Objekte, und diese Idee der Fetischisierung interessiert ihn auch."

Phallische Bomben

Die flache, cartoonähnliche Schwarzweißästhetik auf schwarzem Untergrund, versehen mit Herkunft, Baujahr und makabren Spitznamen wie "Little Boy", "Fat Man" oder "Tsar Bomba", verharmlost die durch dieses Kriegsgerät in seiner realen Form angerichtete todbringende Zerstörung. Und sie animiert zur Vermutung, dass das Design dieser Bomben nicht nur rein zweckmäßigen Kriterien folgte:
"Ein gewisses Aussehen spielt beim Design definitiv eine Rolle. Manche der Bomben haben Ohren oder Gesichter. Es beschäftigt Ai Weiwei, wie wir in der Materialität des Konflikts diese Objekte der Kriegsführung vermenschlichen", sagt Newell. Und klar, diese Objekte kriegerischer Macht haben eindeutig etwas Phallisches. "Absolut, sie sehen prototypisch maskulin aus", pflichtet Newell bei.

Das Foyer soll auch künftig Künstlern überlassen werden

"History of Bombs" ist die erste Kunstinstallation ihrer Art im erst 2014 nach einer gründlichen Renovierung durch den Architekten Norman Foster wiedereröffneten Imperial War Museum. Die Kunstkuratorin Rebecca Newell plant, das Foyer auch künftig prominenten Künstlerinnen und Künstlern zu überlassen – frei nach dem Vorbild der Turbinenhalle der Tate Modern.
Während jene ein leerer Raum ist, hängen hier drei Kampfflugzeuge von der Decke, und auf dem Boden steht eine mehrere Stockwerke hohe V2-Rakete. Das beeinflusst den Eindruck von Ai Weiweis Installation, ebenso wie das Wrack eines im Irak von einer Bombe getroffenen Autos.
Das Museum sieht "History of Bombs" im Zusammenhang mit geplanten Sonderausstellungen zum Thema "Refugees". Für sich allein hat Ai Weiweis verflachte Darstellung der Bomben etwas Banales an sich. Ob man dies im Sinne von Hannah Arendts "Banalität des Bösen" als aufrüttelnd empfindet oder sich einfach nur an Größe und Form der Bomben ergötzt, das bleibt der Sensibilität des Publikums überlassen.

Die Ausstellung "History of Bombs" ist noch bis zum 24. Mai 2021 im Londoner "Imperial War Museum" zu sehen.

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