"Faking Hitler"
RTL+
Ab 30. November
Regie: Wolfgang Groos, Tobi Baumann
Produzent: Tommy Wosch
Mit Lars Eidinger, Moritz Bleibtreu, Ulrich Tukur, Sinje Irslinger
"Hitler-Tagebücher" als TV-Serie
Reporter mit Nazifetisch: Lars Eidinger als Gerd Heidemann in "Faking Hitler" © RTL / Martin Valentin Menke
Der Altnazi-Sumpf der 80er-Jahre
06:11 Minuten
Der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher, die der "Stern" im April 1983 auszugsweise veröffentlichte, ging in die deutsche Mediengeschichte ein. RTL+ hat aus dem damaligen Geschehen eine sehenswerte sechsteilige Serie gemacht.
Lars Eidinger spielt in der RTL+-Serie „Faking Hitler“ den „Stern“-Reporter Gerd Heidemann. Gleich in der ersten Szene ist zu sehen, wie er mit Hornbrille und im 80er-Jahre-Look auf der Autobahn fährt. Heidemann hat vor Kurzem im Auftrag des Magazins die vermeintlichen sensationellen „Hitler-Tagebücher“ von einem gewissen Konrad Kujau erworben. Nun hört er über das Autoradio, dass die veröffentlichten Auszüge daraus eine Fälschung seien.
Vollkommen geschockt unternimmt Reporter Heidemann daraufhin einen Selbstmordversuch hinter dem Steuer, während auf der Gegenfahrbahn der Tagebuchfälscher Konrad Kujau fährt und sich über die Nachricht ärgert, dass diese Tagebücher „eine plumpe Fälschung“ seien, wo er doch so viel Arbeit darin investiert habe.
Die Faszination für die NS-Zeit
Eine grandiose Szene, die wie eine Zusammenfassung der kompletten Serie wirkt: der verlorene Heidemann, gescheitert an Kujau, einem Schlitzohr mit Comedy-Aura. Sie zeigt auch, dass die Macher sehr frei mit den Fakten umgehen: Über einen Selbstmordversuch am Steuer hat Heidemann im wahren Leben nur nachgedacht.
Die gefälschten Tagebücher dienen der Serie mehr als Aufhänger, um den Altnazi-Sumpf der 80er-Jahre abzubilden, in denen ein Reporter mit Nazi-Fetisch wie Heidemann, der die Yacht von Hermann Göring kauft, lediglich als komischer Vogel galt.
Sein ganzes Leben lang habe er sich gefragt "wie viele Nazis unter uns leben", sagt Drehbuchautor und Produzent Tommy Wosch. Dass ein linksliberales Blatt wie der "Stern" die Tagebücher damals gedruckt hat, konnte nur auf dem Nährboden der Faszination für die NS-Zeit geschehen, meint er. Um das zu verdeutlichen, wurden fiktive Charaktere in die Handlung eingebaut, zum Beispiel die junge Journalistin Elisabeth Stöckel.
Spannend und sehenswert trotz mancher Klischees
Und auch wenn es sinnvoll ist, über den fiktiven Erzählstrang mehr über die Nazis unter uns zu erzählen, sind diese Szenen klischiert geraten. Zudem sind realer Fall und Fiktion für den Zuschauer kaum auseinander zu dröseln. Am besten und lehrreichsten ist „Faking Hitler“, wenn sich die Serie mit ihrem schönen 80er-Jahre-Kolorit, dem Zigarettenqualm, den Hornbrillen und der Neuen Deutschen Welle auf die Fakten konzentriert.
Dass die Serie in der ersten Minute schon die Fälschung verkündet – und trotzdem spannend und unterhaltsam bleibt, macht sie, neben der starken Besetzung, allemal sehenswert.