Auf der Jagd nach Kunst für das "Führermuseum"
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Der Museumsmann Hans Posse fuhr in Hitlers Auftrag durch Europa und kaufte Kunst. Seine Tagebücher legen sein Netzwerk offen. Das könnte die Provenienzforschung voranbringen, hofft Frederike Uhl, die an der Analyse der Reisekladden beteiligt war.
Hans Posse war 32 Jahre lang Direktor der Dresdner Gemäldegalerie. Parallel dazu war er ab 1939 Sonderbeauftragter Adolf Hitlers mit der Aufgabe, eine Kunstsammlung für das nie verwirklichte "Führermuseum" Linz zusammenzustellen.
Auch sollte Posse NS-Raubkunst auf die Museen im gesamten Reich verteilen. So hatte er einen guten Überblick über alle geraubten Kunstwerke der Nazis. Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg hat jetzt fünf Reisetagebücher des Kunsthistorikers ausgewertet.
Unmittelbarer Eindruck von der Arbeit
Diese Reisekladden seien Posses persönliche Notizbücher gewesen, sagt Frederike Uhl, die an der Auswertung der Bücher mitgearbeitet hat - und deshalb für die Forschung besonders interessant: "Wir haben einen unmittelbaren Eindruck von seiner Arbeit im Sonderauftrag."
Schon Mitte der 1980er Jahre seien die Tagebücher ins Deutsche Kunstarchiv gekommen, berichtet Uhl, sie seien aber aus urheberrechtlichen Gründen für die Nutzung gesperrt gewesen. In den letzten drei Jahren seien die Quellen dann ausgewertet worden.
Posse habe seitenweise notiert, welche Werke er gesehen habe, welche er ankaufen wollte, über welche er verhandelte, sagt Uhl. Viele kryptische Abkürzungen und seltsame Titel hätten entziffert werden können. Das sei für die Provenienzforschung sehr wichtig: "Wenn Sie nach bestimmten Werken suchen und die dann in den Kladden finden."
Gauleiter, Gesandte und Privatsammler
Durch die Tagebücher ließen sich Posses Netzwerke genau rekonstruieren, sagt Uhl. Er sei in ganz Europa unterwegs gewesen: "Österreich, Italien, Frankreich. Er ist nach Prag gefahren, war in Polen und viel in den Niederlanden und in der Schweiz." Posse habe mit Gauleitern zusammengearbeitet, mit Gesandten, mit Botschaften und - für die Provenienzforschung besonders interessant - auch mit Privatsammlern.
Anfang der 1920er Jahre habe sich Posse noch stark für die Avantgarde eingesetzt, berichtet Uhl: "Er hat sogenannte 'entartete Kunst' für die Dresdener Gemäldegalerie angekauft."
Dadurch sei er aber ab 1933 in Dresden umstritten gewesen. Posse habe sich dann - durch die Aufgabe, die an ihn herangetragen wurde - korrumpieren lassen.
"Er war durch und durch Museumsmann", sagt Uhl. Ein bedeutendes Museum aufbauen zu können, "selbst zu entscheiden, was reinkommt und was nicht!" Da habe Posse nicht nein sagen können.
(beb)