HKW-Intendant Bonaventure Ndikung

Ein Lichtblick für das deutsch-afrikanische Verhältnis

04:28 Minuten
Kurator, Kunstkritiker und Autor Bonaventure Soh Bejeng Ndikung steht im Garten des Gropius Baus.
Bestens vernetzt: der Kulturmanager Bonaventure Ndikung. © picture alliance/dpa / Annette Riedl
Ein Kommentar von Werner Bloch |
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Das deutsche Verhältnis zum afrikanischen Kontinent sei geprägt von Vorurteilen und Arroganz, meint der Journalist Werner Bloch. Die Ernennung des Kulturmanagers Bonaventure Ndikung als Chef des Haus der Kulturen der Welt stimmt ihn nun hoffnungsfroh.
Vielleicht haben wir uns alle geirrt. Vielleicht war der Kolonialismus gar nicht so schlimm, oder? Möglicherweise haben die Afrikaner ja sogar davon profitiert, dass sie eine Zeit lang von Deutschen Kolonialherren regiert und wie Leibeigene behandelt wurden? Damals wurden schließlich Schulen und Eisenbahnlinien gebaut, die zum Teil heute noch benutzt werden. Da müsste man ja fast schon Dankbarkeit erwarten.
Ein Scherz? Leider nicht. Die krude These stammt von Günter Nooke, dem persönlichen Afrika-Beauftragten von Bundeskanzlerin Merkel. Der Mann, der offenbar direkt ins Ohr der Kanzlerin flüstert, verbreitet derart zynische Thesen, dass sie sich eigentlich von allein erledigen. Ein kolonialistisch-rassistisches Mindset, das vielleicht Kaiser Wilhelm gefallen hätte.
Warum ist ausgerechnet dieser Mann Afrika-Beauftragter?

Dümmlichkeiten und Bösartigkeiten des Rassismus

Stellen wir uns vor, der Beauftragte der Bundesregierung für Antisemitismus würde den Holocaust relativieren – er wäre seinen Job innerhalb von Stunden los und mit Shitstorm, Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Bei Afrika sieht man offenbar nicht so genau hin, wie denn Deutschlands Afrika-Politik seit der Berliner Konferenz von 1884 ein einziges Desaster ist. An großartige, nachhaltige Afrika-Reisen von Heiko Maas und Angela Merkel kann man sich nicht erinnern. Unsere Spitzenpolitiker waren meist lieber auf anderen Kontinenten unterwegs.
Es sind die alten Vorurteile, Dümmlichkeiten und Bösartigkeiten des Rassismus, gepaart mit einem völlig unanalytischen Verständnis für die Welt, die sich in unserem Afrikabild als Archetypen austoben.
Die Medien haben zu diesem Bild auf katastrophale Weise beigetragen: Kriege, Krisen, Katastrophen – das ist der Modus, in dem berichtet und geseufzt wird.

Humboldt Forum als Beispiel für Versagen

Auch symbolisch, in der viel beschworenen Kultur der Dichter und Denker, hat Deutschland versagt. Das Humboldt Forum ist ein eklatantes Beispiel. Wer als Afrikaner die größtenteils zusammengeraubten, gestohlenen und erpressten Kunstgegenstände seiner Ahnen in Deutschland sehen will, der kann gar nicht anreisen, weil er von der Bundesrepublik kein Visum bekommt. Afrikanische Kunst ist im Humboldt Forum praktisch nur für Europäer zu sehen.
Doch es gibt auch Lichtblicke.
Kürzlich wurde der gebürtige Kameruner Bonaventure Ndikung zum zukünftigen Leiter des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin berufen. Das HKW war einmal die wichtigste international ausgerichtete Kultureinrichtung der Republik. Hier tanzte Mandela, hierher kamen Künstler, Musiker, Literaten wie Wole Soyinka, der erste afrikanische Literaturnobelpreisträger. Die Schwangere Auster im Tiergarten – sie war ein inneres und äußeres Ausrufungszeichen, in der ganzen Welt beachtet und oft wichtiger eingestuft als das Centre Pompidou in Paris.

Wahl Ndikungs als Signal für eine bessere Zukunft

Nachdem das Haus in den letzten Jahren mehr in intellektuelles Bauchrednertum verfallen ist und viel mit sich selbst beschäftigt war, wird dieser gewaltige Kultur-Tanker unter dem 44-jährigen Bonaventure Ndikung ganz zweifellos wieder an Fahrt gewinnen.
Es scheint, als sei dieser bestens vernetzte Intellektuelle, der mit Achille Mbembe, Felwine Sarr und anderen befreundet ist, eine Lichtgestalt, aber auch eine Art Feuerwehrmann, ein gefragter Wunderheiler für das derangierte deutsch-afrikanische Verhältnis. Vielleicht auch eine Abbitte der Politiker. Ein Versuch, die Brandherde der fahrlässigen deutschen Afrika-Politik zu löschen. Und ihr toxisches Element herauszufiltern.
Vielleicht löst sich jetzt die Bremse, die wie ein Fluch über der Afrika-Politik hing, vielleicht kommt jetzt tatsächlich etwas Sonne hinein. Es ist, als würde die Wahl Bonaventure Ndikungs wie ein Signal wirken in eine bessere Zukunft, in der das in seine eigenen Debatten verstrickte Deutschland endlich ein Verständnis für Afrikas Kreativität und Reichtum entwickelt.

Werner Bloch, Journalist und Autor, ein Vielreisender. Schreibt seit 1997 für "Die Zeit", "FAZ", "SZ", über Interkulturalität und internationale Themen zwischen Kultur und Politik, vor allem in Afrika, Nahost, Asien.

Porträt des Journalisten Werner Bloch
© Friederike Klussmann
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