Hobmeier verlässt Münchner Kammerspiele

"Eine Krise sehe ich nicht"

Münchner Kammerspiele: Schauspielerin Brigitte Hobmeier in dem Stück "Rocco und seine Brüder".
Schauspielerin Brigitte Hobmeier in dem Stück "Rocco und seine Brüder": Sie verlässt die Münchner Kammerspiele. © imago/DRAMA-Berlin.de
Matthias Lilienthal im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
Weil sie nicht oft genug eingesetzt wurde, hat Aushänge-Schauspielerin Brigitte Hobmeier bei den Münchner Kammerspielen gekündigt. Intendant Matthias Lilienthal bedauert zwar ihre Entscheidung, bleibt aber gelassen.
Sigrid Brinkmann: Die "Süddeutsche Zeitung" machte heute publik, dass die Schauspielerin Brigitte Hobmeier nach dieser Spielzeit dem Ensemble der Münchner Kammerspiele nicht länger angehören wird. Sie habe gekündigt, weil man dort nichts mehr mit ihr anfangen könne.
Die "SZ" urteilte, Hobmeier keine Rollen zu geben, das sei, als ließe der FC Bayern Robert Lewandowski auf der Ersatzbank hocken. Matthias Lilienthal ist seit 2015 Intendant der Münchner Kammerspiele und nun für "Fazit" am Telefon, guten Abend, Herr Lilienthal!
Matthias Lilienthal: Guten Abend!
Brinkmann: Hat Sie Brigitte Hobmeiers Entscheidung überrascht?
Lilienthal: Wir haben da seit zwei Jahren immer wieder drüber diskutiert, weil es natürlich auch die Frage … Wenn man jetzt die Metapher der "Süddeutschen Zeitung" annimmt, ist ja auch ein bisschen die Frage, welcher Trainer taucht mit welcher Philosophie auf und welches Spielsystem passt dazu. Und darüber haben wir uns eigentlich seit einem Jahr, bevor ich hier angefangen habe, angefangen auszutauschen.
Matthias Lilienthal bei einem vergangenen Besuch im Studio von Deutschlandradio Kultur.
Matthias Lilienthal bei einem vergangenen Besuch im Studio von Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio / Norbert Wasmund
Und es ist halt schade, weil, wir hatten gerade mit Brigitte Hobmeier eine sehr schöne Premiere von Ryan Trecartin, der auch für sie ein sehr großer Erfolg war, auch sie in einer zentralen Besetzung, und wir stehen eigentlich jetzt kurz vor einem Probenanfang, wo sie im "Kirschgarten" spielt. Und insofern finde ich es schade, dass sie den Prozess der Annäherung aufgegeben hat.

"Wir waren eigentlich auf einem Weg der Annäherung"

Brinkmann: Aber diese Entscheidung, wenn ich das richtig verstehe, hatte sich schon angedeutet über das Jahr hinweg?
Lilienthal: Also, Mitte Oktober haben wir darüber mal geredet, an der Zusammenarbeit war eine bestimmte Skepsis vorhanden, wie passen die neuen Kammerspiele und wie passt Brigitte Hobmeier zusammen. Und wir waren da aber eigentlich auf einem spannenden Weg der Annäherung.
Brinkmann: Brigitte Hobmeier spielt seit 2005 an den Kammerspielen, sie hat etliche Theater- und Filmpreise bekommen. Sie selber wird mit den Worten zitiert in der "Süddeutschen Zeitung", sie wäre gern häufiger eingesetzt worden. Warum gab es denn für einen Star wie sie dann nicht noch mehr Rollen?
Lilienthal: Die Besetzung am Theater zu machen ist immer ein schwieriger Prozess zwischen Stoffen, Regisseuren und Schauspielern. Und wir sind ja zu vier sehr schönen Produktionen in diesen zwei Spielzeiten mit ihr gekommen und das war auch genau das, was wir vereinbart hatten.

"Wofür sollen die Kammerspiele in Zukunft stehen?"

Brinkmann: Kann man trotzdem sagen vielleicht, ihre Qualitäten passen nicht ganz zu der Ausrichtung des Hauses?
Lilienthal: Ich versuche natürlich auch, das Haus zu erweitern um performancehaftere Spielweisen über Zusammenarbeit mit sehr vielen internationalen Regisseuren und Regiekollektiven. Und ich hätte mir gewünscht, dass sie da ein bisschen mehr Geduld mit hat. Aber was man jetzt natürlich in der medialen Reaktion merkt: Immer wieder kündigen Schauspieler, landauf, landab, auch sehr wichtige und zentrale Schauspieler kündigen auch immer wieder an den Theatern.
Dass das jetzt so eine Rolle spielt in der Diskussion, hat damit zu tun, wie sehr die Stadt München Brigitte Hobmeier liebt, zu Recht, aber es hat auch ein bisschen was damit zu tun mit der Frage: Wofür sollen die Kammerspiele in der Zukunft stehen, wie viel traditionelle Schauspieler und Startheater sollen sie sein und wie sehr werden sie zu einem Institut, wo inhaltliche Dinge verhandelt werden und wo auch der Versuch gemacht wird, andere Ästhetiken neu zu entwickeln?
Brinkmann: So eine Kündigung wie die von Brigitte Hobmeier, stelle ich mir vor, bringt ja doch eine gewisse Unruhe ins Haus, weil, das sind Kollegen, sie ist lange an das Haus gebunden gewesen. Wird denn jetzt offen darüber diskutiert, was man möglicherweise anders machen könnte? Es gibt vielleicht ja auch Empfindlichkeiten bei anderen Schauspielern?
Lilienthal: Wir hatten heute eine Ensembleversammlung, wo genau darüber geredet wird und wo man genau das diskutiert. Also, wie funktionieren diese neuen Ästhetiken und wie fühlt sich das Ensemble und wie fühlen sich die Schauspieler dabei. Und wir sind da in einem sehr offenen Dialog.

"Ich finde die Wirklichkeit sehr disparat"

Brinkmann: Angang der Woche mussten Sie die Premiere von "Unterwerfung" nach Michel Houellebecqs Roman absagen, nachdem der ursprünglich verantwortliche Regisseur ausgestiegen ist und Ihr Hausregisseur Nicolas Stemann die Produktion dann auch nicht mehr retten konnte. Jetzt die Kündigung von Frau Hobmeier. Läuft an den Münchner Kammerspielen nicht vielleicht doch etwas schief?
Lilienthal: Ich finde im Moment die Wirklichkeit der Kammerspiele sehr disparat. Wir hatten jetzt gerade drei Premieren, die extrem gut zusammengekommen sind und die extrem viel Anerkennung erfahren haben mit Yael Ronen, "Point of no return", mit Amir Reza Koohestani mit "Der Fall Meursault" von Kamel Daoud und mit der Trecartin-Premiere. Und da sind uns Sachen außergewöhnlich gelungen und jetzt haben wir an einer anderen Ecke ein paar Schwierigkeiten. Eine Krise sehe ich von Weitem nicht.
Brinkmann: Matthias Lilienthal, Intendant der Münchner Kammerspiele, zur Kündigung der Schauspielerin Brigitte Hobmeier. Sie wird die Kammerspiele zum Ende dieser Saison verlassen, wir haben das Gespräch mit Matthias Lilienthal vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.