Hochkomische Theologie
Nach dem "bewegten Mann" widmet sich der Cartoonist Ralf König in seinem neuen Buch "Prototyp" der Theologie - und das hochkomisch. Der Text stellt eine Collage aus Bibeltexten und Prunkzitaten aus der Geschichte der Freigeisterei dar. Einziger Kritikpunkt an diesem wunderschönen Buch ist die Frakturschrift, in der der Allerhöchste spricht.
König, RalfDer Cartoonist Ralf König ("Der bewegte Mann") hat den tiefsinnigsten Text der westlichen Tradition in seiner Kunstform nachgedichtet. Der Beginn des ersten Buchs Mose, die Erschaffung des Menschen und seine Beseelung, die Dialoge mit der Schlange, Eva, der Sündenfall: Den Kabbalisten galten diese Textstellen als so abgründig, dass nach ihrer Meinung ein frommer Jude sie überhaupt erst mit Mitte 30 lesen sollte.
Aber ist das nicht wohlfeiles Humorkapital? Oder gar - in Zeiten der Religionskonflikte - ein eitles Schielen auf das Prädikat "Zivilcourage"? Der österreichische Karikaturist Haderer wurde vor einigen Jahren noch in Griechenland wegen "Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft" angeklagt, als er "Das Leben Jesu" zum Comic machte.
Haderer war gut, aber es gab und gibt die Nachmacher, die mit platter Religionskritik Zoten reißen. Das funktioniert wie ein Porno: Durch bloßes Transzendieren der Schamgrenzen wird Erregungspotential aktiviert. Diese Art von Religionskritik ist - der Karikaturenstreit hat es gezeigt - nicht sehr konstruktiv.
Ralf König jedoch hat etwas ganz anderes vor. Ziemlich weit weg von seinem frühen Projekt, die ach so verruchte Welt der Schwulen niedlich zu machen (unter Beibehaltung der Primärreize), betreibt er Theologie und ihre Kritik in höchster Präzision, auf höchstem Niveau - und das hochkomisch.
Der Text stellt eine Collage aus Bibeltexten und Prunkzitaten aus der Geschichte der Freigeisterei dar, die aber in der Energie der Bildergeschichte wie aus einem Guss wirken, so gut sind sie ausgewählt und zusammengesetzt: Kant, Feuerbach, Nietzsche, aber auch Hoimar von Ditfurth sprechen aus dem Gehirn des sofort sympathischen Ur-Adam, eben des "Prototyps" von König.
Aber das Gehirn Adams muss erst aktiviert werden, und den richtigen Pegel zu finden ist selbst für den HERRN kein leichtes Unterfangen. Affenartiges Grunzen schlägt allzu leicht in Fundamentalontologie um, und ein herabgedimmter Zustand bringt nur langweiliges Gotteslob hervor, für das König übrigens äußerst originell das Kirchengesangbuch bemüht.
König dichtet auch hinzu: Wir erfahren hier zum Beispiel, dass Adam noch vor der Verführung durch Eva von einem herabgefallenen Erkenntnisapfel genascht hat. So kann König die allmähliche Entstehung der Intelligenz beim Essen erzählen – und das gelingt dem Mitglied der Giordano-Bruno-Gesellschaft ganz vorzüglich.
Wie kann dieser ästhetisch gelungene Resonanzeffekt zwischen heiligem Text, blasphemischer Intelligenz und urkomischem Cartoon zustande kommen? Das liegt - neben der unzweifelhaften Brillanz von Ralf König - auch an der Tatsache, dass die großen Texte der Religionskritik eben sehr oft an der biblischen Urgeschichte ausgerichtet waren, weil hier die fundamentalen Dimensionen der menschlichen Existenz berührt werden.
Ja, ein Jahrtausend früher war es üblich, eine theologische oder philosophische Debatte überhaupt in Form von Auslegungen der Genesis zu führen. Man könnte also so weit gehen, die Traditionen sowohl der Theologie als auch der Religionskritik als Kommentare zum ersten Buch Mose zu lesen - und genau das macht sich Ralf König zunutze.
Der einzige Kritikpunkt an diesem wunderschönen Buch ist die Frakturschrift, in der der Allerhöchste spricht. Zwar wird in einer Nachbemerkung darauf hingewiesen, dass aus Gründen einer besseren Lesbarkeit auf das Fraktur-s verzichtet werde - aber die Vermischung von karolingischer Rundschrift und Fraktur ist ein typografisches Verbrechen.
Rezensiert von Marius Meller
Ralf König: Prototyp
Rowohlt Verlag 2008
110 Seiten, 14,90 Euro
Aber ist das nicht wohlfeiles Humorkapital? Oder gar - in Zeiten der Religionskonflikte - ein eitles Schielen auf das Prädikat "Zivilcourage"? Der österreichische Karikaturist Haderer wurde vor einigen Jahren noch in Griechenland wegen "Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft" angeklagt, als er "Das Leben Jesu" zum Comic machte.
Haderer war gut, aber es gab und gibt die Nachmacher, die mit platter Religionskritik Zoten reißen. Das funktioniert wie ein Porno: Durch bloßes Transzendieren der Schamgrenzen wird Erregungspotential aktiviert. Diese Art von Religionskritik ist - der Karikaturenstreit hat es gezeigt - nicht sehr konstruktiv.
Ralf König jedoch hat etwas ganz anderes vor. Ziemlich weit weg von seinem frühen Projekt, die ach so verruchte Welt der Schwulen niedlich zu machen (unter Beibehaltung der Primärreize), betreibt er Theologie und ihre Kritik in höchster Präzision, auf höchstem Niveau - und das hochkomisch.
Der Text stellt eine Collage aus Bibeltexten und Prunkzitaten aus der Geschichte der Freigeisterei dar, die aber in der Energie der Bildergeschichte wie aus einem Guss wirken, so gut sind sie ausgewählt und zusammengesetzt: Kant, Feuerbach, Nietzsche, aber auch Hoimar von Ditfurth sprechen aus dem Gehirn des sofort sympathischen Ur-Adam, eben des "Prototyps" von König.
Aber das Gehirn Adams muss erst aktiviert werden, und den richtigen Pegel zu finden ist selbst für den HERRN kein leichtes Unterfangen. Affenartiges Grunzen schlägt allzu leicht in Fundamentalontologie um, und ein herabgedimmter Zustand bringt nur langweiliges Gotteslob hervor, für das König übrigens äußerst originell das Kirchengesangbuch bemüht.
König dichtet auch hinzu: Wir erfahren hier zum Beispiel, dass Adam noch vor der Verführung durch Eva von einem herabgefallenen Erkenntnisapfel genascht hat. So kann König die allmähliche Entstehung der Intelligenz beim Essen erzählen – und das gelingt dem Mitglied der Giordano-Bruno-Gesellschaft ganz vorzüglich.
Wie kann dieser ästhetisch gelungene Resonanzeffekt zwischen heiligem Text, blasphemischer Intelligenz und urkomischem Cartoon zustande kommen? Das liegt - neben der unzweifelhaften Brillanz von Ralf König - auch an der Tatsache, dass die großen Texte der Religionskritik eben sehr oft an der biblischen Urgeschichte ausgerichtet waren, weil hier die fundamentalen Dimensionen der menschlichen Existenz berührt werden.
Ja, ein Jahrtausend früher war es üblich, eine theologische oder philosophische Debatte überhaupt in Form von Auslegungen der Genesis zu führen. Man könnte also so weit gehen, die Traditionen sowohl der Theologie als auch der Religionskritik als Kommentare zum ersten Buch Mose zu lesen - und genau das macht sich Ralf König zunutze.
Der einzige Kritikpunkt an diesem wunderschönen Buch ist die Frakturschrift, in der der Allerhöchste spricht. Zwar wird in einer Nachbemerkung darauf hingewiesen, dass aus Gründen einer besseren Lesbarkeit auf das Fraktur-s verzichtet werde - aber die Vermischung von karolingischer Rundschrift und Fraktur ist ein typografisches Verbrechen.
Rezensiert von Marius Meller
Ralf König: Prototyp
Rowohlt Verlag 2008
110 Seiten, 14,90 Euro