Hochkultur im Erotikshop
Filmfans, Regisseure, Drehbuchautoren, Schauspieler, Produzenten sind für die 47. Internationalen Hofer Filmtage ins bayerische Hof gekommen. Gezeigt werden etwa 130 Werke, auf dem Programm stehen sowohl Filme von und mit Oscarpreisträgern als auch Produktionen unbekannter Filmemacher.
So ähnlich wie Christian Schwochow, der mit seinem neuen Spielfilm "Westen" nach Hof gekommen war, sieht es wohl jeder, der einmal diese ganz besonders herzliche Festivalstadt kennenlernen konnte. Ich habe gerade heute Morgen auf dem Weg vom großen Galakino zum Pressebüro noch einmal etwas bemerkt, das beinahe sinnbildlich für dieses Filmtreffen steht: Im Schaufenster eines Erotikshops steht ein männlicher Torso mit heißem Höschen, der am angewinkelten Arm den schwarz-orangen ARTE–Beutel hat.
ARTE ist Hauptsponsor der Filmtage und das Schaufensterbild deutet das Spektrum dessen, was man hier zu sehen bekommt, schon ganz gut an - wenn man diesen Beutel eben auch noch als Wundertüte betrachtet. Es ist sozusagen das pralle Filmleben, das einem hier begegnet: Kurzfilme stehen neben langen, Dokfilme neben Spielfilmen, Noch-No-Names neben Oscarpreisträgern. Und die Themenvielfalt reicht auch von ganz hart bis ganz zart. Und für Überraschungen ist Hof immer gut.
Beschwerte sich am ersten Tag noch die junge Regisseurin des Spielfilms "Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste", Isabell Suba, über das noch immer spärliche Angebot an besonderen Frauenfiguren auf der Leinwand:
"Also nachdem sie sich beschwerte, sah ich eine ganze Menge von richtig starken Frauenfiguren. Angefangen eben bei der Frau, die sich traut, in ihren 50ern nach einer schlechten Diagnose schwimmend den Ärmelkanal bezwingen zu wollen, über die Fußballerin Walaa, die in der palästinensischen und in der israelischen Nationalmannschaft kickt und mit ihren 23 Jahren bisher nicht daran denkt, sich und ihre durchtrainierten Fußballerwaden hinter Stoff verschwinden zu lassen, bis zu Hanna, einer jungen Businesslady, die sich als vermeintlich karrieredienlichen Schritt eine Reise nach Israel organisiert, um dort mit Behinderten zu arbeiten. Dass aus Israel eine andere Hanna zurückkommen wird, ahnt man natürlich. Aber die Begegnungen und Ereignisse, die das bewirken, die sind durchaus überraschend und gut erzählt."
Und dann eben die Hauptfigur aus Christian Schwochows Film "Westen" nach Julia Francks "Lagerfeuer" - diese Nelly, die mit ihrem kleinen Sohn in den 70er-Jahren aus der DDR weggeht, zunächst in ein Auffanglager kommt und dort gewaltig aneckt. Der Film eröffnet nach DDR-Komödien und vornehmlich Stasitragödien ein neues Kapitel, das auch in Hof sofort Debatten auslöste, was den Regisseur nicht wundert. Für ihre Darstellung der Nelly hat Jördis Triebel in Montreal übrigens gerade den Preis als beste Hauptdarstellerin bekommen.
Ein Film, der bei mir noch ganz lange nachwirken wird, ist "Splitter Afghanistan" von Helga Reidemeister. Niederschmetternd diese Dokumentation über Alltag und bittere Armut in Afghanistan nach all den Kriegen. Im Mittelpunkt steht ein Rehazentrum für Menschen aller Altersgruppen, denen Minen, Beine abgerissen haben und die jetzt Prothesen angepasst kriegen, darunter kleine Kinder. Die Dokumentaristin war mit ihrem Kameramann und Tonleuten seit 2002 acht mal dort und das Resümee der 73-Jährigen ist deprimierend.
Das Schöne an Hof ist, dass man viele Arbeiten von Studenten sehen kann - ganz interessante Geschichten darunter. Allerdings haben die oft eine Anmutung von Versuchsanordnung, immer einen Tick zu theoretisch, sodass man dann leider eben auch keine Nähe zu den Figuren kriegt. Man möchte da manchmal auf die Bühne rufen: Jetzt löst Euch doch einfach mal von Euren Hochschuldiskursen übers Filmemachen!
Einen Film fanden übrigens alle großartig – alle, die zum ersten Mal bei den Hofer Filmtagen, zum ersten Mal seit, tja, wohl überhaupt, ohne Mantel draußen sitzen konnten wegen der sommerlichen Temperaturen Ende Oktober. Sie waren fasziniert von Jeff Orlowskis Chasing Ice, dem Film, der das Schmelzen der Polkappen durch die Erderwärmung dokumentiert.
ARTE ist Hauptsponsor der Filmtage und das Schaufensterbild deutet das Spektrum dessen, was man hier zu sehen bekommt, schon ganz gut an - wenn man diesen Beutel eben auch noch als Wundertüte betrachtet. Es ist sozusagen das pralle Filmleben, das einem hier begegnet: Kurzfilme stehen neben langen, Dokfilme neben Spielfilmen, Noch-No-Names neben Oscarpreisträgern. Und die Themenvielfalt reicht auch von ganz hart bis ganz zart. Und für Überraschungen ist Hof immer gut.
Beschwerte sich am ersten Tag noch die junge Regisseurin des Spielfilms "Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste", Isabell Suba, über das noch immer spärliche Angebot an besonderen Frauenfiguren auf der Leinwand:
"Also nachdem sie sich beschwerte, sah ich eine ganze Menge von richtig starken Frauenfiguren. Angefangen eben bei der Frau, die sich traut, in ihren 50ern nach einer schlechten Diagnose schwimmend den Ärmelkanal bezwingen zu wollen, über die Fußballerin Walaa, die in der palästinensischen und in der israelischen Nationalmannschaft kickt und mit ihren 23 Jahren bisher nicht daran denkt, sich und ihre durchtrainierten Fußballerwaden hinter Stoff verschwinden zu lassen, bis zu Hanna, einer jungen Businesslady, die sich als vermeintlich karrieredienlichen Schritt eine Reise nach Israel organisiert, um dort mit Behinderten zu arbeiten. Dass aus Israel eine andere Hanna zurückkommen wird, ahnt man natürlich. Aber die Begegnungen und Ereignisse, die das bewirken, die sind durchaus überraschend und gut erzählt."
Und dann eben die Hauptfigur aus Christian Schwochows Film "Westen" nach Julia Francks "Lagerfeuer" - diese Nelly, die mit ihrem kleinen Sohn in den 70er-Jahren aus der DDR weggeht, zunächst in ein Auffanglager kommt und dort gewaltig aneckt. Der Film eröffnet nach DDR-Komödien und vornehmlich Stasitragödien ein neues Kapitel, das auch in Hof sofort Debatten auslöste, was den Regisseur nicht wundert. Für ihre Darstellung der Nelly hat Jördis Triebel in Montreal übrigens gerade den Preis als beste Hauptdarstellerin bekommen.
Ein Film, der bei mir noch ganz lange nachwirken wird, ist "Splitter Afghanistan" von Helga Reidemeister. Niederschmetternd diese Dokumentation über Alltag und bittere Armut in Afghanistan nach all den Kriegen. Im Mittelpunkt steht ein Rehazentrum für Menschen aller Altersgruppen, denen Minen, Beine abgerissen haben und die jetzt Prothesen angepasst kriegen, darunter kleine Kinder. Die Dokumentaristin war mit ihrem Kameramann und Tonleuten seit 2002 acht mal dort und das Resümee der 73-Jährigen ist deprimierend.
Das Schöne an Hof ist, dass man viele Arbeiten von Studenten sehen kann - ganz interessante Geschichten darunter. Allerdings haben die oft eine Anmutung von Versuchsanordnung, immer einen Tick zu theoretisch, sodass man dann leider eben auch keine Nähe zu den Figuren kriegt. Man möchte da manchmal auf die Bühne rufen: Jetzt löst Euch doch einfach mal von Euren Hochschuldiskursen übers Filmemachen!
Einen Film fanden übrigens alle großartig – alle, die zum ersten Mal bei den Hofer Filmtagen, zum ersten Mal seit, tja, wohl überhaupt, ohne Mantel draußen sitzen konnten wegen der sommerlichen Temperaturen Ende Oktober. Sie waren fasziniert von Jeff Orlowskis Chasing Ice, dem Film, der das Schmelzen der Polkappen durch die Erderwärmung dokumentiert.