Hochwasser-Helfer an der Ahr
Nach dem Wüten der Elemente: zerstörtes Haus an der Rotweinstrasse im Ahrtal. © imago / blickwinkel / S.Ziese
Der "Kümmerer" von Marienthal
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Fünf Monate nach dem Ahr-Hochwasser ringt das Dorf Marienthal mit dem Wiederaufbau. Ein Polizist hat sich dafür vom Dienst freistellen lassen. Rolf Schmitt kümmert sich schlicht um alles - und macht den Einwohnern Mut.
Marienthal hat neben der Verwüstung durch die Flutkatastrophe ein weiteres Problem: „Wir haben zwar nur hundert Einwohner, aber wir sind geteilt.“ Rolf Schmitt, Stoppelhaarschnitt und Brille mit Silberrand, zeigt einmal ahraufwärts und einmal flussabwärts:
„Der Teil gehört zu Bad Neuenahr, der Teil gehört zu Dernau. Die Bürgermeister rechts und links wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht. Und ich habe angefangen, hier ein bisschen zu organisieren, und plötzlich sagen der Gregor und der Fred: 'Rolf, Du machst das schon'“, zitiert Schmitt die zuständigen Kommunalpolitiker. „Und seitdem mache ich.“
Bagger dirigieren, Holz machen, Gespräche ansetzen
„Kümmerer“ nennt sich Rolf Schmitt, der einen dicken Anorak und schwere Schuhe trägt, Arbeitsklamotten. Kurz vor der Flutkatastrophe wurde er 60. Er kümmert sich „um alles“. Baggerfahrer dirigieren, Holz machen für die Heizöfen, Essensverpflegung im zerstörten Dorf.
Mit Essenszelt und Container-Dorfhaus organisierte Schmitt die Voraussetzungen für regelmäßige Gesprächsrunden. Denn Marienthal ist zwar geteilt. Aber: „Das Dorf selber hat einen Zusammenhalt, wie er besser nicht sein könnte.“
Die Kommunikation ist lebendig. Viele Marienthaler wollten trotz zerstörter Häuser gern im Ort bleiben, Rolf Schmitt organisierte ein Dutzend beheizte Wohncontainer, einen Waschsalon, zwei riesige Seecontainer als Gemeinschaftsschränke für Geräte und Putzmittel. Gemeinsam mit dem örtlichen Energieversorger außerdem Strom.
Eine neue Mitte für Marienthal
„Der Mann war super hier. Wenn der nicht gewesen wär', wäre es hier noch nicht so,“ sagt die Marienthalerin Marianne Hansen über den "Kümmerer", der vor der Flutkatastrophe einen anderen Job hatte. „Im richtigen Beruf bin ich Polizist“, sagt Schmitt.
Vor 44 Jahren fing er beim damaligen Bundesgrenzschutz an, 2005 umbenannt in Bundespolizei. Einige Jahre arbeitete er als Personalratsvorsitzender. Nach der Flutkatastrophe stellte die Bundespolizei den 60-Jährigen als Wiederaufbau-Koordinator frei - zunächst bis Ende des Jahres.
Schmitt hat Verlängerung beantragt bis Sommer 2022. Er will die großen Projekte im kleinen Dorf noch zu Ende begleiten. Eines davon: die neue Mitte von Marienthal - mit Spielplatz und Arkaden mit Weinreben.
Hilfe kommt auch von auswärts. „Hier haben wir mittlerweile einen Kontakt in den Donau-Ries-Kreis", erklärt Schmitt. "Die dortige Zimmereifachschule will für Marienthal ein kleines Dorfhaus bauen. Und das soll dann im Rahmen der Dorferneuerung zentral mit auf den Platz, an dem wir gerade stehen.“
Solarzellen im Weinberg
Im Januar ist eine erste Bürgerversammlung zum Wiederaufbau geplant. Das Bopparder Unternehmen "Stadt Land plus" begleitet und systematisiert die Erneuerung des zerstörten Dorfes.
Weiter oben am Hang soll ein hochwassersichereres Holzpellets-Heizkraftwerk entstehen, ergänzt durch Solarzellen im besonnten Weinberg: die erste CO2-neutrale Dorfwärme im Ahrtal.
„Laut Aussage der Fachleute ist es vollkommen realistisch, das bis zur Heizsaison 2022/23 zu realisieren", sagt Schmitt. "Und das wird die Leute tierisch entlasten, denn dann muss sich keiner mehr einen Kopf machen: Was für eine Heizung nutze ich?“
30 von 32 Hausbesitzern wollen mitmachen und sich zu einer Betreibergenossenschaft zusammenschließen, 40 Wohnungen könnten an die Dorfwärme angeschlossen werden. Realisieren soll das Projekt ein erfahrenes Ingenieurbüro, das schon Modellprojekte im Hunsrück aufbaute.
Schmitt wohnt auch selbst im Container
„Man kann das Ganze als Katastrophe sehen oder als Chance, und das versuchen wir hier im Kleinen“, sagt der "Kümmerer", der selbst mit seiner Frau im Container lebt, weil sein Haus wie fast alle anderen in Marienthal Mitte Juli bis zum zweiten Stock mit Wasser volllief.
Schon in den kommenden Tagen werden die Gebäudehüllen im Dorf vermessen. Das ist die Grundlage, um zu ermitteln, welche Heizkosten im Zug der Dorfwärme auf den einzelnen Haushalt zukommen.
Die rheinland-pfälzische Landesregierung von Malu Dreyer hat Fördermittel zugesagt, doch die dürfen nicht mit Bundesmitteln kombiniert werden. Rolf Schmitt will nicht lockerlassen, bis das möglich wird.
Der Macher ist berüchtigt für seine Hartnäckigkeit. „Kampfschwein“ nennt ihn einer aus dem Nachbardorf. Und meint das als Kompliment.