Nach der Hochwasserkatastrophe

Verlag kämpft mit den Schäden der Flut

05:42 Minuten
Mit Schlamm bedeckte Bücher liegen auf einem Haufen
Nur noch Müll: Bücher aus dem überfluteten Archiv der Wissenschaftsverlage Velbrück. © Velbrück-Verlage
Von Cornelia Wegerhoff |
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Durch das Hochwasser im Sommer wurden auch die Räumlichkeiten der Wissenschaftsverlage Velbrück zerstört. Noch immer ist das Unternehmen weit entfernt vom Normalbetrieb, will aber so viele Neuerscheinungen wie in anderen Jahren veröffentlichen.
Die Handwerker sind immer noch da. Mit schwerem Gerät wird nasser Putz von den Wänden geholt, werden Balken freigelegt, aufgeplatzter Bodenbelag wird herausgerissen. Staub und muffiger Geruch hängen in der Luft. Auch vier Monate nach der Hochwasserkatastrophe herrscht auf dem Velbrück-Hof in Weilerswist-Metternich immer noch der Ausnahmezustand. Und der Dauerlärm quält.
„Wenn es nicht diese Maschinen sind, dann sind es Bosch-Hämmer", sagt der Verleger Andreas von Stedman. "Manchmal kommt auch der Bagger und muss was wegbaggern. Oder das Quietschen von aufgenommenen Containern, die über den Boden schrappen, ist auch besonders 'erfreulich'.“

Einen Ort der Kultur retten

Stedman übt sich in Ironie. Gleichzeitig ist er froh über jeden Handwerker, den er finden kann, um Veranstaltungsräume, Büros und das große Buchlager endlich wieder nutzbar zu machen. Der Jahrhunderte alte Velbrück-Hof, einst Stammsitz der Fürstenfamilie Metternich, ist zum einen ein Kulturtreff, in dem zu Lesungen und Konzerten eingeladen wird, zum anderen aber auch Sitz des Verlagshauses, das er mitbegründet hat:
„Wir haben erst mal als Versandbuchhandlung gegründet vor etwa 35 Jahren und haben dann den Verlag hier etabliert und sukzessive aufgebaut, mit unterschiedlichen Labels: 'Velbrück Wissenschaft' und 'Von Hase & Koehler' sind Wissenschaftsverlage. Der 'Dittrich Verlag' ist ein Literatur- und Sachbuchverlag. Der 'Barton Verlag' hat ein regional ausgerichtetes Programm.“
Nach dem Hochwasser steht der Velbrück-Hof unter Wasser
Land unter: die Verlagsgebäude auf dem Velbrück-Hof nach der Flut.© Velbrück-Verlage
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli stand alles meterhoch unter Wasser. Die Swist, ein kleiner Bach, der jetzt wieder sanft am Rande des Grundstücks dahinplätschert, hatte sich in reißende Fluten verwandelt.
"Sie muss vom Bett aus gerechnet sechs, sieben Meter hoch gewesen sein", sagt Stedman, "Sie sehen ja hier die Wasserlinien, die hier im Hof immer so um die drei Meter sind.“

Schwimmende Autos, zerstörte Bücher

Als das Wasser hüfthoch stand, konnte Andreas von Stedman gerade noch die Festplatten der Verlagscomputer retten. Aber danach musste sich der 61-Jährige in der ersten Etage in Sicherheit bringen. Hilflos musste er zusehen, wie Firmenautos und Gabelstapler plötzlich über das Gelände schwammen, sämtliche Räume im Erdgeschoss bis unter die Decke vollliefen. Das Wasser war zwar schon einen Tag später wieder weg, aber:
„Wir haben hier tonnenweise Schlamm rausgeholt. Es war natürlich alles umgekippt, alles kaputt.“ Auch große Mengen Bücher.

Verlorenes Antiquariat

"Jetzt gehen wir mal ins Lager. Sie hören das Rauschen der Trockengeräte, und Sie sehen: Einfach alles ist abgebaut worden, Metallregale mit Holzböden, da sind die ganzen Holzböden kaputt. Wie Sie hier zum Beispiel sehen, haben auch in den oberen Etagen die Bücher das Wasser gezogen. Dieses Lager ist zu 100 Prozent vernichtet worden, und das waren etwa 25.000 Bücher. Es lag alles kreuz und quer, durcheinander, verschlammt, nass – eklig.“
Der Anblick des Bücherberges, den die Helferinnen und Helfer auf dem Hof aufhäuften, sei für alle erschütternd gewesen, berichtet Andreas von Stedman.
Eine Etage höher läuft die Verlagsarbeit für die vier Literaturlabel – wie es scheint – wieder normal. Verlagsleiterin Marietta Thien wartet gerade auf druckfrische Bücher. Vorfreude und Ungeduld mischen sich. Bisher konnten alle Erscheinungstermine gehalten werden, sagt Thien, aber von „Normalbetrieb“ könne leider noch nicht die Rede sein.
Die Bücher aus dem überfluteten Verlagsarchiv sind alle zerstört.
Versunken im Schlamm: Bücher im überfluteten Verlagsarchiv.© Velbrück-Verlage
Es gibt immer noch keine feste Internetverbindung. Das Verlagsteam improvisiert mit Handys, und unter den wenigen Schreibtischen hier stehen nach wie vor Kabeltrommeln. Man versorgt sich noch immer mit Notstrom.

„Über Jahre gesammelte Schätzchen, Kunst, Reiseführer, Kunst, Kataloge und so weiter, die wir über Online-Plattformen verkauft haben. Und die sind einfach weg.“ 

Die meisten der zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten deshalb im Homeoffice. 60 Neuerscheinungen gibt es jährlich. Das will man auch im Katastrophenjahr schaffen. Das moderne Antiquariat ist jedoch verloren, sagt Thien:
„Über Jahre gesammelte Schätzchen, Kunst, Reiseführer, Kunst, Kataloge und so weiter, die wir über Online-Plattformen verkauft haben. Und die sind einfach weg.“ 

Crowdfunding-Kampagne für den Wiederaufbau

Ans Aufgeben habe er trotzdem nie gedacht, sagt Verleger Andreas von Stedman. „Als ich in der Brühe stand, habe ich entschieden aufzubauen, aber auch entschieden, dass wir Ressourcen sparen müssen. Es ist einfach eine Kostenfrage.“ 
Denn die Hochwasserschäden gehen in die Millionen. Eine GoFundMe-Kampagne soll beim Wiederaufbau des „Kulturhofes Velbrück“ und der vier Verlage helfen. In Dresden habe der FriedrichstaTT-Palast sogar schon eine Benefizveranstaltung organisiert. Die Solidarität sei beeindruckend, so von Stedman. Aber die Sorgen wiegen weiter schwer:
„Solange, bis durch Versicherer und / oder Landesmittel diese Beträge nicht abgedeckt sind, geht es natürlich immer noch um die Existenz", sagt Andreas von Stedman. "Wir liegen noch, um es medizinisch zu sagen, an der Herz-Lungen-Maschine.“
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