Hochwasserschutz

Dem Wasser mehr Raum geben

Elbufer bei Dresden: Schiffe der Sächsischen Dampfschiffahrt liegen am Terrassenufer in Dresden (Sachsen). Foto: Arno Burgi/ZB
Elbufer bei Dresden © dpa / Arno Burgi
Von Manuel Waltz |
Asphaltwüsten und begradigte Flüsse können zur Katastrophe führen: Zwei Jahrhunderthochwasser hat Dresden innerhalb weniger Jahre erlebt. Nun hat die Stadt alte Industrieflächen entsiegelt, Flüsse renaturiert. Auch in anderen Städten hat ein Umdenken beim Hochwasserschutz eingesetzt.
Die Stadt Leipzig steht auf ehemaligem Sumpfgebiet, mehrere große und kleine Flüsse fließen hier zusammen. Sie alle wurden begradigt, das Land trockengelegt, um Häuser darauf zu errichten.
"Was man hier rechts und links sieht, sind halt Dämme, die einen entsprechenden Hochwasserschutz bieten sollen."
Dagmar Haase ist Professorin für Landschaftsökologie und hat den Wasserhaushalt Leipzigs über längere Zeit untersucht. Sie steht an der Uferböschung der Weißen Elster, dem größten Fluss der Stadt.
"Und das ist im Moment eine große Diskussion, weil: Wenn wir weiter Starkniederschläge mit sehr, sehr großen Wassermengen in sehr kurzer Zeit haben, dann kann es sein, dass selbst so ein großes Gewässer, was ja offensichtlich viel Schutz bietet, doch irgendwann mal vollläuft."
Eine Stadt muss sich zum einen gegen Hochwasser ihrer Bäche und Flüsse schützen, zum anderen aber sind in einer Stadt riesige Flächen versiegelt. Das Regenwasser bleibt an der Oberfläche, statt zügig zu versickern. Gerade bei Starkregen ist das ein großes Problem, weil in kurzer Zeit enorme Wassermassen zusammenkommen.

Naturnahe Ansätze sind gefragt

Keller laufen dann voll, Kanäle laufen über und Gullydeckel drückt es auf. Dagmar Haase hat herausgefunden, dass sich in Leipzig die Menge dieses Oberflächenwassers seit 1940 verdreifacht hat. Und die Stadt wächst weiter. Immer neue Flächen werden versiegelt, die Situation verschärft sich.
"Wenn man große Flächen, wie im Norden von Leipzig, die neuen Gewerbeflächen, ich möchte jetzt gar nicht aufzählen, wer das ist, bis, zum Teil zwischen 350 und 400 Millimeter mehr Oberflächenabfluss entsteht auf bestimmten Flächenanteilen, als vorher - und dann kann man sich natürlich vorstellen, dass wir unseren Wasserkreislauf extrem beschleunigt haben."
Seit einiger Zeit hat ein Umdenken in Sachen Hochwasserschutz eingesetzt. Setzte man früher vor allem darauf, die Natur zurückzudrängen, Wasser zu kanalisieren und Flüsse zu begradigen, so setzt man heute eher auf das Gegenteil: Nature based Solutions, naturnahe Lösungsansätze nennen Wissenschaftlerinnen wie Dagmar Haase das.
"Die Natur zum Vorbild nehmen, um Wasser einfach ganz normal im Boden versickern zu lassen. Also, dieses Ungleichgewicht zwischen Versickerung und Oberflächenabfluss wieder ein klein bisschen zurechtzurücken."
Das können einfache Ansätze sein, beispielsweise, dass bei Neubauten an der Hauswand ein Streifen des Gehwegs nicht betoniert, sondern bepflanzt wird. Hier kann Wasser, das an der Wand abläuft, versickern. Aber auch Flüsse sollen wieder natürlicher werden.
Dagmar Haase ist ein Stück entlang der Elster weiter gelaufen, hier teilt sich der Fluss in Luppe und Weiße Elster. Auch die Luppe wurde begradigt und eingedeicht, das will man nun wieder rückgängig machen.
"Man ist jetzt dabei, Stück für Stück, dieses künstliche Bett, was die alten Flussbetten auch noch schneidet, wieder herzustellen. Damit schafft man durch sogenannte Mäander oder kleine Schlenker viel, viel mehr Fließstrecke, und damit wird das Wasser entsprechend einmal langsamer und zum anderen aber es kann auch viel mehr Wasser insgesamt aufnehmen, und der Retentionsraum vergrößert sich."
Lebendige Luppe heißt dieses Projekt in Leipzig und ist Teil des Hochwasserschutzkonzepts der Stadt.

"Dem Wasser Raum geben für Überflutungen"

Ortswechsel:
"Ordentliche Niederschläge können ordentliche Schäden machen."
Diese bittere Erkenntnis hat man in Dresden gemacht. Zwei Jahrhunderthochwasser innerhalb weniger Jahre haben Schäden in Milliardenhöhe verursacht. In beiden Fällen kamen verschiedene ungünstige Umstände zusammen: Zeitgleich hatte man Hochwasser in der Elbe und in anderen Gewässern - verbunden mit Starkregen, der die Kanäle überlaufen ließ.
Die Stadt hat reagiert: Werden heute Flächen neu versiegelt, so müssen die Investoren dafür sorgen, dass nicht mehr Wasser als vorher an der Oberfläche verbleibt, sie müssen Sickerräume schaffen. Zudem hat man das gesamte Kanalsystem vermessen und begutachtet, neue Rückstaubecken gebaut, um Wasser auffangen zu können. Und auch in Dresden hat man, soweit das in einer Stadt möglich ist, naturnahe Lösungsansätze gewählt, wie der Leiter des Umweltamtes, Christian Korndörfer, berichtet.
"Da haben wir ein Konzept entwickelt, das heißt kompakte Stadt. Wir wollen also die Siedlungskerne, die wir haben, eher nachverdichten, aber einbetten in ein Netz von Freiräumen in das sogenannte ökologische Netz, das viele Funktionen hat; unter anderem, Wasser zu versickern, aber auch, - das Gerüst bilden unsere Gewässer - dem Wasser Raum zu geben für Überflutungen. Und wir lenken sogar jetzt in bestimmten Kanalabschnitten, wo wir wissen, da kann es Überstau geben, lenken in diese Grünräume dann den Überstau aus der Kanalisation."

Hochwasserschutz - eine Geldfrage

Bereits kurz nach den Hochwassern hat man begonnen, Flüsse und Bäche, die unterirdisch durch Betonkanäle geleitet wurden, wieder freizulegen und ihnen Raum zu geben. Die Stadt hat zudem Brachen aufgekauft und dort Grünflächen geschaffen, alte Industrieanlagen wurden abgerissen und entsiegelt, sodass das Wasser wieder versickern kann.
All das hat sehr viel Geld gekostet, doch angesichts der enormen Schäden der beiden Jahrhunderthochwasser wurden viele Millionen Euro bereitgestellt. Nicht jede Gemeinde in Deutschland kann das, das sieht auch Christian Korndörfer so.
"Viele Kommunalverwaltungen sind personell und finanziell so ausgezehrt, dass sie nur noch das das Nötigste machen können. Die werden das nicht leisten können."
Christian Korndörfer geht davon aus, dass die meisten Kommunen in Deutschland mit mehr Starkregen in den kommenden Jahren rechnen müssen. Die Stadt stellt sich darauf ein, richtet den Stadtumbau darauf aus. Doch längst nicht alle Kommunen haben den Klimawandel im Blick.
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