Schaden macht klug - ein bisschen jedenfalls
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2002 überflutete ein verheerendes Hochwasser Dresden. Bis heute haben die Einwohner dieses Ereignis nicht vergessen. Aber die Lehren, die man aus der Katastrophe ziehen wollte, werden nicht immer umgesetzt.
"Wir haben das eigentlich immer präsent", sagt Wolfgang Deppe, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Stadtrat von Dresden. "Wir haben am Samstag einen ziemlichen Starkregen auch gehabt. Da waren wir dann auch an der Elbe und haben uns gesagt: So ging das 2002 auch los. Da werden die Erinnerungen sofort wach."
Dabei ist Wolfgang Deppe damals noch glimpflich davongekommen. Nur der Keller war vollgelaufen, die Wohnung darüber blieb trocken, anders als bei vielen Nachbarn.
Deppe steht am alten Neustädter Elbhafen in Dresden. Auch hier stand 2002 alles unter Wasser. Nach der Flut wurde ein einstiges Zollgebäude an der Kaimauer abgerissen. Es sollte die Elbe im Falle eines neuen Hochwassers nicht zusätzlich aufstauen. Doch direkt neben dem alten Hafenbecken drehen sich die Baukräne. In der sogenannten Hafencity entstehen hochpreisige Wohnungen direkt am Wasser. Die ersten sind schon fertig.
"Das ist eine ganz tolle Lage hier an der Elbe. Man ist innenstadtnah, man hat eine schöne Aussicht auf die Elbe, auf die Innenstadt", sagt Deppe. "Das Problem ist nur, dass das Ganze eigentlich im Überflutungsbreich der Elbe liegt. Wenn wir wieder so ein Jahrhunderthochwasser bekommen wie 2002, dann bekommen die Bewohner nasse Füße. Es werden dann die Keller überflutet, durchaus auch das Erdgeschoss, vielleicht sogar ins erste Stockwerk."
Bauinteressen bringen den Stadtrat ins Schwanken
Dabei war eine der Schlussfolgerungen nach dem Hochwasser 2002, dass in Überschwemmungsgebieten keine neuen Gebäude mehr gebaut werden sollen. Allerdings haben die Kommunen Entscheidungsspielraum.
"Je länger diese Hochwasserlagen her sind, desto mehr gerät das in Vergessenheit", sagt Deppe. "Es sind dann solche Bauinteressen, die dann auch den Stadtrat und die Verwaltung ins Schwanken kommen lassen. Dann vergisst man auch die Bekenntnisse, die man gemacht hat, für mehr Fläche für den Fluss."
Dresden hat sich besonders strenge Hochwasserschutzregeln auferlegt, sagt die Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen, ebenfalls von den Grünen. In der Hafencity wurde das Areal auf ein höheres Niveau aufgeschüttet. Eine Mauer soll den dahinter liegenden Stadtteil schützen. Die Überflutungsfläche, die dadurch verloren geht, soll ausgeglichen werden.
"An anderer Stelle wird von der Hangkante des Ufers in Dresden so was abgebaggert, sodass der Fluss sich mehr ausbreiten kann. Ich denke, das ist modellhaft."
Technischer Hochwasserschutz massiv ausgebaut
Außerdem sollen Flächen nicht mehr versiegelt werden, damit Regenwasser versickern kann. "Wir haben ein sehr strenges Modell zum Ausgleich, wo wir zu jeder Neubebauung Ausgleichsflächen bemessen", erläutert Jähnigen. "Wir setzen auf Gründächer und aufnahmebreite Böden. Und das alles hilft, Schäden abzumildern oder zu verhindern."
Vor allem aber wurde der technische Hochwasserschutz massiv ausgebaut: Deiche wurden erhöht, Staumauern gebaut, mobile Sperrwände installiert. Seit 2002 wurden in Sachsen 3,6 Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert. Das Bett der Weißeritz in Dresden wurde verbreitert und vertieft, um dem Fluss mehr Raum zu geben.
Die neuen Schutzmauern sollen nicht nur wie üblich einem hundertjährigen Hochwasser standhalten, sondern auch noch höheren Wassermengen, die statistisch nur alle zweihundert Jahre auftreten. "Manchmal erstaunen sich die Menschen. Wir haben nach den Dürrejahren viele Anfragen bekommen: Wieso plant ihr so große? Aber das sind eben die Extreme des Klimawandels. Wir müssen uns auf beides einstellen", sagt Jähnigen.
Jahrelanger Streit über das richtige Schutzkonzept
Doch abgeschlossen ist der Ausbau der Schutzanalagen auch 20 Jahre nach der verheerenden Flut nicht. Laut dem sächsischen Umweltminister Wolfram Günther sind erst drei Viertel der im ganzen Land geplanten Baumaßnahmen umgesetzt: "Wie es immer so ist, die schwierigsten Sachen bleiben natürlich übrig."
Wie im Dresdener Ortsteil Laubegast. Jahrelang stritten Anwohner, die Stadt und das Land über das richtige Schutzkonzept. Wie hoch darf eine Mauer sein, versperrt sie doch den Elbblick? Anfang Juli wurde das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen – fast 20 Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser. "Ich denke mal, dass man 2027 soweit ist, dass das realisiert ist", sagt Wolfgang Deppe.
Und selbst dann: Absolute Sicherheit beim Hochwasserschutz gibt es auch in Dresden nicht. "Es ist einiges getan worden, insbesondere der Schutz der Innenstadt ist verbessert worden, aber nicht gefeit, dass wir das so erleben, wie wir es jetzt schon zweimal erlebt haben."