Hochzeitskapelle: "The World Is Full Of Songs"

Rumpeljazz mit Tuba und Mini-Klavier

Cover: "The World Is Full Of Songs" von Hochzeitskapelle (Ausschnitt)
"The World Is Full Of Songs" ist das erste Album der Hochzeitskapelle. © Gutfeeling Records
Von Tobias Ruhland |
Eigentlich war die Hochzeitskapelle als einmaliges, spontanes Projekt gedacht: vor vier Jahren gegründet für die Hochzeitsfeier des umtriebigen Weilheimer Musikers Markus Acher. Nun hat das Quintett sein erstes Album "The World Is Full Of Songs" aufgenommen.
Markus Acher: "Hochzeiten sind ja so Anlässe, wo man zusammen kommt und wo wahnsinnig viel passiert. Eigentlich sehr intensive Momente, wo man sich das ganze Leben dran erinnert, dramatische Augenblicke, die einen kommen zusammen, die anderen trennen sich, viel Soziales kommt zusammen und explodiert auf eine Art. So sehe ich die Hochzeitskapelle auch."
So erzählt es Markus Acher, für dessen eigene Hochzeit sich vor vier Jahren die Hochzeitskapelle gegründet hat. Ein Quintett um das Brüderpaar Markus und Micha Acher, das man vor allem von der Weilheimer Indie-Elektronik-Band The Notwist kennt. Statt ausgefeilter Arrangements und perfekt inszenierter Lichteffekte schätzen die Achers bei der Hochzeitskapelle den Reiz des Unaufwendigen, die Kraft des Unverstärkten der Hochzeitskapelle. Tuba, Banjo, Bratsche, Sousaphon, Posaune, Glockenspiel, Mini-Klavier – mehr braucht's nicht.
Evi Keglmair: "Diese Band hat von Anfang an gut funktioniert. Das war sehr stimmig, ohne dass wir viel geprobt hätten. Es klingt arrangierter als es ist. Wir improvisieren da relativ viel, trotzdem ist es so stimmig. Lebt vom Aufeinander-Hören. Man fühlt sich da sehr schön gehört bei dieser Band."

Lieblingslieder aus allen Ecken der Welt

Als folkloristisch-elegischen Rumpeljazz beschreibt Evi Keglmair – bekannt auch vom Damentrio Mrs. Zwirbl – den Sound der Hochzeitskapelle, in der sie Bratsche und Tuba spielt:
"Vielleicht ist es einfach dieses – weil wir uns jetzt nicht zum Ziel setzen, so drüber zu sein, super Party-Stimmung zu machen. Da ist schon sehr viel Freude mit dabei, aber da sind auch so ganz elegische Momente dabei. Und vielleicht, weil das diese Bandbreite abdeckt, fühlen sich Leute ganz gut verstanden dabei."
"The World Is Full Of Songs", das Debüt der Hochzeitskapelle, besteht fast ausschließlich aus Coverversionen. Lieblingslieder der Bandmitglieder aus verschiedenen Epochen und Ecken dieser Welt. Japanische Hochzeitslieder, Walzer aus Venezuela, französische Abschiedschansons oder jamaikanische Ska- und Calypsostandards. Und weil die wichtigen Worte ja bereits in der Kirche oder auf dem Standesamt gesprochen wurden, kommt die Hochzeitskapelle auch fast komplett ohne Gesang aus.
Markus Acher: "Stücke, die gut funktionieren, haben oft eine eher traurige Melodie, erzählen so eine Geschichte, wo man zuhören kann, und sich vielleicht irgendwie sich selber drin findet. Sachen, die man erlebt hat. Auf jeden Fall erzählen sie eine Geschichte. Und in dem meisten Fällen sind sie auch Lieder, die wir instrumental spielen. Es berührt einen irgendwie, aber gleichzeitig hat es eine sehr mitreißende Rhythmik."

Sechsstündiges Konzert zur Albumpräsentation

Die vielen Improvisationsmomente und das Hochzeits- oder Gastwirtschaftspublikum bei Auftritten der Hochzeitskapelle muss man sich auf dem Album freilich dazu denken – bis hin zu den Überraschungsmomenten, in denen die Bandmitglieder die kleinen Schlagzeug-Becken sich gegenseitig vor die Füße oder auf die Tanzfläche werfen. Über sechs Stunden zog sich das Konzert der Hochzeitskapelle zur Plattenvorstellung hin. Und das kam laut Evi Keglmaier so:
"Wir als die Musik, wir sind nicht immer die Hauptperson, sage ich mal. Das ist alles so ein Miteinander aus dem Raum, wo wir sind, aus den Menschen, die da sind. Dass dort, wo wir spielen, einfach Zeit ist, um zu essen, und dass es Gutes zu essen gibt. Das sind schon alles rundum sehr sinnenfreudige Abende, wo wir sind, wo einfach die Atmosphäre passt, das Licht. Das ist immer so ein Hauch Musiktherapie."
Genau das meint auch Markus Acher, der Hochzeitskapellenschlagzeuger und sonstwie Herumraschler, wenn er die Hochzeitskapelle als "soziale Musik" bezeichnet. Das macht es natürlich auf der anderen Seite schwer, diesen Sound, der so sehr von der Atmosphäre des Moments und dem ganzen Drumherum lebt, auf Platte zu bannen und auf CD-Länge zu kürzen und buchstäblich zu sterilisieren.
In der Summe ist "The World Is Full Of Songs" tatsächlich so wie eine gut funktionierende Ehe: Gegenseitiges Verständnis ohne großes Gerede, dafür haben alle den gleichen Rhythmus. Hin und wieder rumpelt es, aber über allem stehen letztendlich Euphorie und Harmonie.
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