David Hockney und Martin Gayford: Die Welt der Bilder für Kinder
Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Koch
Midas Verlag, Zürich 2019
128 Seiten, 19,90 Euro
Der Dackel im Kunstatelier
05:53 Minuten
Die Mona Lisa neben Marlene Dietrich, die Renaissance neben der PopArt: In ihrem Buch "Die Welt der Bilder für Kinder" zeigen der Maler David Hockney und der Kunstkritiker Martin Gayford interessante Verbindungslinien auf. Unterhaltsam und lehrreich.
Was für ein seltsames Gemälde. In einem altmodischen Zimmer steht ein ungelenkes Paar in komischen Roben: er mit Hut und sie mit weißem Schleier. Ein Hündchen steht vor ihnen, daneben alte Holzpantoffeln. Hinter ihnen sieht man einen Spiegel, ein rot bezogenes Himmelbett wie auch eigentümliche Früchte.
Auch das andere Gemälde hat es in sich. Wieder sind ein Mann und eine Frau in einem Zimmer porträtiert. Sie steht im langen dunkelroten Kleid, er in grüner Hose und Strickpulli sitzt lässig auf einem Stuhl. Auf seinem Schoß hockt eine weiße Katze, und der ulkigste Gegenstand neben dem zerzausten Flokati-Teppich ist ein beigefarbenes Telefon mit Wählscheibe.
Fast 20.000 Jahre Kunstgeschichte
Mehr als 500 Jahre trennen Jan van Eycks weltberühmtes Porträt "Die Arnolfini-Hochzeit" (1434) und das großformatige Werk "Mr. and Mrs. Clark and Percy" (1970-71) von David Hockney. Doch die Verbindungslinien sind unübersehbar: Ein Paar wird mit herausragenden malerischen Mitteln im Ambiente seiner Zeit gezeigt.
Darauf muss man allerdings erst einmal so hingewiesen werden, wie David Hockney und Martin Gayford es in ihrem neuen Bildband für Kinder tun. Seit Jahrzehnten sprechen der britische Maler und der renommierte Kunstkritiker über Kunst. Wie fruchtbar dieser Austausch ist, ließ sich bereits in einigen (auch Kinder-)Büchern bestaunen, doch selten so eindrücklich wie hier.
Angelegt als großer Dialog und gegliedert in acht Kapitel bietet das großformatige und üppig bebilderte Buch fast 20.000 Jahre Kunstgeschichte. Hockney und Gayford schlendern durch die Höhle von Lascaux, sie besuchen Pharaonen, machen Station bei den asiatischen Meistern des Mittelalters und betrachten Werke der großen, meist europäischen Künstler von der Antike bis in die Moderne.
Ihr Fokus liegt auf Themen, nicht auf Chronologie, und so kommt es immer wieder zu den ungewöhnlichsten Zusammenschauen. Etwa wenn die beiden Leonardo da Vincis Mona Lisa mit einer Fotografie von Marlene Dietrich paaren oder Rembrandts Zeichnungen mit denen von Wu Zhen oder Muqi Fachang (beide China, 13. Jahrhundert) präsentieren.
Mit Witz und Leichtigkeit
Das ist so überzeugend wie lehrreich, zumal die Bildauswahl über den üblichen Kanon hinausgeht. Regelrecht Funken schlagen Künstler und Kritiker, wenn sie Licht und Schatten, Raum, Perspektive oder künstlerische Techniken untersuchen.
Wie spannend das ist, wenn Hockney von den Kollegen Caravaggio oder Rembrandt schwärmt oder Gayford sich den Rätseln eines Edward Hoppers widmet. Dass die beiden Kunstfans zudem auf eine einfache und doch anspruchsvolle Sprache setzen, zeigt, wie ernst sie ihre jungen Leser und Leserinnen nehmen.
Das tut auch Rose Blake. Die Londoner Illustratorin ist die Dritte im Bunde und den beiden Autoren eine kongeniale Partnerin. Tatsächlich sind es ihre Zeichnungen, die Leichtigkeit und Witz in diese originelle Kunstgeschichte bringen.
Sie selbst, Martin Gayford und David Hockney sowie seine berühmten Dackel und die vielen Künstlerkollegen sind als Figürchen auf allen Seiten zu sehen. Sie stöbern in Ateliers, gehen auf Bildern spazieren und führen auch mal Pinsel und Feder; insbesondere die Dackel scheinen äußerst talentiert. Ein tolles Buch!