"Höchste mögliche Kontrolle über die Medien"

Seit dem 1. Juli macht Ungarn ernst und setzt das international umstrittene Mediengesetz um: Das Redaktionsgeheimnis fällt weg, nahezu 1.000 Medien-Mitarbeiter sollen bereits entlassen worden sein. Für György Dalos sind die dafür angegebenen Gründe nicht glaubhaft.
"Das ist eine Art, ich würde sagen, Abschlussakt des Kampfes um die Medien. Jetzt kann man schon sagen, dass die Orban-Regierung, zumindest in diesem Augenblick die höchste mögliche Kontrolle über die Medien hat", sagte Dalos am Dienstag im Deutschlandradio Kultur.

Von den Massen-Entlassungen sei vor allem das "liberale Milieu" betroffen. Die Schockwirkung sei so groß, dass man zuletzt zwei Ärzte in die ungarische Rundfunkanstalt bestellt habe, um den von den Entlassungen betroffenen Mitarbeitern beizustehen.

Es sei nicht richtig, dass Ungarn kein Geld habe und daher in diesem Umfang rationalisieren müsse, sagte Dalos weiter. Auch, dass man die Sendeanstalten verjüngen wolle, sei nicht richtig, denn es würden auch junge Redakteure entlassen. Falsch sei es ebenfalls, wenn die Orban-Regierung beteuere, die Entlassungen, seien nicht rassistisch, denn es würden auch Rundfunk-Programme für Roma eingestellt und die dafür verantwortlichen Mitarbeiter entlassen.

"Ich war Anfang des Monats Juli in Budapest, anlässlich der Vorstellung meines neuen Buches über Michail Gorbatschow. Man hat mit mir drei Interviews gemacht, und alle diese Interviewer sind entlassen. Diese Entlassungen werden selbstverständlich nicht politisch begründet."

Betroffen sei nicht nur der öffentliche Rundfunk, sondern auch der private Rundfunk. So habe der einzige private Sender, der sich regelmäßig gegen die Regierung gewandt habe, bei der Vergabe neuer Sendelizenzen keine Lizenz mehr erhalten.

Dalos glaubt allerdings nicht, dass die Regierung Orban ihre bei den letzten Wahlen errungene Zwei-Drittel-Mehrheit mit Hilfe der Medienpolitik lange verteidigen kann. Die zwei Drittel der abgegebenen Stimmen entsprächen nur einem Drittel der Bevölkerung, weil die Wahlbeteiligung niedrig gewesen sei. Da die Regierung ihre sozialen Versprechen nicht einhalten könne, sei die Unzufriedenheit in der Bevölkerung groß.


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Hintergrund vom 18.4.2011: Ungarn über alles - Der Verfassungsstreit und die nationalkonservative Wende des Viktor Orbán

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"Aktuell" vom 19.1.2011: Barroso will Änderungen im ungarischen Mediengesetz - EU-Kommissionspräsident kündigt zeitnahe Detailprüfung an
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