Der weite Aufstieg zum Gipfel des Hasselbrack
05:03 Minuten
Unser Autor unternimmt eine besondere Deutschlandreise: Er besteigt die höchsten Gipfel aller 16 Bundesländer. Mit dem Reiseschriftsteller Dennis Gastmann war er auf dem höchsten Berg von Hamburg, dem Hasselbrack – der Weg zum Gipfel wurde ein Abenteuer.
Es geht ja schon gut los. Es ist der heißeste Tag des Sommers in Hamburg, und das Navi im Auto dreht durch. Den Weg zum Hasselbrack kennt es nicht, es führt uns auf Irrwege. Es ist der Beginn einer Odyssee für mich und meinem Wanderbegleiter.
"Das hat das Navi aber mit allen Hamburgern gemein. Ich glaube, 0,001 Prozent der Hamburger kennen den Hasselbrack, die angeblich höchste Erhebung – und noch weniger waren einmal dort. Also das Navi schlägt vor, dass wir auf einen 'Tempelberg' fahren und von dort loslaufen. Ich finde das irgendwie spirituell."
Dennis Gastmann, der Mann am Steuer, ist ein zarter Mensch mit weicher Stimme, aber mit allen Wassern gewaschen. Der preisgekrönte Reiseautor hat die letzten Ecken der Welt bereist, war in Transnistrien oder bei den Nachfahren der Meuterei auf der "Bounty" in der Südsee. Dennis Gastmann scheint mir der richtige Wanderbegleiter zu sein für den höchsten Berg Hamburgs.
Brocken, Wasserkuppe, Hasselbrack
- "Vielleicht bin ich Abenteurer, bin vor allem aber Schriftsteller, Reiseschriftsteller, schreibe gerade an meinem ersten Roman."
- "Also, du bist Abenteurer, hast aber tatsächlich den Hasselbrack noch nie bestiegen?"
- "Nein, den habe ich noch nicht erlebt. Ich habe gerade die Andamanen überlebt. Ich war auf allen Kontinenten, sogar auf dem sechsten, in Madagaskar. Ich war beim Ku-Klux-Klan, ich habe mit Stieren gekämpft, zumindest mit einer kleinen Kuh, die in der Stierkampfausbildung eingesetzt wird und mich deutlich besiegt hat. Aber das hab' ich auch noch nicht erlebt."
- "Also, du bist Abenteurer, hast aber tatsächlich den Hasselbrack noch nie bestiegen?"
- "Nein, den habe ich noch nicht erlebt. Ich habe gerade die Andamanen überlebt. Ich war auf allen Kontinenten, sogar auf dem sechsten, in Madagaskar. Ich war beim Ku-Klux-Klan, ich habe mit Stieren gekämpft, zumindest mit einer kleinen Kuh, die in der Stierkampfausbildung eingesetzt wird und mich deutlich besiegt hat. Aber das hab' ich auch noch nicht erlebt."
Es ist eines der letzten großen Abenteuer der Gegenwart: Die höchsten Berge sämtlicher 16 deutschen Bundesländer zu bezwingen. Einige kenne ich vom Hörensagen, den Brocken in Sachsen-Anhalt oder die Wasserkuppe in Hessen. Aber ich muss auf alle, also auch auf den Hasselbrack.
Der höchste Berg Hamburgs ist gerade mal 116 Meter hoch und befindet sich nicht direkt in der Stadt oder am Hafen, sondern in den Harburger Bergen, einem riesigen Waldgebiet südlich der Elbe.
Nach ein paar Minuten kommt uns im Wald ein Fahrradfahrer entgegen. Weil wir noch kein einziges Hinweisschild gefunden haben: Hat er den Hasselbrack gesehen?
- "Berggipfel? Na, ne Erhöhung war da schon."
- "Mit einem Gipfelstein oder so was?"
- "Nein. Hab' ich nicht gesehen, ich bin mit dem Fahrrad gefahren."
- "Mit einem Gipfelstein oder so was?"
- "Nein. Hab' ich nicht gesehen, ich bin mit dem Fahrrad gefahren."
Jede alte Eiche ist ausgeschildert
Dennis Gastmann und ich wandern. Und wandern. Und wandern. Und wundern uns. Denn wir passieren jede Menge Wanderschilder, jede Futtertränke, jede alte Eiche ist ausgeschildert. Nur der Hasselbrack nicht. Ich frage mich, ist das möglicherweise typisch hamburgerisches Understatement, den höchsten Berg Hamburgs so zu verstecken?
"Ich überlege gerade, ob Hamburg und Understatement zusammenpassen. Ich glaube, woran Hamburg krankt, und das sieht man nicht nur, aber exemplarisch am HSV, ist diese gnadenlose Selbstüberschätzung. Dass Hamburger davon reden, ihre Stadt sei die schönste Stadt der Welt. Eine Weltstadt, die die Welt kennen müsste."
Gut. Den Hasselbrack kennen noch weniger. Er schien mit seinen 116 Metern eigentlich ein Kinderspiel zu sein. Aber wir sind verzweifelt mitten im tiefen Wald, haben uns verlaufen, haben kein Handynetz mehr. Die Pfade durch den Wald werden immer schmaler. Wir waten querfeldein durch meterhohen Farn. Selbst der weltgereiste Dennis Gastmann ist mit seinem Latein am Ende. Wir versuchen, uns nur noch an der Sonne zu orientieren und daran, welcher Punkt hier im Wald höher liegen könnte als da wo wir stehen. Und nach zwei Stunden haben wir Erfolg!
– "Ja! Wir haben es! Dennis!"
– "Ich bin so froh. Höchster Punkt Hamburgs. 116 Meter."
– "Wir haben ihn. Und der ist so unfassbar mies ausgeschildert. Wir sind immer wieder abgebogen. Rechts abgebogen. Links abgebogen. Ich und mein Kollege."
– "Dennis Gastmann. Der dich korrigieren muss. Er ist NICHT ausgeschildert. Nicht nur schlecht, er ist überhaupt nicht ausgeschildert."
– "Ich bin so froh. Höchster Punkt Hamburgs. 116 Meter."
– "Wir haben ihn. Und der ist so unfassbar mies ausgeschildert. Wir sind immer wieder abgebogen. Rechts abgebogen. Links abgebogen. Ich und mein Kollege."
– "Dennis Gastmann. Der dich korrigieren muss. Er ist NICHT ausgeschildert. Nicht nur schlecht, er ist überhaupt nicht ausgeschildert."
Blutiger Angriff eines Raubvogels
Auf dem Hasselbrack gibt es einen Gipfelstein und sogar ein Gipfelbuch. Und die größte Überraschung: Wir bleiben nicht alleine. Irgendwann taucht eine Frau auf. War es denn schwierig für sie, den Berg zu finden?
"Ja und nein. Ich hab' jemanden getroffen, der hier in der Gegend wohnt, der vor einer halben Stunde von einem Raubvogel angegriffen wurde, ja wirklich, weil der Mann konnte nichts sehen vor Blut im Gesicht. Das hat mich verunsichert, ich habe überlegt, ob ich hier hochkomme. Aber ich habe entschieden, ich werde nicht angegriffen. Und dann habe ich ihn gefragt, wie ich zum Hasselbrack komme, und dann hat er gezeigt: Den Weg wäre er gerade gekommen."
Ich fasse zusammen: Mies ausgeschildert. Aussicht gleich Null, weil mitten im Wald. Und gefährliche Raubvögel, die Menschen in den Kopf hacken. Ich persönlich kann nur vor dem höchsten Berg Hamburgs warnen. Und Reisebuchautor Dennis Gastmann?
"Für mich wird diese Geschichte bleiben, dass man im Hamburger Stadtgebiet tatsächlich von wilden Tieren angegriffen werden kann, dass man Opfer von Greifvögeln werden kann. So dramatisch diese Geschichte ist, so einprägsam wird sie für mich bleiben. Auf Wiedersehen, Hasselbrack. Ich weiß nicht, ob wir uns wiedersehen, aber ich werde dich nie vergessen."