Höfliche Distanz
Höflichkeit ist der beherrschende Zug des kleinen Briefwechsels zwischen Ernst Jünger und Gottfried Benn, der über eine dichterische Einschätzung nicht hinausging. Der briefliche Kontakt der beiden bedeutendsten Autoren der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts reichte von 1949 bis zum Tod Benns 1956. Er ist nun in einem Band nachzulesen. Der wichtigste Brief, in dem Jünger bereits 1920 Benn seine Verehrung ausrückte, jedoch fehlt.
Begegnet sind sie sich nur ein einziges Mal. Am 16. Mai 1952 kam Ernst Jünger zu Besuch zu Gottfried Benn in dessen Wohnung in der Bozener Straße 20 im Bayrischen Viertel in Berlin. "Ich schlage vor, am Abend etwa 7 Uhr", hatte Benn geschrieben und eine Warnung vorausgeschickt: "Aber ich habe kein Château, keinen Park, keine Balustraden, dafür wohne ich parterre, man braucht keine Treppen zu steigen." Dennoch scheint Jünger leicht konsterniert gewesen zu sein über den fensterlosen Korridor der Berliner Wohnung, eine Begrüßung im Halbdunkel und Wohnräume, die Gottfried Benn, Dichter und Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, zugleich auch als Praxis dienten.
Jünger wäre es lieber gewesen, Benn irgendwo im Süden kennen zu lernen, am Mittelmeer. Aber Benn war nicht besonders reiselustig und gab vor, wegen eines Duodenalgeschwürs zu viele Diätregeln befolgen zu müssen, wegen seines Rheumatismus zu viele Medikamente zu benötigen und wegen seiner Ekzeme zu viele Salbentöpfe einpacken zu müssen. Jünger kam das seltsam vor: ein Hautarzt mit Ekzemen! Aber er blieb höflich und bemerkte dazu nur: "Was Sie vom Altern schreiben, macht mich nachdenklich."
Höflichkeit ist der beherrschende Zug des kleinen Briefwechsels zwischen Ernst Jünger und Gottfried Benn, der die Jahre von 1949 bis zum Tod Benns 1956 umfasst. Den Hauptpart übernimmt darin Ernst Jünger, der um Freundschaft wirbt, während Benn eher darauf bedacht ist, Distanz zu bewahren. Immer wieder schiebt er die persönliche Begegnung hinaus, von Jüngers Drogenexperimenten will er nichts wissen und ist überhaupt sehr zurückhaltend.
Gegenüber seinem Freund Oelze sprach Benn offen darüber, was er von Jünger hielt. Viel "inneren Kitsch" erkannte er da, "mehr Vorwölbung und Blähung als Front", und er kam zu dem vernichtenden Urteil: "katastrophal! Weichlich, eingebildet, wichtigtuerisch und stillos. Sprachlich unsicher, charakterlich unbedeutend. Manchmal nahe an Erkenntnissen, manchmal vor gewissen Tiefen stehend, aber nirgends Durchbruch, Haltung, Flammen."
In Benns Briefen an Jünger finden sich dagegen freundliches Lob und so rascher Dank über zugeschickte Widmungsexemplare, dass er mit dem Hinweis darauf, ein langsamer Leser zu sein, um eine dezidierte Meinung herumkam. Die präziseste Beschreibung ihrer Beziehung ist immer noch das Gedicht, das Benn für eine Festschrift zu Jüngers 60. Geburtstag verfasste: "Wir sind von außen oft verbunden, / wir sind von innen meist getrennt, / doch teilen wir den Strom die Stunden, / den Ecce-Zug, den Wahn, die Wunden / des, das sich das Jahrhundert nennt."
Der Briefwechsel geht über diese dichterische Einschätzung an keiner Stelle hinaus. Bedeutendes ist darin nicht zu finden: keine großen Erkenntnisse, kein Austausch über Gelesenes oder Gedankenexperimente, ja nicht einmal eine Auseinandersetzung um die deutsche Vergangenheit. Dabei war es doch wohl die Ächtung in den Jahren nach dem Krieg, die beide mehr oder minder in die NS-Ideologie verstrickte Autoren näher zueinander rückte.
Jünger gibt in seinen Briefen nur den Ärger darüber wieder, wenn er vom Kulturbund der DDR in Gestalt von Johannes R. Becher angegriffen wurde. Benn erklärt dagegen: "Mich persönlich berühren Angriffe dieser Art seit langem nicht mehr. Über mich können sie schreiben, dass ich Kommandant von Dachau war oder mit Stubenfliegen Geschlechtsverkehr ausübe, von mir werden Sie keine Entgegnung vernehmen." Doch auch Benn hielt diesen Stoizismus nicht ganz durch. Per Klageandrohung verhinderte er die Sendung eines "gemeines Pamphlets" von Peter de Mendelssohn im "Rias" – und teilte das Jünger mit.
Dennoch hat der Briefwechsel seinen Reiz, gerade weil er so nebensächlich parlierend daherkommt. Der wichtigste Brief ist in dem Bändchen gar nicht enthalten. Jünger drückte darin schon im Jahr 1920 Benn seine Verehrung aus, hatte aber keine Antwort erhalten – eine Kränkung, die ihn noch 30 Jahre später beschäftigte, während Benn sich nicht erinnern konnte.
Auch der Besuch Jüngers bei Benn endete mit einer Irritation. Benn zitierte nach dem Abendessen eine längere Passage aus einem Buch Jüngers, in der es um "Das Eine" geht, den Moment der Annäherung, das Thema aller Kunst. Er kommentierte Jüngers bombastischen Schwulst zu dessen Entsetzen mit den Worten: "Das Eine – was ist das? Das ist der Penis. Das kann nur der Penis sein!" Jüngers Bericht vom Besuch in der Bozener Straße ist in seinen "Annäherungen" zu finden. Er steht aber auch im Anhang des Briefbandes, der von Holger Hof vorzüglich kommentiert und mit weiteren Materialien bereichert wurde.
Gottfried Benn, Ernst Jünger - Briefwechsel 1949-1956
Herausgegeben von Holger Hof.
Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2006.
154 Seiten. 14,50 Euro.
Jünger wäre es lieber gewesen, Benn irgendwo im Süden kennen zu lernen, am Mittelmeer. Aber Benn war nicht besonders reiselustig und gab vor, wegen eines Duodenalgeschwürs zu viele Diätregeln befolgen zu müssen, wegen seines Rheumatismus zu viele Medikamente zu benötigen und wegen seiner Ekzeme zu viele Salbentöpfe einpacken zu müssen. Jünger kam das seltsam vor: ein Hautarzt mit Ekzemen! Aber er blieb höflich und bemerkte dazu nur: "Was Sie vom Altern schreiben, macht mich nachdenklich."
Höflichkeit ist der beherrschende Zug des kleinen Briefwechsels zwischen Ernst Jünger und Gottfried Benn, der die Jahre von 1949 bis zum Tod Benns 1956 umfasst. Den Hauptpart übernimmt darin Ernst Jünger, der um Freundschaft wirbt, während Benn eher darauf bedacht ist, Distanz zu bewahren. Immer wieder schiebt er die persönliche Begegnung hinaus, von Jüngers Drogenexperimenten will er nichts wissen und ist überhaupt sehr zurückhaltend.
Gegenüber seinem Freund Oelze sprach Benn offen darüber, was er von Jünger hielt. Viel "inneren Kitsch" erkannte er da, "mehr Vorwölbung und Blähung als Front", und er kam zu dem vernichtenden Urteil: "katastrophal! Weichlich, eingebildet, wichtigtuerisch und stillos. Sprachlich unsicher, charakterlich unbedeutend. Manchmal nahe an Erkenntnissen, manchmal vor gewissen Tiefen stehend, aber nirgends Durchbruch, Haltung, Flammen."
In Benns Briefen an Jünger finden sich dagegen freundliches Lob und so rascher Dank über zugeschickte Widmungsexemplare, dass er mit dem Hinweis darauf, ein langsamer Leser zu sein, um eine dezidierte Meinung herumkam. Die präziseste Beschreibung ihrer Beziehung ist immer noch das Gedicht, das Benn für eine Festschrift zu Jüngers 60. Geburtstag verfasste: "Wir sind von außen oft verbunden, / wir sind von innen meist getrennt, / doch teilen wir den Strom die Stunden, / den Ecce-Zug, den Wahn, die Wunden / des, das sich das Jahrhundert nennt."
Der Briefwechsel geht über diese dichterische Einschätzung an keiner Stelle hinaus. Bedeutendes ist darin nicht zu finden: keine großen Erkenntnisse, kein Austausch über Gelesenes oder Gedankenexperimente, ja nicht einmal eine Auseinandersetzung um die deutsche Vergangenheit. Dabei war es doch wohl die Ächtung in den Jahren nach dem Krieg, die beide mehr oder minder in die NS-Ideologie verstrickte Autoren näher zueinander rückte.
Jünger gibt in seinen Briefen nur den Ärger darüber wieder, wenn er vom Kulturbund der DDR in Gestalt von Johannes R. Becher angegriffen wurde. Benn erklärt dagegen: "Mich persönlich berühren Angriffe dieser Art seit langem nicht mehr. Über mich können sie schreiben, dass ich Kommandant von Dachau war oder mit Stubenfliegen Geschlechtsverkehr ausübe, von mir werden Sie keine Entgegnung vernehmen." Doch auch Benn hielt diesen Stoizismus nicht ganz durch. Per Klageandrohung verhinderte er die Sendung eines "gemeines Pamphlets" von Peter de Mendelssohn im "Rias" – und teilte das Jünger mit.
Dennoch hat der Briefwechsel seinen Reiz, gerade weil er so nebensächlich parlierend daherkommt. Der wichtigste Brief ist in dem Bändchen gar nicht enthalten. Jünger drückte darin schon im Jahr 1920 Benn seine Verehrung aus, hatte aber keine Antwort erhalten – eine Kränkung, die ihn noch 30 Jahre später beschäftigte, während Benn sich nicht erinnern konnte.
Auch der Besuch Jüngers bei Benn endete mit einer Irritation. Benn zitierte nach dem Abendessen eine längere Passage aus einem Buch Jüngers, in der es um "Das Eine" geht, den Moment der Annäherung, das Thema aller Kunst. Er kommentierte Jüngers bombastischen Schwulst zu dessen Entsetzen mit den Worten: "Das Eine – was ist das? Das ist der Penis. Das kann nur der Penis sein!" Jüngers Bericht vom Besuch in der Bozener Straße ist in seinen "Annäherungen" zu finden. Er steht aber auch im Anhang des Briefbandes, der von Holger Hof vorzüglich kommentiert und mit weiteren Materialien bereichert wurde.
Gottfried Benn, Ernst Jünger - Briefwechsel 1949-1956
Herausgegeben von Holger Hof.
Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2006.
154 Seiten. 14,50 Euro.