Hölderlin und Beethoven

Zwei Idealisten in Einklang gebracht

Blick auf eine kleine barocke Schlossanlage auf einem Hügel.
Idyllisch liegt Schloss Ettersburg in der Landschaft um Weimar. © imago images / Shotshop
Moderation: Cornelia de Reese |
Persönlich kannten sie einander nicht. Doch nun treffen im Jubiläumsjahr für Ludwig van Beethoven und Friedrich Hölderlin ihre Werke aufeinander - ein besonderer Dialog von Dichtung und Musik auf dem Schloss Ettersburg in Weimar.
Beide sind Jahrgang 1770 - und beide werden in diesem Jahr groß mit ihrem 250. Geburtstag gefeiert: der Komponist Ludwig van Beethoven und der Dichter Friedrich Hölderlin. Zwei Künstler, die Grenzen auf ihre ganz eigene Art sprengten. Was liegt näher, als beide Künstler einander begegnen zu lassen?
Sie erlebten eine Epoche, die voller Umbrüche und Kriege war. Napoleon bestimmte das politische Geschehen. Beethoven und Hölderlin waren glühende Anhänger seines proklamierten Ideals der Freiheit. Zudem waren sie von der Welle des Deutschen Idealismus ergriffen; lasen die Bücher von Friedrich Schiller und Immanuel Kant.

Das Jahr 1799

Der Pianist Daniel Heide und Peter Krause, der Direktor des Schlosses Ettersburg, wollten die beiden Jubilare beim Pfingstfestival zusammenbringen. Für beide war Hölderlins Roman "Hyperion" der Ausgangspunkt. Das Werk entstand zum Teil im Jahr 1799.
Der Pianist forschte nun, welche Werke für das Klavier Beethoven in dieser Zeit schuf. Er stieß dabei ausgerechnet auf die "Pathetique", die 8. Klaviersonate. Im Umfeld entstanden auch die beiden Sonaten op. 14. Und so kam es zu der Koppelung von Hölderlins "Hyperion" und Beethovens Klaviersonaten, die im Programm in Dialog miteinandert treten.

Der neue Held

Der neue Mensch war für den Komponisten und den Dichter aus eigener Kraft imstande, sich selbst Sinn zu verleihen und im Einklang mit der selbstgewählten Bestimmung zu leben. Nicht mehr Untertan und Diener in der alten feudalistischen Ordnung des Gottesgnadentums zu sein, sondern autonomes Geschöpf, das inspiriert ist vom Licht und Feuer, das Hyperion und Prometheus den Menschen brachten.
Der Dichter Johann Christian Friedrich Hölderlin im Porträt.
Mit dem Roman "Hyperion" hinterließ Hölderlin ein Meisterwerk.© picture alliance / Heritage-Images
Beide Künstler formulierten ihren Unabhängigkeitswillen mit ihren Mitteln. Dadurch wurde die Kunst sinnstiftende Lebensaufgabe - fernab von menschlichen Bindungen. Doch die Krönung Napoleons zum Kaiser war die Rückkehr in alte Gesellschaftsmodelle - und für die zwei eine bittere Enttäuschung.

Durch Einsamkeit verbunden

Eine entscheidende Gemeinsamkeit war ihre Isolation, auch wenn sie ganz unterschiedliche Gründe hatte. Beethoven, der unwirsche Charakter, zeigt sich bindungslos im Privaten; im Beruflichen versuchte er, sich so unabhängig wie möglich zu halten. Nie nahm er eine feste Stelle an einem Adelshaus an, auch wenn er oft finanziell von diesem Stand abhängig war.
Hölderlin blieb ebenso ein einsamer Mensch: Er hielt sich an einem Bildungsideal fest, das sich - weit ab von einem lebensbejahenden Charakter - an der griechischen Mythologie orientierte; geistige Freundschaft und Liebe - erträumt und nicht realisierbar in der Wirklichkeit.
Eine Zeichnung eines jungen Mannes, der den Betrachter direkt anschaut.
Beethoven in einer Zeichnung nach einem Vorbild aus dem Jahr 1802.© imago images / Leemage
Beethoven wusste, dass er sich immer weniger in Gesellschaft aufhalten könne, als seine Taubheit immer mehr zunahm. Seine äußere Kommunikationslosigkeit verschafft Platz für die innere Kraft, völlig Eigenes zu erschaffen.
Hölderlin zog sich komplett zurück. Als Geistesgestörter wurde er deklariert und tauchte in seine Schriften ab.

Goethe kannte sie alle

Einen haben beide getroffen: Johann Wolfgang von Goethe. Er beschreibt mit nur wenigen Worten, wie unterschiedlich beide auftraten.
Vom Treffen Goethes mit Beethoven ist die berühmte Anekdote vom gemeinsamen Spaziergang überliefert, bei dem sie der Kaiserin von Österreich samt Begleitzug begegneten. Während Goethe seine Ehrerbietung zeigte, lief Beethoven weiter, ohne dem Zug Platz zu machen. Goethe beschreibt den Komponisten schließlich als "energisch". Und weiter: "Inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen."
Hölderlin hinterließ einen ganz anderen Eindruck. An Schiller schrieb Goethe: "Gestern ist auch Hölterlein bei mir gewesen, er sieht etwas gedrückt und kränklich aus, aber er ist wirklich liebenswürdig und mit Bescheidenheit, ja mit Ängstlichkeit offen."

Festival im Radio

Fast alle Veranstaltungen des Pfingstfestivals wurden verlegt oder gar abgesagt. Deutschlandfunk Kultur überträgt nun diesen Abend exklusiv ohne Publikum. (cdr)

Sie wollen unser Konzert in besonderer Qualität verfolgen? Dann wechseln sie während der Sendung hier auf unseren hochaufgelösten Stream (ACC 256 kbit/sec.).

Live aus dem Gewehrsaal auf Schloss Ettersburg

Ludwig van Beethoven
Klaviersonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathetique"
1. Satz: Grave - Allegro di molto e con brio
Lesung: Friedrich Hölderlin
"Hyperion"
Auszug
Ludwig van Beethoven
Klaviersonate Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathetique"
2. Satz: Adagio cantabile
3. Satz: Rondo. Allegro
Lesung: Friedrich Hölderlin
"Hyperion"
Auszug
Ludwig van Beethoven
Klaviersonate Nr. 9 E-Dur op. 14 / 1
1. Satz: Allegro
Lesung: Friedrich Hölderlin
"Hyperion"
Auszug
Ludwig van Beethoven
Klaviersonate Nr. 9 E-Dur op. 14 / 1
2. Satz: Allegretto
3. Satz Rondo. Allegro commodo
Lesung: Friedrich Hölderlin
"Hyperion"
Auszug

Markus Meyer, Lesung
Daniel Heide, Klavier

Mehr zum Thema