Moritz Matthies: "Der Wald ruft"
Ein Erdmännchen-Krimi
gelesen von Christoph Maria Herbst
1 MP3-CD, 7 Stunden 23 Minuten
Argon Verlag, 2021
Abenteuerlustige Erdmännchen und sächselnde Wildschweine
04:40 Minuten
Moritz Matthies’ sechster Streich der Erdmännchen-Krimireihe ist als Hörbuch erschienen. Die Erdmännchen Ray und Rufus verschlägt es in den Wald zu reaktionären Wildschweinen. Christoph Maria Herbst gibt als Sprecher wieder einmal alles.
"Ich halte mein empfindliches Näschen in die Berliner Morgenluft und weiß, das wird ein guter Tag, ein Tag wie jeder andere."
Dem ist natürlich nicht so. Schon kurze Zeit später trifft das coole Erdmännchen Ray den Berggorilla Kong, der in den vorherigen fünf Geschichten der Erdmännchen-Krimiserie von Moritz Matthies immer wieder durch kurze Einwürfe auffiel. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich das Autorenduo Hans Rath und Edgar Rai.
Dieses Mal kommt Kong philosophisch orakelnd daher: "Im Grunde sind wir alle nur Touristenattraktionen mit eingebautem Ablaufdatum."
Eine wahre Freude: Christoph Maria Herbst
Christoph-Maria Herbst, der sich mit vollem Stimmbändereinsatz in die unterschiedlichen Rollen stürzt, ist für die Hörenden eine wahre Freude. Gorilla Kong sei eine besondere Herausforderung gewesen, erzählt der Schauspieler: "Gut, das Ei habe ich mir selbst gelegt. Ich habe dem eine sehr schnarrende Stimme gegeben, die eigentlich das Wort ‚Stimme’ gar nicht mehr verdient. Und er spricht jetzt auch in dem neuesten Roman für seine Verhältnisse relativ viel – das war schon nicht ganz unanstrengend."
In "Der Wald ruft" soll der gesamte Clan – die nymphoman veranlagte Nathalie, der Proll Rocky, der schlaue Rufus, Hauptfigur Ray und all die anderen – verkauft werden. Der Zoo muss sparen.
"In jedem noch so tragischen Ereignis steckt ein Keim der Hoffnung auf Leben, auf die Schönheit des Augenblicks", lautet die philosophische Einsicht. Und so beschließen die Erdmännchen zu fliehen: im Schlauchboot durch die Kanalisation. Letztendlich landet der Clan im deutschen Wald, einer für sie doch sehr fremden Umgebung.
"In jedem noch so tragischen Ereignis steckt ein Keim der Hoffnung auf Leben, auf die Schönheit des Augenblicks", lautet die philosophische Einsicht. Und so beschließen die Erdmännchen zu fliehen: im Schlauchboot durch die Kanalisation. Letztendlich landet der Clan im deutschen Wald, einer für sie doch sehr fremden Umgebung.
Aktuelle politische Bezüge
Was sich nun entspinnt, ist kein typischer Erdmännchen-Krimi, verrät Autor Edgar Rai: "Tatsächlich ist es so, dass wir schon lange – wir machen auch andere Sachen zusammen außer den Erdmännchen – überlegt haben, ob man eine Möglichkeit findet, dieses Migrations-, Flüchtlings- Gesellschaftsthema komödiantisch zu erzählen."
Die Erdmännchen fallen natürlich auf. Von den Waschbären werden sie freudig als die Party-Macher aus der Großstadt in Empfang genommen; Ray und Rufus verlieben sich in eine attraktive Häsin. Es könnte so schön sein.
Doch die Wildschweine, allen voran Keiler Hermann, sind anderer Meinung. Sie wollen die neuen Wald-Bewohner nicht, fühlen sich bedroht und machen auf einer Versammlung der Tiere Stimmung gegen die Nagetiere:
"Erdmännchen sind, um es ganz unmissverständlich zu sagen, Ausländer", sächselt Hermann. "Öffnet man denen erstmal die Tür, dann rennen sie einem die Bude ein und übernehmen innerhalb kürzester Zeit den gesamten Laden."
Reaktionäre Wildschweine
Anfangs nehmen die Erdmännchen das reaktionäre, rechtsgerichtete Gepolter nicht wirklich ernst. Doch als die Wildschweine den König des Waldes, den Hirschen Karl, stürzen und die Macht übernehmen, sieht das anders aus. "Offenbar fängt der Spuk gerade erst an. Flucht ist sowieso zwecklos, meine Keiler haben den Bau umstellt. Da hörst du es", droht Hermann.
Verfolgung, Spitzelei, Angst und Schrecken – schon bald ist nichts mehr übrig von der Naturidylle unter freiem Himmel, und die Erdmännchen wünschen sich ihr altes Zooleben zurück: hinter Gittern und mit Vollpension.
Virtuos wandeln die Autoren zwischen Witz und Wirklichkeit, projizieren Konflikte des politisch gesellschaftlichen Zeitgeschehens und der deutschen Geschichte in die Welt der Tiere. Dem einen oder der anderen mag das stellenweise zu sehr nach Klamauk klingen – doch das Ergebnis ist in bester "Erdmännchen"-Tradition spannende und lustige Hörbuchunterhaltung.
Lust auf mehr
Oder wie Christoph-Maria Herbst sagt: "Für mich, als Hörbuchsprecher, kann ich nur so viel sagen. Man kann aus einem schlechten ein Buch kein gutes Hörbuch machen."
Stimmt. Zumal das, was der Schauspieler abliefert, auch ohne Atmo und Musik schon Spitzen-Hörspielcharakter hat. Rund acht Stunden dauert der Spaß, der Lust auf mehr macht. Und mehr wird es geben – mit den Erdmännchen wird es weitergehen, das haben die Autoren schon jetzt durchblicken lassen.