Fritz Bauer: "Sein Leben, sein Denken, sein Wirken"
Hg. von David Johst im Auftrag des Fritz Bauer Instituts
Tondokumente, 4 CDs, Laufzeit ca. 5 Stunden
Der Audio Verlag 2017
19,99 Euro
Liberaler fortschrittlicher Denker
Wie kaum ein anderer setzte sich der Jurist Fritz Bauer für die Aufarbeitung der Verbrechen der Nationalsozialisten ein. Das brachte ihm damals viel Kritik und Ablehnung ein. Ein jetzt erschienenes Hörbuch mit Vorträgen und Rundfunkinterviews zeichnet ein dichtes Bild dieses jüdischen Intellektuellen.
Fritz Bauer (1963, NDR):
"So hart das klingt und so unangenehm das im Hörerkreis klingen mag, es gab ja in Deutschland nicht nur Hitler als Nazi, es gab Hunderttausende, Millionen anderer, die das, was geschehen ist, nicht nur durchgeführt haben, weil es befohlen war, sondern es war ihre eigene Weltanschauung, zu der sie sich in freien Stücken bekannt haben."
Erklärte Fritz Bauer 1963 im Vorfeld der Auschwitz-Prozesse in einem Interview mit dem NDR. Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die Taten der Nationalsozialisten aufzuzeigen, darum ging es dem engagierten Generalstaatsanwalt aus Hessen zeitlebens.
"Die europäische Menschheit, möchte ich etwas dramatisch vielleicht sagen, kämpft nun wirklich seit den Tagen der französischen Revolution um Freiheit, um Gleichheit und Brüderlichkeit. Freiheit, da reden wir davon, wir reden von Gleichheit, vielleicht reden wir weniger von Brüderlichkeit, aber diese Worte sollen ja nicht nur auf dem Papier stehen. Und wenn eines, ich rede jetzt sicherlich im Namen aller Staatsanwälte in der Bundesrepublik, eines aus diesen Prozessen heraus wächst, dann der Sinn und der Kampf für Gleichheit, die ernst genommen werden soll, was Toleranz, Achtung und Anerkennung bedeutet, und dass Hass, in welcher Form auch immer, Menschenhass, Rassenhass zu solchen Dingen wie Auschwitz führt und eigentlich nur überwunden werden kann durch Brüderlichkeit und Nächstenliebe."
Schwerpunkt Aufarbeitung der NS-Verbrechen
Die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist ein Schwerpunkt der hier versammelten historischen Tondokumente, die auch deshalb so hörenswert sind, weil sie direkt in die Auseinandersetzungen jener Zeit führen.
Wie auch Bauers Eintreten für eine Reform des Strafrechts. Er zeigte sich als liberaler fortschrittlicher Denker in einer Diskussion, die bis heute immer wieder geführt wird: Muss die Strafe für eine Tat möglichst hart sein, als Vergeltung und auch um andere abzuschrecken? Oder ist es nicht wichtiger, den Täter wieder in die Gesellschaft zu integrieren?
"'Wenn ein Mensch schlecht ist, dann hat man ihm wahrscheinlich den Weg verrammelt, auf dem er gut sein wollte', meinte Pestalozzi. Resozialisierungshilfe heißt, diese Hindernisse zu beseitigen."
Verbunden werden die Vorträge, Diskussionen und Interviews durch kurze einordnende Texte, die der Schauspieler Burkhart Klaußner spricht. CD für CD, Stunde für Stunde entsteht so ein immer dichteres Bild dieses jüdischen Intellektuellen. Besonders in dem Teil, der sich mit "Heimat und Exil" befasst.
"Die Blütenträume sind nicht gereift"
Denn persönliche Erinnerungen Fritz Bauers sind selten. 1965 berichtet er in einem Hintergrundgespräch von seiner Flucht 1936 aus Deutschland. Eindrücklich erzählt er von seine Erfahrungen und Ängsten im Exil in Dänemark und Schweden und von den Visionen, die die Geflüchteten für einen Neuanfang nach dem Krieg hatten.
"Wir zerbrachen uns den Kopf über die deutsche Justiz. Wir zerbrachen uns den Kopf über die deutsche Pädagogik. Wir diskutierten Tag und Nacht und machten Entwürfe für eine neue deutsche Stadt, unter Heranziehung bedeutender Architekten, um Deutschland so aufzubauen, dass es im Jahre 1965 Platz für Autos habe. Von den Plänen, können Sie ohne weiteres sagen, sind 99,9 Prozent ins Wasser gefallen und die Blütenträume sind nicht gereift."
1966, zwei Jahre vor seinem Tod, wurde er nach seinem Lieblingsbuch gefragt. Der damals 62-Jährige nannte Franz Kafkas "Amerika". Mit einer Begründung, die auch viel über ihn selbst verrät:
"Kafka schließt Hoffnung nicht aus, durch das Dunkle dieser Welt, die Kafka malt, leuchtet das Bild des braven Karl, der das Gute verficht und das Gute auch lebt. Die Leuchtkraft des Romans kommt nicht von einem Happy End, sondern von der ungebrochenen Jugend und Tugend seines Helden. Der Held mag untergehen, sein Vorbild bleibt."