Ernst Toller: "Masse Mensch"
Hörspiel (Produktion NDR Kultur), 1 CD, 55 Minuten
Der Audio Verlag 2019, 12 Euro
Revolutionen und innere Widersprüche
04:53 Minuten
Der Dichter Ernst Toller galt als eine der führenden Persönlichkeiten der Münchner Räterepublik im Jahr 1919 – und landete im Gefängnis. Seine Revolutionserfahrungen verarbeitete er im Drama „Masse Mensch“, das nun als Hörbuch erschienen ist.
Mann: "Die Flugblätter sind verteilt, die Massen gären, hört ihr sie? Morgen wird entschieden. Bist Du bereit?"
Frau: "Ich bin’s, mit jedem Atem wächst mir Kraft, wie sehnt ich diese Stunde, die Massen auferstanden, für unsere gemeinsame Idee!"
München, Januar 2018: Der Streik der Munitionsarbeiter war ein erstes revolutionäres Aufleuchten. Sonja Lerch, überzeugte Pazifistin, war eine der Mitorganisatorinnen, sie wurde verhaftet und starb später im Gefängnis. An sie erinnert Ernst Toller in seinem Stück "Masse Mensch", auch wenn Sonja Lerch im Hörspiel selbst namenlos bleibt. Letztlich ging es dem Dramatiker nicht um Einzelschicksale, sondern um die großen Fragen im Leben, beginnend damit, was wichtiger ist, das private Glück oder die Veränderung der Gesellschaft:
Mann: "Ich zieh die Konsequenzen, da du das Staatswohl schädigst und meine Stellung riskierst. Ich lass mich scheiden."
Aber sie lässt sich nicht von ihrem Weg abbringen. Doch reicht ein Streik? Welche anderen Mittel sind legitim im Widerstand gegen ein ungerechtes Regime? Gewalt für eine gute Sache? Unterlegt sind diese Gedankenspiele mit düsteren, treibenden Klängen, die Regisseur Christoph Kalkowski zusammen mit dem Sounddesigner jayrope komponiert hat.
Mann 1: "Wir brauchen mehr."
Mann 2: "Propaganda?"
Frau: "Desinformation?"
Mann 1: "Nein, mehr!"
Mann 2: "Boykott?"
Mann 1: "Nein mehr!"
Mann 2: "Sabotage?"
Frau: "Bewaffneter Widerstand?"
Mann 1: "Nein, noch mehr! Keine Worte, Taten, harte Taten! Letzter rücksichtsloser Kampf! Wir bauen ein wohnlicheres System!"
Frau: "Ich bin’s, mit jedem Atem wächst mir Kraft, wie sehnt ich diese Stunde, die Massen auferstanden, für unsere gemeinsame Idee!"
München, Januar 2018: Der Streik der Munitionsarbeiter war ein erstes revolutionäres Aufleuchten. Sonja Lerch, überzeugte Pazifistin, war eine der Mitorganisatorinnen, sie wurde verhaftet und starb später im Gefängnis. An sie erinnert Ernst Toller in seinem Stück "Masse Mensch", auch wenn Sonja Lerch im Hörspiel selbst namenlos bleibt. Letztlich ging es dem Dramatiker nicht um Einzelschicksale, sondern um die großen Fragen im Leben, beginnend damit, was wichtiger ist, das private Glück oder die Veränderung der Gesellschaft:
Mann: "Ich zieh die Konsequenzen, da du das Staatswohl schädigst und meine Stellung riskierst. Ich lass mich scheiden."
Aber sie lässt sich nicht von ihrem Weg abbringen. Doch reicht ein Streik? Welche anderen Mittel sind legitim im Widerstand gegen ein ungerechtes Regime? Gewalt für eine gute Sache? Unterlegt sind diese Gedankenspiele mit düsteren, treibenden Klängen, die Regisseur Christoph Kalkowski zusammen mit dem Sounddesigner jayrope komponiert hat.
Mann 1: "Wir brauchen mehr."
Mann 2: "Propaganda?"
Frau: "Desinformation?"
Mann 1: "Nein, mehr!"
Mann 2: "Boykott?"
Mann 1: "Nein mehr!"
Mann 2: "Sabotage?"
Frau: "Bewaffneter Widerstand?"
Mann 1: "Nein, noch mehr! Keine Worte, Taten, harte Taten! Letzter rücksichtsloser Kampf! Wir bauen ein wohnlicheres System!"
Toller hatte die Rote Armee angeführt
Toller schrieb "Masse Mensch" 1919 im Gefängnis. Er war einer der führenden Köpfe der Münchner Räterepublik, die im Mai 1919 blutig niedergeschlagen worden war. Und obwohl Ernst Toller, selbst ein überzeugter Pazifist, hatte er die Rote Armee im Verteidigungskampf angeführt.
Mann: "Wir kämpfen für die Menschheit, für die Freiheit."
Frau: "Ihr seid doch nicht frei, ihr seid Zwang, ihr mordet für die Menschheit, so wie die, die für den Staat gemordet. Und einige glaubten gar, durch ihre Tat die Erde zu erlösen. Ich sehe keinen Unterschied."
Das Hörspiel ist keine wortgetreue Umsetzung des Theaterstücks, sondern löst sich immer wieder von der Vorlage, bleibt aber Tollers Grundgedanken treu, dem Aufspüren der inneren Widersprüche, mit denen viele revolutionäre Bewegungen bis heute zu kämpfen haben. Die Inszenierung ist roh, wild, expressionistisch, Worthülsen werden in den Raum geworfen, mit einem Soundspektakel unterlegt – auf die Dauer kann das anstrengend werden. Auch wenn die Schauspieler, allen voran Jana Schulz, durchaus überzeugen.
Frau: "Wärter, lasst mich raus! Ich wollte das nicht! Blut! Kampf!"
Mann: "Wir kämpfen für die Menschheit, für die Freiheit."
Frau: "Ihr seid doch nicht frei, ihr seid Zwang, ihr mordet für die Menschheit, so wie die, die für den Staat gemordet. Und einige glaubten gar, durch ihre Tat die Erde zu erlösen. Ich sehe keinen Unterschied."
Das Hörspiel ist keine wortgetreue Umsetzung des Theaterstücks, sondern löst sich immer wieder von der Vorlage, bleibt aber Tollers Grundgedanken treu, dem Aufspüren der inneren Widersprüche, mit denen viele revolutionäre Bewegungen bis heute zu kämpfen haben. Die Inszenierung ist roh, wild, expressionistisch, Worthülsen werden in den Raum geworfen, mit einem Soundspektakel unterlegt – auf die Dauer kann das anstrengend werden. Auch wenn die Schauspieler, allen voran Jana Schulz, durchaus überzeugen.
Frau: "Wärter, lasst mich raus! Ich wollte das nicht! Blut! Kampf!"
Regisseur Christoph Kalkowski führt das Drama in die Gegenwart, was gegen Ende etwas bemüht klingt.
Junge Frauen:
"Alter, was sind das für bad vibes hier gerade, versteh ich gar nicht."
"Wird die erschossen?"
"Ja, ich sah den Sarg im Waschraum stehen."
Junge Frauen:
"Alter, was sind das für bad vibes hier gerade, versteh ich gar nicht."
"Wird die erschossen?"
"Ja, ich sah den Sarg im Waschraum stehen."
"Masse Mensch" ist kein leichtes Hörstück, es fordert einen beim Hören.
"Es muss sich halt zuerst der Mensch ändern, dann ändert sich die Gesellschaft."
"Nein, ganz falsch, zuerst muss sich die Gesellschaft ändern, dann ändert sich auch der Mensch."
"Ne, so ein Blödsinn, du liegst völlig falsch!"
"Willst du eine aufs Maul?"
Auch wenn sie schon oft gestellt wurden, bleiben die verhandelten Fragen relevant - auch die, welche Rolle der Einzelne spielt gegenüber der "Masse". Wie lang ist es richtig, sich einer scheinbar wichtigen Sache unterzuordnen? Wann ist der Zeitpunkt, sich gegen die Masse zu stellen, sich von ihr abzuwenden? Die Frage nach der eigenen Verantwortung bleibt zeitlos.
"Es muss sich halt zuerst der Mensch ändern, dann ändert sich die Gesellschaft."
"Nein, ganz falsch, zuerst muss sich die Gesellschaft ändern, dann ändert sich auch der Mensch."
"Ne, so ein Blödsinn, du liegst völlig falsch!"
"Willst du eine aufs Maul?"
Auch wenn sie schon oft gestellt wurden, bleiben die verhandelten Fragen relevant - auch die, welche Rolle der Einzelne spielt gegenüber der "Masse". Wie lang ist es richtig, sich einer scheinbar wichtigen Sache unterzuordnen? Wann ist der Zeitpunkt, sich gegen die Masse zu stellen, sich von ihr abzuwenden? Die Frage nach der eigenen Verantwortung bleibt zeitlos.