Hörbuch: "Meine Preise" von Thomas Bernhard

"Was als Ehre gedacht, empfand ich als Niedertracht"

Der österreichische Roman- und Theaterautor Thomas Bernhard, aufgenommen im Juni 1976.
Der österreichische Roman- und Theaterautor Thomas Bernhard, aufgenommen im Juni 1976. © pa / dpa / Votava
Von Georg Gruber |
Zu Lebzeiten war er in Österreich geliebt und verhasst. Auszeichnungen bekam der Schriftsteller Thomas Bernhard dennoch. Welche Bedeutung diese und in seinem Leben einnahmen, reflektiert er polemisch in "Meine Preise" - als Hörbuch brillant eingelesen von Claus Peymann.
Thomas Bernhard starb im Februar 1989. 20 Jahre später erschien "Meine Preise", Erinnerungen aus seinem Nachlass. Bernhard hatte diesen Prosaband wohl noch selbst zur Publikation vorgesehen. So steht es in der editorischen Notiz.
In dem Buch schreibt er sehr unterhaltsam von seinen Preisen, die er erhalten hat. Einblicke in den Literaturbetrieb und das Leben das österreichischen Schriftstellers, zu Lebzeiten in seinem Heimatland geliebt und verhasst. Nun ist "Meine Preise" als Hörbuch erschienen, gelesen von seinem Freund Claus Peymann, lange Direktor des Wiener Burgtheaters und bis vor einem Jahr Intendant des Berliner Ensembles. Ein Erlebnis, meint Georg Gruber
"Ich glaubte an dem Irrtum, Literatur sei meine Hoffnung, ersticken zu müssen. Ich wollte von der Literatur nichts mehr wissen. Sie hatte mich nicht glücklich gemacht, sondern in die stickige und stinkende Grube getreten, aus welcher es kein Entkommen mehr gibt."

Nach dem Debüt "Frost" arbeite er als Lkw-Fahrer

1963 hatte Thomas Bernhard seinen ersten Roman veröffentlicht, "Frost" – und war danach in eine tiefe Sinnkrise gefallen, hatte sein Geld unter anderem als Lastwagenfahrer für eine Bierbrauerei verdient. Bis ihn der Bremer Literaturpreis aus der Krise führte.

"Nicht der Preis selbst war es, der mich aus meiner Stimmungs-, ja aus meiner Existenzkatastrophe errettete, sondern der Gedanke, mit der Preissumme von zehntausend Mark meine Leben abzufangen, ihm eine radikale Wendung zu geben, es wieder möglich zu machen."

Claus Peymann, selbst ein streitbarer Charakter, geht in diesem Text auf, er ist die Stimme seines Freundes Thomas Bernhard. Er treffe ihn regelmäßig in seinen Träumen, erzählt Peymann in Interviews, so nah ist er ihm geblieben, auch nach dessen Tod 1989. Vielleicht kann wegen dieser besonderen Verbindung niemand Thomas Bernhard besser und authentischer lesen, als Claus Peymann.

"Mein Wunsch war es schon immer gewesen, ein Haus für mich allein zu haben und wenn schon kein richtiges Haus, so doch Mauern um mich herum, in welchen ich tun und lassen kann, was ich will, in welche ich mich einsperren kann."

"Meine Preise" ist eine unterhaltsame Abrechnung mit dem Literaturbetrieb, ein polemischer Blick hinter die Kulissen. Thomas Bernhard erzählt von seinen Schwierigkeiten, dem Zeremoniell zu entsprechen: Denn zum jedem Preis gehört auch eine Rede des Preisträgers. Und jedes mal sucht er nach den richtigen Worten. Zwei seiner Preisreden sind auf dem Hörbuch im Original enthalten, auch die, die er in Bremen schließlich hielt.

"Wir sind zusammen in dem letzten halben Jahrhundert ein einziger Schmerz gewesen und wir sind alle zusammen nichts als ein einziger Schmerz. Und eine ungeheure Infamie, ein bodenloser entsetzlicher Geisteszustand."

Brillant gelesene Abrechnung und Polemik

Die deutsche Geschichte, Österreich, der Nationalsozialismus und die mangelhafte und oft scheinheilige Art der Vergangenheitsbewältigung – all das hat ihn geschmerzt und umgetrieben. "Meine Preise" offenbart Einblicke in sein Innenleben, er erzählt offen, wie er aufgrund seiner Lebensumstände das Preisgeld benötigt und doch immer wieder mit sich ringt, ob er Auszeichnungen wie den Kleinen Österreichischen Staatspreis überhaupt annehmen soll.

"Was möglicherweise wirklich von einigen Dummköpfen als Ehre gedacht gewesen war, empfand ich, je mehr ich darüber nachdachte, als Niedertracht, Enthauptung wäre zu hoch gegriffen, aber Niedertracht empfinde ich doch auch heute noch als die geglückteste Bezeichnung."

Über drei Stunden dauert dieses Hörbuch, das mehr ist als eine von Claus Peymann brillant gelesene Abrechnung und Polemik, es bringt einem auch die Person Thomas Bernhard nahe, durch die Erinnerungen, die eingewoben sind. Zum Beispiel an seine Zeit als Kaufmannslehrling in Salzburg oder wie er sich von einem Preisgeld sein erstes Auto kauft und voller Stolz in Wien damit herumkurvt. Unabhängig davon, ob sich all das so zugetragen hat, denn auch "Meine Preise" ist natürlich Literatur. Am Ende kann man ihn noch einmal selbst hören, als ständig Zweifelnden, an den Umständen – und an sich selbst:

"Das Problem ist immer, mit der Arbeit fertig zu werden in dem Gedanken, nie und mit nichts fertig zu werden. Es ist die Frage: Weiter, rücksichtslos weiter, oder aufhören, Schluss machen. Es ist eine Frage des Zweifels, des Misstrauens und der Ungeduld. Ich danke der Akademie, ich danke für ihre Aufmerksamkeit."

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