Hofer provoziert Van der Bellen

Die Kunst der Lüge

Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen vor dem TV-Duell.
Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer beim TV-Duell: Wer wird neuer Bundespräsident in Österreich? © AP / Ronald Zak
Walter Ötsch im Gespräch mit Ute Welty |
Radikalisierung und Verrohung der Sprache - so analysiert der Kulturwissenschaftler und Ökonom Walter Ötsch den Wahlkampf um das Bundespräsidentenamt in Österreich. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer habe mit seiner "Crash-Rhetorik" und absurden Vorwürfen dazu beigetragen.
"Es wird vermutlich sehr, sehr knapp werden", sagt der Kulturwissenschaftler und Ökonom Walter Ötsch über den Ausgang der morgigen Bundespräsidentenwahl in Österreich. Er gab eine Einschätzung der politischen Atmosphäre im Land:
"Insgesamt ist natürlich auch Österreich erfasst von dieser ganzen – man könnte schon sagen – Wut von unten, also das ist schon eine Art von Stimmung. Brexit und der Wahlerfolg von Trump haben dem sicher zusätzlich einen Auftrieb verschafft."
Im österreichischen Wahlkampf habe eine "Radikalisierung" stattgefunden, lautet die Analyse von Ötsch. Sie sei mit einer "Verrohung der Sprache" einher gegangen, die sich besonders in den sozialen Medien manifestiert habe.

Die "Crash-Rhetorik" des Nobert Hofer

Ötsch ging auch auf den Verlauf des letzten Fernseh-Duells zwischen dem FPÖ-Kandidaten und dem den Grünen nahestehenden Alexander van der Bellen ein:
"Norbert Hofer praktiziert eine Art von Crash-Rhetorik, die er sehr sorgsam geübt hat. Er ist auch Kommunikationstrainer. Und er ist ungeheuer geschult darauf, die absurdesten Vorwürfe zu erheben, sie sehr überzeugend und ruhig, mit fast regungsloser Mimik zu transportieren. Und er hat damit gute Wirkungen im Fernsehen."

Die Kunst, bewusst die Unwahrheit zu sagen

Hofer wirke sehr selbstsicher, überlegt und ruhig, manchmal gebe er sich auch sehr freundlich, meint Ötsch. Das bilde die Basis für eine ganz andere Verhaltensweise Hofers:
"Die Kunst ist zum Beispiel, ganz bewusst die Unwahrheit zu sagen. Und das sozusagen sehr stimmig, also im Fachausdruck kongruent zu vermitteln. Das kann er sehr, sehr gut."
In dem Fernsehduell vom Donnerstag Abend sei es Hofer gelungen, seinen Gegenkandidaten aus der Reserve zu locken. So habe er zeitweilig keine besonders glückliche Figur gemacht.
"In diesem unmoderierten Duell ist es dem Herrn Hofer gelungen, Van der Bellen zu ärgern. Und der argumentiert stellenweise gut, aber in manchen Ausschnitten hat er sich geärgert. Und das sollte nicht passieren."
Walter Ötsch ist Professor für Ökonomie und Kulturgeschichte an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues. Er beobachtet populistische Bewegungen weltweit und hat ein Standardwerk über die Strategien von Jörg Haider verfasst. Er ist auch Trainer für die Kommunikationstechnik des Neuro-Linguistisches Programmierens.


Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Die Österreicher haben schon T-Shirts drucken lassen, "Bundespräsidentenwahl 2016 bis 2018 – Ich war dabei". Da schwingt schon eine ganze Menge rabenschwarzer Humor mit. Wenn man sich anschaut, dass es jetzt dann wohl vier Anläufe braucht, um mittels eines rechtmäßigen Verfahrens ein Staatsoberhaupt zu küren. Und auch der Wahlkampf zeichnete sich durch denkwürdige Szenen aus. Die beiden Bewerber trafen zum Beispiel in einem unmoderierten Fernsehduell aufeinander. Auf der einen Seite der frühere Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, auf der anderen Seite der Rechtspopulist Norbert Hofer.
(Ausschnitt Fernseh-Duell)
Dieses Fernsehduell insbesondere und den Wahlkampf insgesamt hat sich Walter Ötsch ganz genau angeschaut, Professor für Ökonomie- und Kulturgeschichte in Bernkastel-Kues, der vor allem populistische Bewegungen weltweit beobachtet. Guten Morgen, Herr Professor Ötsch!

"Norbert Hofer ist auf absurde Vorwürfe geschult"

Walter Ötsch: Guten Morgen!
Welty: Dieser kurze Ausschnitt, den wir gerade gehört haben, inwieweit ist der typisch für die Auseinandersetzungen, die sich ja jetzt schon fast ein Jahr hinzieht?
Ötsch: Ich denke, das ist wirklich eine Art negativer Höhepunkt. Ähnliches war auch zu hören jetzt in der letzten Konfrontation am Donnerstag. Norbert Hofer praktiziert eine Art von Crash-Rhetorik, die er sehr sorgsam geübt hat. Er ist auch Kommunikationstrainer, und er ist ungeheuer geschult darauf, die absurdesten Vorwürfe zu erheben, sie sehr überzeugend und ruhig, mit fast regungsloser Mimik zu transportieren, und er hat hier damit gute Wirkungen im Fernsehen.
Welty: Inwieweit?
Ötsch: Er wirkt sehr selbstsicher, sehr überlegt, sehr ruhig, manchmal auch sehr freundlich. Und die Kunst ist, ganz bewusst die Unwahrheit zu sagen, und das sehr stimmig, also im Fachausdruck kongruent zu vermitteln. Das kann er sehr gut.
Welty: Wobei, um auf diesen Ausschnitt zurückzukommen, Alexander Van der Bellen auch keine besonders glückliche Figur an der Stelle machte.
Ötsch: Das ist richtig. Ich denke, dieses Duell, dieses unmoderierte Duell, da ist dem Herrn Hofer gelungen, den Van der Bellen zu ärgern, und er argumentiert stellenweise gut, und ich denke, in manchen Ausschnitten hat er sich geärgert, und er agiert im Ärger, und das sollte nicht passieren.

Technik des neurolinguistischen Programmierens

Welty: Eine Technik, die in Zusammenhang mit dem Namen Hofer immer wieder genannt wird, ist das Neurolinguistische Programmieren, ein Kommunikationsmodell, das untersucht, in welchen Mustern Sprache, Gehirn und Körper zusammenwirken. Sie selbst sind NLP-Trainer, unterrichten diese Methode. Welche NLP-Elemente benutzt Norbert Hofer?
Ötsch: Ich denke, er nimmt sich manche Teile raus, die eigentlich entwickelt worden sind für Psychotherapie, also Menschen zu entwickeln, und verwendet sie halt für seine Absichten. Er ist zum Beispiel ungeheuer Meister im Umdeuten. Das heißt, er kann sich aus einem Satz, den er hört, einen einzigen Begriff herausnehmen und ihn ein bisschen in einen anderen Kontext stellen und dann sozusagen im Angriff wieder weitergeben. Er kann das wirklich sehr gut, und in dieser Brillianz muss man das halt schon lange Zeit üben.
Welty: Ist das so eine Art Gehirnwäsche?
Ötsch: Nein, das nicht. Ich denke, man kann es – ja und nein. Ich denke, NLP hat zwei Seiten. Das eine ist eben die freundliche Seite, die menschenfreundliche Seite. NLP ist auch ein gutes Werkzeug, um sich selbst steuern zu können. Und die andere Seite ist durchaus manipulativ, ja. Man kann es für Manipulation verwenden.

Van der Bellen hat im Wahlkampf dazu gelernt

Welty: Hat Van der Bellen dem etwas entgegensetzen können im Verlauf des Wahlkampfes?
Ötsch: Ich denke, er hat das zunehmend gelernt. Es gibt auch einige Fernsehduelle, bei denen er recht gut aussteigt, vor allem dann, wenn es ihm gelingt, auf einer Metaebene über diese Kommunikationsmuster zu reden. Und insgesamt hat im österreichischen Wahlkampf eine gewisse Bewusstheit über diese Kommunikationsmuster sich entwickelt. Ich habe da auch ein bisschen beigetragen, und ich denke, das ist eine gute Art, über das zu reflektieren. Wenn man über die Muster reflektieren kann und sie kennt und sie anspricht, dann sind sie weniger wirksam.
Welty: Was glauben Sie denn, welche Wirkung insgesamt sich durch einen Wahlkampf wie den jetzt erlebten weiter entfaltet? Ist das so etwas wie ein schleichendes Gift, das am Ende die Demokratie zersetzt?
Ötsch: Ja, das kann sein. Ich denke, das hat wirklich eine Radikalisierung stattgefunden, eine Art von Verrohung der Sprache. Die schlimmsten Dinge sind ja auf Facebook passiert, also in den sozialen Medien. Herr Hofer hat ja stellenweise sehr freundlich gewirkt. Er hat ja ganz ein freundliches Gesicht gemacht, inhaltlich die gleiche Positionierung wie der FPÖ-Chef Strache, aber sozusagen ganz nett und bieder. Und diese Beispiele in dieser unmoderierten Debatte und in der letzten Debatte, jetzt am Donnerstag, das waren sozusagen die negativen Seiten, die negativen Aspekte, wo man ganz einen anderen Herrn Hofer gesehen hat.

Auch Östereich ist von einer "Wut von unten " erfasst

Welty: Was bedeutet das Ihrer Einschätzung nach für die Wahl morgen, für das Ergebnis?
Ötsch: Das ist schwer abzusehen. Ich denke, es wird vermutlich wieder sehr knapp werden. Und insgesamt ist natürlich Österreich auch erfasst von dieser ganzen, man könnte sagen, so eine Art von Wut von unten. Das ist schon eine Art von Stimmung. Und Brexit und der Wahlerfolg von Herrn Trump hat ihm sicher zusätzlich einen Auftrieb verschafft.
Welty: Die Wahl des Bundespräsidenten in Österreich ist nicht nur für Österreich spannend. Ich habe darüber mit Walter Ötsch gesprochen, der als Ökonom und Kulturwissenschaftler populistische Bewegungen weltweit beobachtet. Haben Sie Dank für dieses Gespräch, das wir aufgezeichnet haben!
Ötsch: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.



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