Hoffnung auf "Ausstrahlungseffekte" der Frauenquote

Moderation: Jan-Christoph Kitzler |
Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, erhofft sich vom Vorstoß der EU-Justizkommissarin Viviane Reding eine schnellere Durchsetzung der Frauenquote. Sollten dadurch mehr Frauen in Aufsichtsräte kommen, würde auch ihre Zahl im operativen Geschäft erhöht werden.
Jan-Christoph Kitzler: In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" konnte man am Dienstag eine eindrucksvolle Männerriege bestaunen, da wurde eingeladen zur "Euro Finance Week". Doch unter den vielen Köpfen, die da zu sehen waren – alle aufgelistet, schön in Reih und Glied –, musste man die Frauen mit der Lupe suchen. Ansonsten alles Schlips- und Anzugträger! Ist das nicht ein Argument für die Frauenquote? EU-Justizkommissarin Viviane Reding würde sagen: Ja! Und deswegen versucht sie es heute wieder, macht einen neuen Vorschlag, wie man doch noch zu einer Quote in Europa kommen könnte. Eines kann man jetzt schon sagen: Wenn etwas daraus werden sollte, dann war das eine ziemlich schwere Geburt mit der Frauenquote!

Und über die Frauenquote spreche ich jetzt mit Jutta Allmendinger, sie ist Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin. Schönen guten Morgen!

Jutta Allmendinger: Schönen guten Morgen Ihnen!

Kitzler: Frau Allmendinger, beginnen wir mal mit einem Zitat: Es gibt nämlich immer noch erbitterten Widerstand gegen die Quote, zum Beispiel aus dem CDU-Wirtschaftsrat. Dessen Präsident Kurt Lauk hat der "Bild"-Zeitung gesagt Folgendes: Qualifizierte Frauen brauchen die Quote nicht, unqualifizierte haben sie nicht verdient! Was halten Sie von solchen Aussagen?

Allmendinger: Diese Aussagen sind empirisch falsch. Wir wissen, dass immer mehr Frauen qualifiziert sind und mehr Frauen als Männer mittlerweile qualifiziert sind, und von daher geht es gar nicht darum, unqualifizierte Frauen jetzt in Aufsichtsräte zu bringen, sondern – wie auch eben in dem Bericht deutlich wurde – bei gleicher Qualifikation sollen Frauen dann in Aufsichtsräte.

Kitzler: Es gibt ja gewisse Hoffnung, dass eine Quote zum Beispiel in DAX-Konzernen Folgeeffekte hat, dass dann auch andere Unternehmen davon inspiriert werden und dass es dann auch mehr Gleichberechtigung gibt zum Beispiel auch in der mittleren Führungsebene. Sind Sie sich da sicher, dass das so kommen könnte?

Allmendinger: Wir hatten in der Tat Untersuchungen, die zeigen, dass, wenn Sie in Aufsichtsräten anfangen, dieses auch die Frauenquote im operativen Geschäft erhöht. Das heißt, Sie werden dann auch bei den Vorständen mehr Frauen haben. Wir haben im mittleren Management allemal über die Zeit große Fortschritte gemacht, was die Vertretung von Frauen betrifft, sodass ich mir einerseits erhoffe, dass in diesen großen Unternehmen in der Tat dann bald in Vorständen mehr Frauen sind, und dass das auch sogenannte Ausstrahlungseffekte gibt in mittlere und kleinere Unternehmen.

Kitzler: Aber besteht da nicht die Gefahr, dass am Ende nur eine Schaufensterpolitik, nenne ich es mal, betrieben wird? Dass es einzelne Unternehmen gibt, die vorbildlich sind, in denen das funktioniert, aber dass die größte Baustelle immer noch bestehen bleibt, nämlich dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen für Menschen, die Familie und Karriere unter einen Hut bringen wollen?

Allmendinger: Zwei Antworten: Zunächst mal habe ich lieber eine Schaufensterpolitik als gar keine Politik, und zum Zweiten ist es so, dass diese Schaufensterpolitik, um Sie zu zitieren, hoffentlich auch dazu führt, dass endlich die Infrastruktur für Frauen und für Männer, die Familie haben wollen, in Ordnung gebracht wird.

Kitzler: Es gibt ja große Hoffnungen, die mit der Quote verbunden sind, zum Beispiel auch, dass sich in der Wirtschaft einiges ändert! Da ist immer so die Rede davon, von männlichem und weiblichem Führungsstil. Ist das Unsinn oder gibt es das wirklich, führen Frauen anders, wird sich die Kultur in Unternehmen ändern?

Allmendinger: Das wäre richtig toll, wenn wir das untersuchen könnten! Dann wäre nämlich der Frauenanteil so hoch, dass wir Männer tatsächlich gegen Frauen stellen könnten. Im Moment vergleichen Sie Äpfel mit Birnen dahingehend, dass Sie die ganz wenigen Frauen, die wir im Moment in Spitzenpositionen haben, 4,2 Prozent, mit sehr, sehr vielen Männern vergleichen. Und diese 4,2 Prozent, die ganz hoch gekommen sind, stehen nicht für Frauen und deren Führungsstil im Allgemeinen!

Kitzler: Das heißt, empirisch kann man das gar nicht sagen?

Allmendinger: Meines Erachtens kann man das nicht sagen!

Kitzler: Viele stören sich ja daran, dass die Frauenquote immer so recht planwirtschaftlich gedacht wird, mit Quoten, die als Ziele gesetzt werden, mit Sanktionen, die dann verhängt werden. Geht es wirklich nicht anders?

Allmendinger: Offensichtlich nicht. Also, Sie sehen, dass der Fortschritt nicht nur eine Schnecke ist, sondern eine Schnecke, die auch noch im Gebüsch sich irgendwie verhakt. Von daher geht es nur so, wir haben das über viele, viele Jahre beobachtet, die Forschung ist sich vollständig im Einen darüber.

Und wenn es jetzt Widerstände gibt, dann sind das Widerstände von jungen Frauen insbesondere, die sagen, verdammt, wir sind doch so gut, warum strahlt das für sich nicht aus? Aber sobald diese Frauen älter werden, werden sie ziemlich schnell zu Quotenfrauen, und sobald Männer junge Töchter haben, die dann älter werden, an die sogenannte gläserne Decke stoßen, dann werden sie auch zu Quotenverfechtern!

Kitzler: Also, das heißt, jetzt unabhängig von den genauen%anteilen: Die Quote, die Einführung der Quote, die auch jetzt in Brüssel vorangetrieben wird, das halten Sie für den richtigen Weg?

Allmendinger: Ich halte das für richtig. Und noch mal: Es ist die Quote bei gleicher Qualifikation! Wir setzen da nicht unfähige Nichts in diese Ämter!

Kitzler: Warum ist das eigentlich eine Frage, die so ideologisch diskutiert wird? Ist das besonders in diesem Fall so?

Allmendinger: Es ist ja nicht nur in diesem Fall so. Sie haben sehr viele Felder, die in Deutschland sehr hochgezogen werden, die Schulpolitik ist ein vergleichbarer Fall. Wir haben schlichtweg eine Tradition, wo der Mann für die Familie sorgt und die Frau sorgt für die Kinder, und das ist immer noch etwas, was in allen möglichen Dimensionen durchschimmert und unsere Einstellungen prägt.

Kitzler: Aber trotzdem, Sie haben ja Bücher veröffentlicht über verschenkte Potenziale, darüber, wie junge Frauen heute leben wollen. Haben Sie eigentlich ...

Allmendinger: Aber diese Vorstellung, dass die Wissenschaft Bücher auf den Tisch legt und die Politik dann danach tanzt, ist ja auch eine etwas verklärte! Das wäre auch gar nicht gut so, das sind Aushandlungsprozesse und man braucht Zeit. Und wenn man dann sieht, dass sich über die Zeit nichts verändert, dann braucht es meines Erachtens genau solche Vorstöße, die jetzt hoffentlich auch realisiert werden wie jene von Frau Reding!

Kitzler: Aber würden Sie sich nicht wünschen, dass die Politik die Forschung, die Sozialforschung und deren Ergebnisse ernster nimmt?

Allmendinger: Ernster insofern, als sie mit in die Diskussionen eingeht. Ernster nicht dahingehend, dass es eine Eins-zu-eins-Übersetzung gibt.

Kitzler: Wenn wir jetzt die Quote einführen, wie lange dauert es denn tatsächlich, bis die alten Gräben überwunden sind Ihrer Meinung nach?

Allmendinger: Jetzt hätten wir ja erst mal bis 2020 Zeit, weil, das ist ja der Korridor, den Frau Reding gegeben hat, und dann werden wir mal sehen, was passiert. Auch wenn dann diese Bußgelder oder die Rücknahme der entsprechenden Verfahren drohen. Ich hoffe mir tatsächlich, dass es eine Beschleunigung geben wird. Wie schnell das geht, da treffen Sie im Moment eher auf eine Pessimistin als auf eine, die sagt, juhu, jetzt haben wir es geschafft!

Kitzler: Der Fortschritt ist eine Schnecke und manchmal verhakt er sich im Gebüsch! Das haben wir auch gelernt heute von Jutta Allmendinger, der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Allmendinger: Ich danke Ihnen!

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