Hoffnung auf einen Neubeginn
240.000 Menschen leben in Košice, der zweitgrößten Stadt in der Slowakei. Als "Europäische Kulturhauptstadt 2013" hat die alte Handelsstadt nach Jahren der Agonie ein neues Selbstbewusstsein entwickelt.
Der Elisabeth-Dom erhebt sich mächtig mitten auf der wichtigsten Magistrale der Stadt, die das historische Zentrum in zwei Hälften teilt. Das gotische Gotteshaus erinnert an die heilige Elisabeth. 1207 wurde sie als ungarische Königstochter in der Region geboren. Gleiches gilt für die Eltern von Andy Warhol, der darum ebenfalls in der Who-is-Who-Liste von Košice steht.
Schriftsteller Sándor Márei hingegen stammt wirklich aus der Stadt. Im Sozialismus verfemt, wird der deutsch-ungarische Dichter nun in seinem Geburtshaus mit einer Dauerausstellung geehrt.
Die "Hlavná", die Hauptstraße, ist ein prächtiger Boulevard mit stattlichen Bauten: das Alte Rathaus, klassizistische Bürgerhäuser und die neobarocke Oper aus einer Zeit, als die Stadt noch ein Teil von Nord-Ungarn war.
Košice lag früher an wichtigen Handelsstraßen, was der königlichen Freistadt Reichtum und Wohlstand brachte. Es war eine multikulturelle Stadt, sagt Axel Hartmann, der deutsche Botschafter in der Slowakei.
"Das ist hier eine Region, die völlig zu Unrecht im Schatten steht oder bisher stand, denn Košice und die ganze Ostslowakei ist eine kulturell sehr reiche Region. Hier waren Ungarn, hier waren Deutsche und hier waren natürlich auch Slowaken und natürlich auch Juden, und die haben alle friedlich zusammen gelebt, und das muss ja einen guten Grund haben und wahrscheinlich war es die Vielsprachigkeit."
Multikulturell ist Košice heute nicht mehr. Manchmal hört man noch Ungarisch auf der Straße, die Nachkommen der Karpatendeutschen bekennen sich nur selten zu ihrer Vergangenheit und Juden leben kaum noch in der Stadt. Am Wochenende kommt der Rabbi aus Budapest. Nur die vielen Synagogen sind steinerne Zeugen einer vergangenen Zeit.
Im Sozialismus wurde aus dem bürgerlichen Košice eine proletarische Stadt mit vielen Fabriken, die es seit der Wende nicht mehr gibt. Wer die Altstadt verlässt, landet ohne Wenn und Aber im Plattenbau.
2012 wurde im historischen Zentrum überall gebaut, ganze Straßenzüge wurden aufgerissen und bekamen ein neues Gesicht. Eine alte Fabrik wird zum Kulturzentrum; an der großen Straße, die zum Bahnhof führt, wird ein marodes Schwimmbad zu einer Kunsthalle umgebaut. Noch kann man nicht glauben, dass alles pünktlich fertig wird. Doch Iveta Ninajova, Leiterin des Tourismusbüros, bleibt optimistisch.
"Bis Mitte nächstes Jahr vielleicht schaffen wir alle infrastrukturellen Projekte. Es gibt vieles zu tun hier, wir haben 75 Millionen Euro, und das größte ist der Umbau einer alten Kaserne in ein neues kulturelles Zentrum. Es besteht aus vier Gebäuden, und da investieren wir 25 Millionen Euro."
3,5 Millionen kommen vom Kulturministerium für das kulturelle Programm. Ein Musikfestivals ist geplant. Die jungen Kreativen sind schon angekommen. Studenten, Künstler und Lebenskünstler haben die Höfe und Gassen der Altstadt erobert. Sie kommen aus ganz Europa. Auch Mathis Lieshout gehört dazu:
"Ich bin hier in Košice im Rahmen des Košice Artists in Residence Programms 'KAIR‘. Ich bin für drei Monate hier und arbeite an einer großen Installation in einem Ateliergebäude zusammen mit ganz unterschiedlichen Künstlern, ja, daran arbeite ich gerade."
Košice blickt nach vorn, doch das fällt manchmal schwer, wenn die Gegenwart allzu drückend ist. Zum Beispiel der Umgang mit den Sinti und Roma: Sie wurden aus der Altstadt vertrieben und leben jetzt in elenden Plattenbauten am Rande der Stadt. In der Siedlung "Lunik 9" gibt es kaum fließend Wasser. Taxifahrer weigern sich manchmal, dort hinzufahren. Nur das Romatan-Theater ist in der Altstadt geblieben. Seit 20 Jahren besteht die kleine Bühne.
Košice hofft auf einen Neuanfang. Iveta Ninajova vom Tourismusbüro denkt an Essen und Liverpool, wenn sie nach Vorbildern unter den Kulturhauptstädten schaut. Auch dort suchen alte Industriestandorte nach neuen Strukturen.
"Von diesen östlichen Kulturhauptstädten da gibt es kein Beispiel, das wirklich gut gemacht ist. Auch Maribor dieses Jahr, die machen diese vielen Veranstaltungen, die konzeptionell keinen Sinn haben für die Zukunft der Stadt, und das finde ich schade."
Wohl wahr. 2013 könnte für Košice ein Neubeginn sein, aber eben nur dann, wenn das Kulturhauptstadt-Jahr mehr wird als ein Event für eilige Besucher, die nur etwas Spaß und Abwechslung suchen.
Links auf dradio.de:
Phönix aus der Asche - Das Kulturhauptstadtjahr hat Marseille einen gewaltigen Innovationsschub verpasst
Auf der Bühne gegen Vorurteile - Mit einem Theater und nur geringen Mitteln kämpfen Aktivisten in Kosice für die Kultur der Roma
Schriftsteller Sándor Márei hingegen stammt wirklich aus der Stadt. Im Sozialismus verfemt, wird der deutsch-ungarische Dichter nun in seinem Geburtshaus mit einer Dauerausstellung geehrt.
Die "Hlavná", die Hauptstraße, ist ein prächtiger Boulevard mit stattlichen Bauten: das Alte Rathaus, klassizistische Bürgerhäuser und die neobarocke Oper aus einer Zeit, als die Stadt noch ein Teil von Nord-Ungarn war.
Košice lag früher an wichtigen Handelsstraßen, was der königlichen Freistadt Reichtum und Wohlstand brachte. Es war eine multikulturelle Stadt, sagt Axel Hartmann, der deutsche Botschafter in der Slowakei.
"Das ist hier eine Region, die völlig zu Unrecht im Schatten steht oder bisher stand, denn Košice und die ganze Ostslowakei ist eine kulturell sehr reiche Region. Hier waren Ungarn, hier waren Deutsche und hier waren natürlich auch Slowaken und natürlich auch Juden, und die haben alle friedlich zusammen gelebt, und das muss ja einen guten Grund haben und wahrscheinlich war es die Vielsprachigkeit."
Multikulturell ist Košice heute nicht mehr. Manchmal hört man noch Ungarisch auf der Straße, die Nachkommen der Karpatendeutschen bekennen sich nur selten zu ihrer Vergangenheit und Juden leben kaum noch in der Stadt. Am Wochenende kommt der Rabbi aus Budapest. Nur die vielen Synagogen sind steinerne Zeugen einer vergangenen Zeit.
Im Sozialismus wurde aus dem bürgerlichen Košice eine proletarische Stadt mit vielen Fabriken, die es seit der Wende nicht mehr gibt. Wer die Altstadt verlässt, landet ohne Wenn und Aber im Plattenbau.
2012 wurde im historischen Zentrum überall gebaut, ganze Straßenzüge wurden aufgerissen und bekamen ein neues Gesicht. Eine alte Fabrik wird zum Kulturzentrum; an der großen Straße, die zum Bahnhof führt, wird ein marodes Schwimmbad zu einer Kunsthalle umgebaut. Noch kann man nicht glauben, dass alles pünktlich fertig wird. Doch Iveta Ninajova, Leiterin des Tourismusbüros, bleibt optimistisch.
"Bis Mitte nächstes Jahr vielleicht schaffen wir alle infrastrukturellen Projekte. Es gibt vieles zu tun hier, wir haben 75 Millionen Euro, und das größte ist der Umbau einer alten Kaserne in ein neues kulturelles Zentrum. Es besteht aus vier Gebäuden, und da investieren wir 25 Millionen Euro."
3,5 Millionen kommen vom Kulturministerium für das kulturelle Programm. Ein Musikfestivals ist geplant. Die jungen Kreativen sind schon angekommen. Studenten, Künstler und Lebenskünstler haben die Höfe und Gassen der Altstadt erobert. Sie kommen aus ganz Europa. Auch Mathis Lieshout gehört dazu:
"Ich bin hier in Košice im Rahmen des Košice Artists in Residence Programms 'KAIR‘. Ich bin für drei Monate hier und arbeite an einer großen Installation in einem Ateliergebäude zusammen mit ganz unterschiedlichen Künstlern, ja, daran arbeite ich gerade."
Košice blickt nach vorn, doch das fällt manchmal schwer, wenn die Gegenwart allzu drückend ist. Zum Beispiel der Umgang mit den Sinti und Roma: Sie wurden aus der Altstadt vertrieben und leben jetzt in elenden Plattenbauten am Rande der Stadt. In der Siedlung "Lunik 9" gibt es kaum fließend Wasser. Taxifahrer weigern sich manchmal, dort hinzufahren. Nur das Romatan-Theater ist in der Altstadt geblieben. Seit 20 Jahren besteht die kleine Bühne.
Košice hofft auf einen Neuanfang. Iveta Ninajova vom Tourismusbüro denkt an Essen und Liverpool, wenn sie nach Vorbildern unter den Kulturhauptstädten schaut. Auch dort suchen alte Industriestandorte nach neuen Strukturen.
"Von diesen östlichen Kulturhauptstädten da gibt es kein Beispiel, das wirklich gut gemacht ist. Auch Maribor dieses Jahr, die machen diese vielen Veranstaltungen, die konzeptionell keinen Sinn haben für die Zukunft der Stadt, und das finde ich schade."
Wohl wahr. 2013 könnte für Košice ein Neubeginn sein, aber eben nur dann, wenn das Kulturhauptstadt-Jahr mehr wird als ein Event für eilige Besucher, die nur etwas Spaß und Abwechslung suchen.
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