Zuversicht in Krisenzeiten

Wann Hoffnung hilft - und wann sie schadet

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In Krisenzeiten hat die Hoffnung Konjunktur. Das Gefühl ist eine mächtige Ressource, hat aber auch Schattenseiten. © picture alliance / CHROMORANGE / Christian Ohde
Zuversicht und Hoffnung ist eine menschliche Grundhaltung. Heute wird diese eher positiv gesehen. Aber das war in der Vergangenheit nicht immer so. Auch worauf wir hoffen, hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder geändert.
Die Weihnachtsbotschaft ist eine der Hoffnung. Sie erzählt vom Licht in der Dunkelheit. Christen hoffen dabei auf Vergebung, Erlösung - vor allem aber auf das ewige Leben. Diese Hoffnung verleiht dem diesseitigen Leben einen Sinn.
Heute können viele mit einem solchen religiösen Weltverständnis nicht mehr viel anfangen. Aber worauf hoffen wir stattdessen? Und ist Hoffnung wirklich so positiv - oder nicht manchmal auch gefährlich?

Was ist Hoffnung eigentlich?

Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ist Hoffnung eine Illusion, ein Gefühl oder ein Verhältnis zur Welt? Die vielleicht gebräuchlichste Klassifikation versteht die Hoffnung als eine Emotion.
Heute wird Hoffnung auch oft als eine politische Tugend beschrieben. Etwas vorsichtiger ausgedrückt, kann man sie auch als Haltung verstehen - als eine Art Disposition, auf die man in bestimmten Situationen zurückgreift.
Hoffnung richtet sich immer auf etwas Gutes in der Zukunft, „das wir für möglich aber auch für unverfügbar halten“ und das immer etwas Unsicherheit, etwas Ungewissheit enthält. Das sagt der Philologe Jonas Grethlein, der sich in seinem Buch „Hoffnung, eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel“ mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Ein Mensch hofft dann, wenn er weiß, dass er etwas nicht ganz aus eigenen Kräften erreichen kann.

Welche Bedeutung hatte Hoffnung in der Vergangenheit?

In der paganen (heidnischen) Antike ist die Hoffnung etwas Ambivalentes: Die Gelehrten im alten Griechenland sehen in der Hoffnung oft auch die Gefahr der Illusion. Im frühen Christentum wird sie dann sehr positiv aufgeladen und mit dem Glauben an die Auferstehung stark auf das Jenseits gelenkt: Die Hoffnung richtet sich auf den Anbruch des Reiches Gottes. Hoffnung wird zur theologischen Tugend.
Diese positive Prägung der Hoffnung bleibt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit bestehen und reicht in ihren Ausläufern bis in die Gegenwart. Im 19. Jahrhundert wird die Hoffnung erstmals verweltlicht und richtet sich beispielsweise auf den Nationalstaat und auf die Befreiung des Proletariats im Marxismus. Hier steht die Befreiung der Arbeiterklasse als Erlösung am Ende der Geschichte.
Im 20. Jahrhundert wird die Hoffnung dann auf den Prüfstand gestellt. Die großen Zivilisationskatastrophen, darunter die beiden Weltkriege, werfen die Frage auf, ob die Menschheit überhaupt noch hoffen darf. Auch die Gegenwart hält große Herausforderungen für die Hoffnung bereit: Durch die Klimakatastrophe ist für uns die Zukunft infrage gestellt.

Ist es gut oder schlecht zu hoffen?

Bereits in der Antike wurde kritisiert, dass Hoffnung uns vom Handeln abhält. Wer hofft, verlässt sich darauf, dass es schon irgendwie gut gehen wird, und versäumt vielleicht, die nötigen Schritte zu gehen, um etwas zu verändern.
Diese Schattenseiten des "Prinzips Hoffnung" sind auch bei politischen Debatten der Gegenwart präsent. So sagte die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg 2019 beim Weltwirtschaftsforum in Davos beispielsweise „Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Furcht fühlt, die ich jeden Tag fühle. Und dann will ich, dass ihr handelt.“
Hoffnung kann also durchaus negative Aspekte haben - wenn sie Menschen dazu bringt, in Strukturen zu bleiben und zu funktionieren, die ihnen schaden. Auf der anderen Seite kann sie auch eine wichtige Ressource sein, um nicht zu verzweifeln und Probleme anzugehen.
Hoffnung lässt sich also nicht in Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“ einordnen. Der Philologe Jonas Grethlein sieht Hoffnung vielmehr als „ein Weltverhältnis, das in unserer Offenheit zur Zukunft wurzelt“.

Worauf hoffen wir heute?

Unsere Hoffnungen seien angesichts der multiplen Krisen unserer Zeit kleiner geworden, sagt der Philologe Jonas Grethlein. Für das Jahr 2025 hoffen viele Menschen in Deutschland vielleicht auf eine handlungsfähige Regierung nach der Bundestagswahl oder darauf, dass die Erderwärmung nicht ganz so schnell voranschreitet, wie es im Moment der Fall ist. Kein Vergleich zu den großen Hoffnungen der Vergangenheit auf Wohlstand aller Völker oder den Weltfrieden.
Stattdessen gibt es einen Trend zur „Mikrohoffnung“, die sich nur in die nahe Zukunft erstrecken und weniger auf die ganze Menschheit richten als auf die kleine Gemeinschaft vor Ort.
Die vielen Krisen der Gegenwart machen uns Angst, doch auch aus einer Verzweiflung kann Hoffnung hervorgehen. Hoffnung kann auch motivieren und Kraft spenden, das wird beispielsweise durch medizinische Studien belegt, die zeigen, dass Heilungsprozesse in einem hoffnungsvollen Zustand schneller ablaufen.
In ihrem Gedicht „Hope Is Not a Bird, Emily, It’s a Sewer Rat“ vergleicht die US-amerikanische Lyrikerin Caitlin Seida die Hoffnung mit einer Kanalratte. Sie sei eben kein zarter Vogel, wie in dem berühmten Gedicht von Emily Dickinson „Hope Is the Thing with Feathers“ aus dem 19. Jahrhundert beschrieben, sondern vielmehr ein zähes Nagetier, das auch unter den widrigsten Umständen überlebt.

pj
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