Kupfer aus Peru
"Ich werde verfolgt, habe Attentate erlebt, wurde verprügelt und in mein Haus wurde mehrfach eingebrochen", sagt der Journalist Vidal Merma in Peru, der zu einem Kupferbergwerk in Espinar recherchiert. © Sofia Yanjari
Der hohe Preis für unsere Kabel
24:16 Minuten
Kupfer steckt in fast allen Kabeln und wird gebraucht für den Ausbau der Stromnetze im Zuge der Energiewende. Aber rund um die Bergwerke in Peru, wo große Anteile des weltweiten Kupfers abgebaut werden, sterben die Tiere und Menschen erkranken.
In der indigenen Quechua-Gemeinde Chikñahui im peruanischen Andenhochland leben die meisten Menschen von der Landwirtschaft und Viehzucht. Sie pflanzen Kartoffeln an, halten Schafe, Kühe und Alpakas. Viele der Lehmhäuser mit Strohdächern haben weder Strom- noch Wasseranschluss.
Wenige Kilometer von der Gemeinde entfernt befindet sich eines der größten Kupferbergwerke der Welt: Las Bambas, seit 2014 betrieben vom chinesischen Rohstoffkonzern MMG, vorher im Besitz des Schweizer Unternehmens Glencore.
"Die Tiere haben Eiter im Bauch"
Es liegt ein metallischer Geruch in der Luft, der Wind weht den Staub vom Bergwerk zu den Häusern. In den vergangenen drei Monaten seien zwanzig ihrer Schafe gestorben, sagt Marcusa Huamaní.
„Das Gras ist voller Staub. Dieses Gras fressen unsere Tiere. Wenn sie sterben, haben sie eine Art Eiter im Bauch. So sehen wir bestimmt auch von innen aus.“
Die Quechua-Indigene beklagt, dass sie das Schulgeld für die Kinder nicht mehr bezahlen kann, weil niemand mehr ihre Tiere kaufen mag: „Die Leute sagen, dass sie verseucht sind. Auch die Pflanzen wachsen nicht mehr. Früher haben sich die Gemeinden gegenseitig geholfen, jetzt sind wir verfeindet. Das hat das Unternehmen uns gebracht.“
Viele Bewohner der Gemeinde leiden unter Kopf- und Bauchschmerzen. Die 79-Jährige Mercedes Huilca hat Nasenbluten, so erzählt sie, und immer wieder Blut im Urin.
„Meine Kinder haben mich in die Hauptstadt Lima gefahren, um mein Blut untersuchen zu lassen. Dort haben sie Blei in meinem Blut gefunden", klagt sie. "Seit die Mine hier ist, ist alles voll mit Staub und Lärm, deshalb geht es uns schlecht.“
Kupfer ist wichtigstes Exportprodukt Perus
Viele in der Gemeinde glauben, dass sie Schwermetalle im Blut haben. Aber nur wenige können es sich leisten, in die Stadt zu fahren, um eine Blutuntersuchung durchführen zu lassen.
José Armando, der Sohn von Mercedes Muilca, hat sein Möglichstes getan.
„Wir haben uns beim Unternehmen beschwert, aber es streitet die Verantwortung ab. Auch die Behörden hören uns nicht. Meine Mutter ist krank, unsere Tiere sterben. Wir glauben, dass es an der Umweltverschmutzung liegt, aber wie können es nicht beweisen.“
Die Quechua-Gemeinden in der Umgebung der Mine Las Bambas protestieren immer wieder gegen die Umweltverschmutzung mit Straßenblockaden. Das chinesische Unternehmen musste deshalb im vergangenen Jahr die Produktion mehrere Wochen lang einstellen.
Aber die Kupferproduktion in Peru boomt, denn die Nachfrage steigt. Kupfer ist das wichtigste Exportprodukt Perus, das Land ist der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt.
Die Deutsche Rohstoffagentur erwartet, dass sich der Kupferbedarf bis zum Jahr 2035 in etwa verdoppeln wird. Grund dafür ist die Energiewende.
Corredor Minero heißt die fast 500 Kilometer lange Autobahn, auf der jeden Tag über 300 LKW fahren, um das Kupfer von den Minen zum Hafen in der Provinz Arequipa zu bringen. Über 40 Quechua-Gemeinden leben in der Nähe des Corredor Minero, auch sie blockieren wie die indigenen Anwohner der Kupfermine Las Bambas regelmäßig die Autobahn, um ihre Forderungen nach Transparenz, Umweltschutz und Beteiligung ihrer Gemeinden am Wohlstand durchzusetzen. Damit können sie etwa ein Drittel der Kupferproduktion von Peru lahmlegen.
Wenn die Konflikte jetzt schon eskalieren, was wird dann in den nächsten 30 Jahren passieren, wenn die Energiewende in Europa, den USA und Asien Fahrt aufnimmt?
Hohe Schwermetallbelastung in Region Espinar
Der Journalist Vidal Merma kommt aus einer Quechua-Gemeinde, die nahe eines Kupferbergwerkes in Espinar liegt, das der Schweizer Konzern Glencore betreibt. Er beobachtet die Entwicklung sein Langem.
„Ich habe in der Hauptstadt studiert und bin vor etwa 15 Jahren zurückgekommen, weil meine Eltern krank waren. Sie hatten eine unbekannte Krankheit. Das ging nicht nur meinen Eltern so. Viele Leute waren krank und wussten nicht, warum. Ich fing an, zu recherchieren, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Seitdem werde ich verfolgt, ich habe Attentate erlebt, wurde verprügelt und in mein Haus wurde mehrfach eingebrochen.“
Amnesty International analysierte zwischen 2018 und 2020 Blut- und Urinproben von 150 Freiwilligen aus elf indigenen Gemeinden in der Region Espinar. Das Ergebnis: Bei 78 Prozent der Personen überschritten die untersuchten Schwermetalle die Referenzwerte der Weltgesundheitsorganisation. 58 Prozent hatten erhöhte Werte von Arsen, 29 Prozent von Magnesium, 12 Prozent von Kadmium, vier Prozent von Blei und drei Prozent von Quecksilber.
Schwermetalle können sich im Körper anreichern und langfristig zu Organschäden führen, auch wenn täglich nur eine geringe Menge aufgenommen wird. Die Internationale Agentur für Krebsforschung hat Arsen als „krebserregend für Menschen“ eingestuft.
Dem Umweltbundesamt zufolge wirkt Blei neurotoxisch und beeinflusst damit die intellektuelle Entwicklung von Kindern. Quecksilber schädigt die Nieren.
Glencore weist die Verantwortung für die Schwermetallbelastung in Espinar zurück und verweist auf Studien, die das Gebiet per se als stark mineralisiert ausweisen.
Korruption auf allen Ebenen
Renato Ormachea, der in der Stadtverwaltung Espinar für Umweltmanagement zuständig ist, sieht das anders. Er geht davon aus, dass die Bergbauabfälle in den Boden versickern und so die Wasserläufe verschmutzen.
„Espinar ist verseucht. Man muss blind sein, wenn man das nicht sieht“, klagt er an.
„Der Bergbau hat hier in Espinar alle Grenzen überschritten. Das Unternehmen übernimmt keine Verantwortung dafür. Sein einziges Ziel ist es, Geld zu verdienen.“
Korruption behindert die Aufklärung auf beiden Seiten. Sowohl der peruanische Staat zeigt auffällig wenig Interesse an Transparenz, noch die Rohstoffkonzerne.
Der Konzern Glencore bekannte sich im Mai 2022 in verschiedenen Fällen der Bestechung und Marktmanipulation in Lateinamerika und in verschiedenen afrikanischen Staaten für schuldig. Seine Aktivitäten in Peru wurden damals nicht untersucht.
Die linke Regierung von Pedro Castillo verabschiedete zwar einen Plan, um die von Schwermetallbelastung betroffene Bevölkerung in Peru zu unterstützen. Aber Castillo wurde im Dezember abgesetzt, die Vizepräsidentin übernahm das Amt – im ganzen Land protestieren seitdem Menschen für Neuwahlen. Die politische Krise erschwert die Bewältigung der Gesundheitskrise.
Hilft ein europäisches Lieferkettengesetz?
NGOs machen auf die Notwendigkeit eines wirksamen Europäischen Lieferkettengesetzes aufmerksam. Es sollte demnach verbindliche Mechanismen enthalten, um die Menschenrechte der Bevölkerung in Bergbauregionen zu schützen.
2022 legte die Europäische Kommission tatsächlich einen Entwurf für das Lieferkettengesetz vor. Demnach können Opfer von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden zukünftig Schadensersatzforderungen vor europäischen Gerichten geltend machen.
Das deutsche Lieferkettengesetz ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten.
Konsumenten und Investoren des Kupferbergbaus kämen überwiegend aus Europa, so die die Biologin Karem Luque von der Nichtregierungsorganisation Derechos Humanos Sin Fronteras. Daraus ergäbe sich eine globale Verantwortung, um Mechanismen für die Lieferketten zu entwickeln, damit keine Produkte konsumiert werden, die Menschenleben gekostet haben.
Bolivien will mit Lithium aus der Armut
In Perus Nachbarland Bolivien gibt es Ressourcenkonflikte um einen weiteren Schlüsselrohstoff für die Energiewende: Lithium. Lithium wird für leistungsstarke Batterien gebraucht, wie sie in Elektroautos verbaut werden.
In den Salzseen Boliviens, Argentiniens und Chiles lagern knapp die Hälfte des Lithium-Vorkommens der Welt. Entsprechend hart umkämpft sind die Lizenzen für die Ausbeutung. Wer hier zum Zuge kommt, ist als Zulieferer für die Autoindustrie für die nächsten Jahrzehnte unersetzbar.
Zumindest in Bolivien aber will man nicht mehr als Rohstofflieferant wie in Kolonialzeiten fungieren, sondern die Wertschöpfung im eigenen Land betreiben. Es sind also nur Kooperationsvereinbarungen im Gespräch. Ein deutsches mittelständisches Unternehmen, das bereits einen Vertrag unterschrieben hatte, ist wieder raus aus dem Spiel. Konzerne aus China und den USA klopfen inzwischen an, aber ob mit denen ein Deal auf Augenhöhe erreichbar ist, so wie ihn sich die bolivianische Regierung wünscht, ist fraglich.
Wer haftet für irreparable Umweltschäden?
Sicher ist nur, dass das Lithium unter dem Salar de Uyuni für Bolivien eine noch nie dagewesene Chance bietet, das Land aus der Armut zu führen. Eine gerechte Verteilung des Reichtums würde gerade auch der indigenen Bevölkerung zugutekommen, die in Bolivien über die Hälfte ausmacht.
"Solche Konflikte bieten auch etwas Positives. Sie können die Position der lokalen Bevölkerung stärken", meint Barbara Göbel, Direktorin des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin. Im sogenannten Lithiumdreieck Boliven-Argentinien-Chile sei dies durchaus geschehen.
"Worüber bisher allerdings wenig verhandelt wird, ist über die Zeit danach. Was passiert, wenn der Bergbau zu Ende geht, aber ein irreparabler Schaden an der Umwelt entstanden ist? Darüber wird nicht gesprochen. Auch, weil wir noch zu wenig über die Salzseen wissen."
Onlinetext: Ellen Häring