"NS-Symbolik hat nichts in der CDU zu suchen"
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Wird der CDU-Kommunalpolitiker Robert Möritz aus der Partei geworfen? Die CDU-Spitze in Sachsen-Anhalt berät heute über den Mann mit Kontakten in die Neonazi-Szene. Innenminister Holger Stahlknecht fordert ein "geordnetes und faires Verfahren".
Eine so genannte "Schwarze Sonne" als Tattoo, Fotos mit einer Neonazi-Band, Ordner bei einer rechtsextremen Demonstration: Der Fall des sachsen-anhaltinischen CDU-Kommunalpolitikers Robert Möritz belastet die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt schwer.
Auch die Bundes-CDU steht unter Druck. Heute kommt die CDU-Landesspitze in Magdeburg mit den Kreischefs zusammen, um über Konsequenzen zu beraten. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) betonte im Deutschlandfunk Kultur, dass in der CDU "kein Platz für Nazis" sei:
"Selbstverständlich bin ich der Auffassung, dass das Zurschaustellen von NS-Symbolik – egal, ob es am Körper ist oder durch Zeichen – nichts in der CDU zu suchen hat. Das ist völlig klar, das ist auch nicht verhandelbar. Aber wir reden über einen Menschen und das wird in einem geordneten und fairen Verfahren erfolgen."
Worauf dieses bei Möritz hinauslaufen dürfte, ließ der Minister offen.
Professionelle Aussteigerprogramme
Die Causa Möritz offenbare, dass "Rechtsextremismus entschieden bekämpft" werden müsse, so Stahlknecht weiter, "dass wir den Menschen, die aber aus dieser Szene herauswollen, auch helfen müssen." Dazu gebe es professionelle Ausstiegshilfen:
"Das heißt derjenige, der aus dieser Szene ausgestiegen ist, muss erkennbar, nachweislich dokumentieren können, dass er sich davon distanziert hat. Und das erfolgt am besten, indem derjenige zunächst erst einmal eine Ausstiegshilfe aufsucht, weil sonst diese Risiken viel zu hoch sind."
Zur Abgrenzung der CDU zum rechten Rand sagte Stahlknecht:
"Es gibt keine Zusammenarbeit und keine Koalition mit der AfD. Es ist ein völliger Irrglaube, dass man, wenn man anfängt, die AfD rechts zu überholen, Wählerstimmen zurückgewinnt. Das beschädigt am Ende das Ansehen meiner Partei, meiner CDU. Das ist dann auch nicht mehr meine CDU."
(bth)
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Es ist ein Fall, der längst bundespolitische Wellen schlägt, er spielt in Sachsen-Anhalt. Und die CDU-Spitze von Sachsen-Anhalt, die wird sich heute mit den Kreisvorsitzenden treffen, um den Umgang in diesem Fall, in dem Fall Robert Möritz, zu besprechen, dessen Nähe zu Rechten offenbar weit mehr war als ein Tattoo aus Hakenkreuzen, die zu einer schwarzen Sonne zusammengelegt waren auf dem Unterarm.
Wo steht die CDU und wie will die Partei mit Zugängen aus dem rechten Lager umgehen? Das will ich jetzt wissen von Holger Stahlknecht, CDU-Chef und Innenminister von Sachsen-Anhalt. Schönen guten Morgen!
Holger Stahlknecht: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Billerbeck: Ich habe es gesagt, Sie wollen sich heute mit den Kreisvorsitzenden der CDU in Sachsen-Anhalt treffen, was genau wollen Sie denn mit denen bereden?
Stahlknecht: Wir werden heute Abend über diesen Fall reden, wir werden darüber reden, ob diese Person glaubwürdig ist, ob die Aussagen, die er getroffen hat, glaubhaft sind. Und wenn es um solche Verfahren geht, handelt es sich am Ende auch immer – auch in einer Partei selbstverständlich – um ein rechtsstaatliches Verfahren, das muss geordnet ablaufen. Und genau das werden wir heute tun.
Billerbeck: Nun ist es aber nicht bei diesem Tattoo geblieben, wo eine schwarze Sonne aus Hakenkreuzen auf dem Unterarm von Robert Möritz gezeigt wurde, gestern hat der MDR auch Fotos gezeigt von 2014, auf denen der Betroffene mit einer Neonaziband zu sehen ist. Und auf Facebook hat er dann dazu geschrieben: War ein geiler Abend! Wie wollen Sie denn die Abgrenzung nach rechts – zum Beispiel gegenüber der AfD – glaubhaft machen mit solchen Mitgliedern in den eigenen Reihen?
"In der CDU ist kein Platz für Nazis"
Stahlknecht: Also, damit das mal zunächst völlig klar ist: In der CDU ist kein Platz für Nazis, kein Platz für Rechtsextremismus und auch kein Platz für NS-Symbolik, auch diese Hakenkreuze. Das verbietet sich von selber und das muss es auch eine ganz klare Aussage geben. Die CDU besteht auch nicht nur aus einem rechtskonservativem Flügel, der gelegentlich sehr laut ist, sondern diese Partei ist ja breit gespannt – und auch ich selbst gehöre nicht diesem rechtskonservativen Flügel an. Da wird es eine klare Positionierung geben, und die haben wir auch schon längst abgegeben.
Billerbeck: Sie haben das schon öfter gesagt, trotzdem: Ist dieser Mann in Ihren Augen in der CDU richtig?
Geordnetes und faires Verfahren
Stahlknecht: Das werden wir heute Abend besprechen. Wissen Sie, ich habe sieben Jahre lang bei Staatsanwälten und bei Gerichten gearbeitet. Und wir tun daran, das, was wir auch beim Strafverfahren verabredet haben, dem Angeklagten Gehör zu geben, Dinge abzuwägen, auch in solchen Fällen zu tun. Wir entscheiden am Ende auch über Menschen, da ist es wichtig, dass das professionell passiert. Und ein Landesvorsitzender ist nicht derjenige, der wie im Circus Maximus den Daumen hebt oder senkt, sondern wir haben Statuten und Vereinbarungen, das wird abgewogen.
Und selbstverständlich bin ich der Auffassung, dass das Zurschaustellen von NS-Symbolik – egal, ob das am Körper ist oder durch Zeichen – nichts in der CDU zu suchen hat. Das ist völlig klar und auch nicht verhandelbar. Aber wir reden über einen Menschen, und das wird in einem geordneten und fairen Verfahren erfolgen.
Billerbeck: Trotzdem hat dieser Mensch Ihnen ja schon mal nicht die ganze Wahrheit gesagt. Er hat zwar gesagt, er hätte sich distanziert, aber nun sind eben diese Fotos aufgetaucht, das hätte er doch gleich zugeben können. Reicht da diese Distanzierung für Ihren Geschmack aus?
Stahlknecht: Wissen Sie, Sie versuchen jetzt, von mir, dass ich das heute vorwegnehme. Natürlich habe ich eine Meinung, was die Glaubwürdigkeit der Person angeht und die Glaubhaftigkeit der Aussagen, aber ich möchte das heute Abend in dem Gremium besprechen, wo es hingehört, in dem geschäftsführenden Landesvorstand. Da wird es eine Empfehlung geben, und dann wird der Landesvorstand entscheiden, ob er dieser Empfehlung folgt oder nicht. Das ist das geordnete Verfahren.
Billerbeck: Trotzdem noch mal gefragt: Offenbart dieser Fall Möritz nicht eine arg strapazierte Toleranz oder strapazierbare Toleranz der Basis der CDU gegen rechts?
Professionelle Ausstiegshilfen
Stahlknecht: Das offenbart eins, dass zunächst mal festzustellen ist, dass Rechtsextremismus energisch und entschieden bekämpft werden muss, dass wir den Menschen, die aber aus dieser Szene hinauswollen, auch helfen müssen. Dafür gibt es professionelle Ausstiegshilfen auch in unserem Land, aber eines sage ich auch ganz deutlich: Eine Partei ist völlig überfordert, ein Aussteigerprogramm aufzulegen, dazu ist sie ja gar nicht in der Lage, ist auch nicht die Aufgabe einer Partei. Das heißt, derjenige, der aus dieser Szene ausgestiegen ist, muss erkennbar und nachweislich dokumentieren können, dass er sich davon distanziert hat. Und das erfolgt am besten indem derjenige zunächst einmal eine professionelle Ausstiegshilfe aufsucht, weil sonst sind diese Risiken viel zu hoch.
Billerbeck: Sowohl Sie als auch der Ministerpräsident Reiner Haseloff haben sich ja sehr klar distanziert, trotzdem steht ja immer wieder die Frage, wie steht es um die Rechtsabgrenzung mit der CDU-Basis in Ihrem Land. Fehlt da dem einen oder anderen so eine Art innerer Kompass?
Keine Zusammenarbeit mit der AfD
Stahlknecht: Es ist für mich völlig klar, es wird keine Zusammenarbeit und keine Koalition mit der AfD geben. Und es ist ein völliger Irrglaube, dass man, wenn man anfängt, die AfD rechts zu überholen, Wählerstimmen zurückgewinnt. Das beschädigt am Ende das Ansehen meiner Partei, meiner CDU, das ist dann auch nicht mehr meine CDU. Und ich habe klar auch auf dem Parteitag gesagt, dass jetzt Geschlossenheit gilt, dass wir uns auf die Dinge wirklich besinnen, die den Menschen wichtig sind im Land, und nicht ständig, sage ich mal, mit den Muskeln am rechten Rand spielen. Das sind Dinge, die halte ich für komplett überflüssig.
Wir müssen uns auf die Stärken unserer Partei besinnen, diese Stärken liegen in der Mitte der Gesellschaft und nicht, dass am rechten Rand mit irgendwelchem Getöse irgendwelche Offenbarungen verkündet werden.
Billerbeck: Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.