"Hollyhood"-Filmfestival in Potsdam

Rapperinnen und Rapper stürzen sich auf die Politik

Konzert in Prag mit dem US-Rapper Chuck D
Konzert in Prag mit dem US-Rapper Chuck D © imago stock&people
Azadê Peşmen im Gespräch mit Gesa Ufer |
"Hollyhood" - so nennt sich ein Hip Hop Filmfestival in Potsdam. Es geht mehr als etwa um Musikfilme. Thematisiert wird soziale Gerechtigkeit. Es geht um Empowerment, Rassismus im Alltag und Sexismus in der Hip Hop-Kultur.
Wie gehen Hip Hop und soziale Gerechtigkeit zusammen?
Das geht ganz gut zusammen, wenn man unter sozialer Gerechtigkeit ein Ende der ökonomischen Ausgrenzung der Menschen versteht, dann passt das auch zur Entstehungsgeschichte des Hip Hop. Hip Hop ist in den Siebzigern in der South Bronx, einem Bezirk in New York, in dem zumindest damals eher ärmere Menschen gelebt haben, entstanden.
Mittlerweile wird "Social Justice" aber auch so verwendet, dass auch andere Kämpfe gemeint sind, der Kampf gegen Rassismus zum Beispiel. Der wurde und wird auch heute noch häufig in Rap-Texten thematisiert. Chuck D, ein Rapper der Gruppe Public Enemy, meinte mal Hip Hop sei das CNN der Schwarzen. Hip Hop ist also das Medium für Menschen, die marginalisiert werden und im Mainstream eher unterrepräsentiert sind.
Der Festivalorganisator Saman Hamdi sieht auch einen ganz aktuellen, politischen Bezug:
"Gerade auch in den Zeichen eines so starken Rechtsrucks in Europa und im globalen Norden, also wenn man sich Trump anguckt, die Werte von Le Pen, von Höcke und Petry hierzulande, ganz Europa eigentlich, dann drohen uns böse Dinge. Faschismus ganz konkret. Und meiner Meinung nach eignet sich die Hip Hop-Kultur, um über bestimmte Dinge zu sprechen."
Man kann also den Bogen schlagen von der politischen Situation in der Hip Hop entstanden ist bis hin zu der Gemengelage heute.
Wie spiegeln sich diese Aspekte im Programm wieder?
Das Festivalprogramm liest sich wie ein Rundumschlag all der Debatten, die im Rahmen von sozialer Gerechtigkeit stattfinden. Am Frauentag ging es beispielsweise um Sexismus im Hip Hop, und in diesem Rahmen wurde ein sehr beeindruckender Film gezeigt, nämlich "Girl Power", ein Film, der Graffiti-Malerinnen aus Europa porträtiert.
Ich bin kein Graffiti-Girl, ich bin eine Graffiti-Malerin, sagt darin die Künstlerin Utah. Damit wollte sie klar machen, dass es in erster Linie um die Kunst gehen soll und nicht um ihr Geschlecht. Was an dem Film besonders bemerkenswert ist, ist dass nicht – wie so oft in Graffiti-Dokumentarfilmen – die Künstler herosiert werden, sondern auch sehr deutlich die Schwierigkeiten und Grenzen dargestellt werden.
Die Kamera begleitet die Regisseurin und zeigt das "normale Leben" der Künstlerin. Tagsüber ist sie Abteilungsleiterin in einem Callcenter, nachts geht sie sprühen und investiert auch sehr viel Zeit, Geld und Energie in diesen Film. Und je länger sie daran arbeitet, desto schwieriger wird es, dieses Leben aufrecht zu erhalten. Sie ist irgendwann zu viel unterwegs, um den Film zu drehen, so dass sie ihren Job verliert. Durch die Zeit und vor allem das Geld, das sie in den Film investiert, bekommt sie dann auch Probleme mit ihrem Partner, es werden also auch allerhand Schattenseiten aufgezeigt.
Gestern Abend wurde der Klassiker "La Haine" gezeigt, wo es unter anderem um Polizeigewalt in den Banlieus Frankreichs geht und auch da lassen sich Parallelen zu den Verhältnissen heute sehen: Anfang Februar wurde Théo, ein Schwarzer Franzose von der Polizei vergewaltigt, was zu Protesten in den Vorstädten geführt hat. Polizeigewalt spielt auch immer wieder eine Rolle in Rap-Texten und durch den Film, vor allem durch den dazugehörigen Soundtrack, wurde Französischer Hip Hop auch nochmal bekannter.
In aktivistischen Debatten rund um "Social Justice" geht es meist darum, unterschiedliche Lebensrealitäten mitzubedenken, ist das auf dem Festival geglückt?
Neben den Filmen gibt es an diesem Wochenende auch einen Workshop und ein Battle, wo die Teilnehmer gegeneinander tanzen, aber es gibt eben auch - ganz klassisch - Vorträge, zum Beispiel zum Thema Hip Hop, Migration und Empowerment. Und ich war bei der Podiumsdiskussion zum Thema Frauen und Sexismus im Hip Hop und die kam mir doch ein wenig akademisch vor, der Organisator des Festivals gelobt aber Besserung:
"Wir versuchen, den Ton so weit wie möglich inklusiv und offen zu halten und so Schwellen abzubauen. Und wenn das jetzt sehr akademisch war, dann tut mir das sehr leid, wir werden daran arbeiten."
Vielleicht klappt dann im nächsten Jahr besser, falls es vom Hollyhood-Festival eine zweite Ausgabe gibt.
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