Hollywood-Ikone

    Der witzige Vagabund

    Melone, Bärtchen und Stock - die Markenzeichen, mit denen Charlie Chaplin den Slapstick erfand, werden bis heute kopiert. Vor 125 Jahren wurde die Hollywood-Ikone, die selbst dem Krieg noch komische Seiten abgewinnen konnte, geboren.
    In einem Gespräch, das Deutschlandradio Kultur anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Senders sendet, erinnert sich die Schauspielerin Geraldine Chaplin an ihren berühmten Vater. Charlie Chaplin sei privat sehr streng, aber auch humorvoll gewesen. "Er hat das Komische aus allem gezogen", sagt die Frau, die 1944 als erstes Kind aus der Ehe von Chaplin und seiner vierten Frau Oona O'Neill auf die Welt kam.
    Die Schauspielerin Geraldine Chaplin im Hotel Adlon in Berlin mit Ausblick aufs Brandenburger Tor.
    Die Schauspielerin Geraldine Chaplin im Hotel Adlon in Berlin mit Ausblick aufs Brandenburger Tor.© picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
    Wer den Lebensweg Charlie Chaplins nachvollziehen möchte, stößt auf so manche Eigenheit, die Anlass für einen typischen Chaplin-Film gegeben hätte. Nicht einmal der Geburtsort ist sicher. In den meisten Biografien steht, dass Charles Spencer Chaplin in London geboren wurde, eine Geburtsurkunde fand aber nicht einmal der Geheimdienst. Der kleine Charlie war bettelarm - so wie das Waisenkind in "The Kid" (1921). Die Mutter war psychisch krank, der Vater trank sich zu Tode. Aus der Tragik seiner Kindheit zog der kleine Charlie aber allerlei Komisches und trat mit fünf Jahren zum ersten Mal auf.
    "Der Spazierstock steht für die Würde des Menschen"
    Schon in seinem zweiten Film erfand Chaplin eine Figur, die für Jahrzehnte zu seiner Paraderolle werden sollte, nämlich die des Vagabunden mit der zu großen Hose, den ausgebeulten Schuhen, der Melone und dem Stock. "Der Spazierstock steht für die Würde des Menschen", sagte Chaplin später, "der Schnurrbart für die Eitelkeit und die ausgelatschten Schuhe für die Sorgen". Bald übernahm er auch die Regie seiner Filme und lieferte mit "The Tramp" (1915) sein erstes Meisterwerk ab.
    Der Erfolg war so groß, dass der Schauspieler, der schnell zur Ikone geworden war, sich selbst in einem Atemzug mit Jesus nannte. "Ich bin selbst in Teilen der Welt bekannt, wo die Menschen noch nie etwas von Jesus gehört haben", sagte er. In den USA gab es ein Kino, das neun Jahre lang - nur kurz durch einen Hausbrand unterbrochen - ausschließlich die Filme von Chaplin zeigte.

    Charlie Chaplin als Diktator Hynkel in "Der große Diktator"
    Charlie Chaplin als Diktator Hynkel in "Der große Diktator"© AP / Piffl, HO
    Viele seiner späteren Werke gingen über die klassische Klamotte hinaus, etwa "Lichter der Großstadt" und "Moderne Zeiten". Spät erst begann Chaplin auch Tonfilme zu drehen. Dabei gelang ihm mit "Der große Diktator" eine der brillantesten Filmsatiren der Kinogeschichte. Die Nazis waren sichtbar eingeschnappt und reagierten mit der aus ihrer Sicht schlimmsten Beschimpfung: Chaplin sei Jude, hieß es im Propagandaministerium.
    Er komponierte sogar die eigene Filmmusik
    Der Darsteller, Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und in einigen Fällen sogar Komponist der eigenen Filmmusik weigerte sich in den 1950er-Jahren, in den USA Kommunisten zu boykottieren und führte Beziehungen mit minderjährigen Frauen. Aus diesen Gründen wurde er in den USA zunehmend misstrauisch beäugt. Er ging zurück nach Europa. Seine letzten Jahre verbrachte er in der Schweiz, bis er schließlich am ersten Weihnachtstag 1977 starb.
    Doch - wie so oft in seinem Leben und in den Filmen schon - bot Chaplin sogar ein paar Wochen nach seinem Tod noch eine skurrile Groteske. Arbeitslose Verbrecher entführten seine Leiche und forderten 600.000 Franken. Sie wurden gefasst und Chaplins sterbliche Überreste erneut beerdigt. Später wurde auf Chaplins Grab eine zwei Meter dicke Betonschicht geschüttet.
    Philosophen und Künstler beschäftigen sich mit seinem Werk
    Die Begeisterung, die Chaplins Schauspielkunst noch heute auszulösen vermag, drückt ein Buch von Patrick Roth aus, das zum 125. Geburtstag neu aufgelegt wurde. Der Titel: "Meine Reise zu Chaplin - Ein Encore". Als junger Filmstudent reiste der Autor in die Schweiz, um seinem Kino-Idol nahe zu sein. Er schrieb Chaplin einen Brief und bekam als Antwort ein mit zittriger Schrift signiertes Foto. In Los Angeles hatte Roth als 22-jähriger Student in einem Kino jenen Chaplin-Film zum ersten Mal gesehen, der ihm fürs Leben der liebste werden sollte: "City Lights/Lichter der Großstadt". Dieser Film war es, der ihn auf die Reise in die Schweiz schickte, um dem bewunderten Filmgenie persönlich seinen Brief zu überreichen.
    Schauspielerin Adriana Altaras, Regisseur Dani Levy und Helge Schneider posieren auf dem Roten Teppich zur Weltpremiere des Kinofilms "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" in der Lichtburg in Essen.
    Schauspielerin Adriana Altaras, Regisseur Dani Levy und Helge Schneider posieren auf dem Roten Teppich zur Weltpremiere des Kinofilms "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" in der Lichtburg in Essen.© AP
    Der französische Star-Philosoph Jacques Rancière hat im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur die Entwicklung des modernen Denkens auch an dem Werk Charlie Chaplins festgemacht. Seine Schauspielkunst und andere Schlüsselmomente der Kulturgeschichte hätten dazu geführt, "dass man die Definition von Kunst neu geschrieben hat". Mit den Auswirkungen der Slapstick-Kunst auf die bildende Kunst befassen sich einige Bücher und Ausstellungen, wie etwa im Kunstmuseum Wolfsburg. Und auch in der darstellenden Kunst, etwa in der neuen Regiarbeit von Andreas Kriegenburg an der Semperoper Dresden finden sich zahlreiche Anspielungen auf Chaplins Stummfilmklassiker.
    In Kinogeschichte spielen die Einflüsse Chaplins ebenfalls bis heute eine wichtige Rolle. Mehrere Regisseure haben versucht, so wie es "Der große Diktator" vormachte, Adolf Hitler als alberne Figur bloßzustellen. In Deutschland war Dani Levy einer der ersten, in "Mein Führer" übernahm der Komiker Helge Schneider die Rolle des Diktators. Der Film sorgte für heftige Diskussionen über die Grenzen des Erlaubten in der Darstellung Hitlers.
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