Holocaust-Äußerung von Abbas
Gemeinsamer Auftritt mit tiefem Dissens: Mahmoud Abbas (l), Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, und Bundeskanzler Olaf Scholz bei ihrer Pressekonferenz. © Getty Images / Sean Gallup
Eine Provokation neuen Ausmaßes?
15:10 Minuten
Der Eklat nach einem Auftritt von Palästinenserpräsident Abbas mit Kanzler Scholz erfordere diplomatische Konsequenzen, sagt Angelika Hellemann. Abbas warf Israel vielfachen "Holocaust" vor. "Eine ziemlich einmalige Entgleisung", so die Journalistin.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz warf der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas Israel vor, vielfachen Holocaust an den Palästinensern begangen zu haben. Angelika Hellemann, stellvertretende Politikchefin der "Bild am Sonntag", nennt den Vorgang "eine ziemlich einmalige Entgleisung", die nach diplomatischen Konsequenzen verlange.
Relativierung des Holocausts im Kanzleramt
"Da steht ein anderer Regierungschef in unserer Regierungszentrale im Kanzleramt und relativiert den Holocaust. Das hat es so noch nicht gegeben“, so Hellemann. Die Bundesregierung dürfe danach auf keinen Fall zur Tagesordnung übergehen. Dabei gehe es nicht zuletzt um ein Signal an die Öffentlichkeit, "weil man ja auch nicht allen Leuten sagen kann: Wenn du irgendwo Antisemitismus und Diskriminierung hörst, steh auf und sag was“, wenn anderseits eine solche Äußerung unkommentiert im Raum stehen bleibe.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland und Politiker der Opposition haben Bundeskanzler Scholz scharf kritisiert, weil er Abbas nicht umgehend, noch auf der gemeinsamen Pressekonferenz, widersprochen habe. Scholz verurteilte Abbas' Aussagen erst wenig später im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung und auf Twitter.
Verknöchertes Geschichtsbild
„Politik ist kein Wettbewerb im schnell Reagieren“, hält Stephan Detjen, Hauptstadtkorrespondent des Deutschlandradios, dem entgegen. Es gebe ja keinen Zweifel daran, dass der Gehalt von Abbas' Äußerung "vom Bundeskanzler und von der deutschen Öffentlichkeit in aller Schärfe in der Substanz zurückgewiesen worden ist.“ Die eigentliche Frage, die sich nun stelle sei vielmehr: "Wie geht man um mit einem Palästinenserpräsidenten, der ein solches Geschichtsbild offenbart?“
Abbas habe Israel in der Pressekonferenz schon zuvor wiederholt für die – in seinen Worten – „Besatzungspolitik“ des Landes angeklagt. In diesem Zusammenhang habe er bereits von einem „Apartheit-Regime“ gesprochen, ein Ausdruck, von dem sich Kanzler Scholz sofort klar distanziert habe. Auf Reisen in den Nahen Osten habe er den Eindruck gewonnen, dass die palästinensiche Führungsriege um Abbas einem "verknöcherten Geschichtsbild" anhänge, so Detjen.
Den Dissens austragen
Die Bundesregierung und die deutsche Gesellschaft werde den Dissens, der hier deutlich geworden sei, austragen müssen, bekräftigt Detjen. "Wir haben es mit einer Konfliktregion zu tun, die auf vielfältige Weise – nicht nur durch den Holocaust, nicht nur im deutsch-jüdischen, deutsch-israelischen Verhältnis, sondern auch im deutsch-palästinensischen Verhältnis – etwas mit uns, mit unserer Geschichte, zu tun hat. Und da ist in der Tat sehr viel zu diskutieren."
Angelika Hellemann unterstreicht, nun stehe in Frage, wie die Bundesregierung in Zukunft mit Abbas umgehe. Auch über deutsche Gelder, die an die palästinensische Führung gehen, müsse vor diesem Hintergrund neu nachgedacht werden. Der gesamte Vorfall verlange nach einer "sehr deutlichen Antwort".
(fka)